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Rungnir-Raute: Putins Truppen tragen mysteriöses Zeichen


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Plötzlich tragen Putins Truppen ein mysteriöses Zeichen


Aktualisiert am 29.05.2024Lesedauer: 5 Min.
Russland verlegt derzeit militärisches Gerät und Personal in die Region im Nordosten des Landes.Vergrößern des Bildes
Russland verlegt derzeit militärisches Gerät und Personal in die Region im Nordosten des Landes. (Quelle: Screenshot/OSINT defender/X)
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An der Front im Nordosten der Ukraine tauchen immer mehr russische Streitkräfte auf. Und mit ihnen ein mysteriöses Symbol, das aus der germanischen Mythologie stammt.

Ein neues Symbol ist im brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine aufgetaucht. Wie auf unverifizierten Bildern, die in sozialen Netzwerken kursieren, zu sehen ist, trägt ein Teil der Kreml-Truppen nicht mehr das berüchtigte Z oder den Buchstaben V zur Schau, sondern eine durchgestrichene Raute. Die Raute prangt gut sichtbar auf Panzern und Militärfahrzeugen einer Brigade, die seit einiger Zeit im Norden der Ukraine stationiert ist. Bei der Armeeeinheit handelt es sich offenbar um die neu formierte Sever-Brigade.

Sie soll seit ein paar Wochen vor allem nordwestlich der Millionenstadt Charkiw im Einsatz sein. Wie die US-Denkfabrik Institute For The Study Of War (ISW) in ihrem jüngsten Report analysiert, kommt ihr derzeit eine wichtige Aufgabe zu: Sie soll die Front in dem heftig umkämpften Gebiet um Charkiw ausdehnen. "Selbst örtlich beschränkte russische Offensivoperationen werden den Druck auf die ukrainische Armee erhöhen und den russischen Streitkräften erlauben, taktisch bedeutsame Stellungen zu erobern, um in der Folge weitere Angriffe auf Charkiw oder Sumy zu starten."

Sever bedeutet im Russischen "Nord" oder "nördlich", der Name weist auf die Region, in der die Brigade zum Einsatz kommt. In diesem Fall jene Region im nördlichen und nordwestlichen Teil der Ukraine, die die Oblaste, also die Verwaltungsgebiete Charkiw und Sumy verbindet.

Odins Speer: Symbol aus der germanischen Mythologie

Gerüchte, dass Russlands Armeeführung die Einheit ausgehoben und im Gebiet nördlich der Millionenmetropole Charkiw stationiert habe, gab es schon zu Beginn des Frühjahres 2024. Im April tauchten dann erstmals Bilder von russischen Armeefahrzeugen auf, auf denen die durchgestrichene Raute deutlich zu sehen war.

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Bei dem Symbol soll es sich um die nordische Gungnir-Rune handeln. Sie steht für den Speer des Odin, jenes Gottvaters der germanischen Mythologie, der auch als Kriegs- und Totengott bekannt ist. Odins Speer, so heißt es in den nordischen Sagen, traf immer sein Ziel, ungeachtet der kriegerischen Fähigkeiten des Gegners.

Nach Z und V malen Putins Soldaten nun also die Raute auf ihre Vehikel (Lesen Sie hier, wofür die anderen Symbole auf den russischen Panzern stehen). Dahinter steckt jedoch nicht bloß martialische Kriegsrhetorik, sondern ein operativer Schachzug, der für die Ukraine seit ein paar Wochen zum Problem geworden ist. Indem die russische Militärführung ihre Truppen in der Ukraine immer breiter aufstellt, dehnt sie die Front aus – und stellt die ohnehin personell und materiell geschwächte ukrainische Armee vor noch größere Herausforderungen.

"Eigentlich wollten sie 60.000 bis 100.000 Soldaten"

Der ukrainische Präsident selbst verwies vor einigen Tagen auf das Dilemma, vor dem seine Armee steht, als er davon sprach, dass Russland womöglich auch in der Region Sumy eine Offensive plane. Also eine weitere Front, auf die Kiew dann militärisch reagieren müsste. "Die Ukraine soll Einheiten dorthin schicken, die dann etwa nicht mehr im Donbass kämpfen können", sagte der renommierte Militärexperte Gustav Gressel kürzlich t-online.

Laut des Militärexperten George Barros, der den Ukrainekrieg für die US-Denkfabrik ISW analysiert, handelt es sich bei der Sever-Brigade um eine "operativ bedeutende Einheit". Deren Größe schätzt Barros auf bis zu 50.000 Kämpfer. "Eigentlich wollte Russland eher 60.000 bis 100.000 Soldaten für die Nord-Brigade ausheben, um Charkiw einzunehmen, aber wir gehen davon aus, dass es weniger sind. Dennoch hat die Einheit eine Menge Schlagkraft", so Barros im US-Sender "CNN".

Laut der ukrainischen Zeitung "Kyiv Post" soll die Brigade ursprünglich zur Verteidigung der an die Ukraine grenzenden russischen Regionen Belgorod, Briansk und Kursk gegründet worden sein. Nach dem Zusammenschluss mit zwei weiteren Armeeeinheiten verfügt die Gruppe Nord der russischen Armee über 48.000 Mann, bis zu 360 Panzer und 860 gepanzerte Fahrzeuge und an die 950 Artilleriesysteme. Zudem wird sie von Bombern aus der Luft unterstützt, die den ukrainischen Truppen mit permanenten Attacken zusetzen.

Selenskyj und Syrsky stehen vor enormen Herausforderungen

Kommandiert wird die Sever-Brigade von Generaloberst Alexander Lapin. Der Drei-Sterne-General diente bereits in Syrien, wo er Oberkommandierender der russischen Streitkräfte war, die dem Regime von Diktator Baschar al-Assad dabei halfen, seine Macht zu sichern. Wie die BBC herausfand, soll Lapin seinen Sohn Denis, Kommandeur einer Panzereinheit, für dessen Erfolge in den Regionen Sumy und Tschernihiw mit einem Tapferkeitsorden ausgezeichnet haben – obwohl die russischen Streitkräfte sich dort wieder zurückziehen mussten.

Mit der Sever-Brigade verfolgt Russlands Führung nun das Ziel, die Front in eben jenen Regionen zu überdehnen, um so die ukrainischen Stellungen an anderer Stelle auszudünnen und in der Folge leichter vorstoßen zu können. Daran zeigt sich, vor welchen enormen strategischen und taktischen Herausforderungen der ukrainische Oberbefehlshaber, Präsident Wolodymyr Selenskyj, und sein Oberkommandierender, General Oleksandr Syrsky, derzeit stehen.

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Auch deshalb bettelt Selenskyj seit Monaten im Westen um mehr Waffen. "Unser Problem ist ziemlich simpel", sagte der ukrainische General Wadim Skibitzki dem britischen "Economist": "Wir haben keine Waffen mehr. Und sie [die Russen] wissen genau, dass es im April und Mai schwierig für uns werden würde." Dazu trug auch das Wetter bei. Ein ungewöhnlich trockenes Frühjahr spielte Putins Armee in die Karten. Der Boden in der Ukraine war trocken und bot gute Voraussetzungen für militärische Vorstöße, etwa durch die Sever-Brigade.

Scholz äußert sich weniger klar als Macron

Der ukrainische Präsident versucht es daher seit einer Weile mit einer neuen politischen Initiative: Er will die Erlaubnis, die vorhandenen westlichen Langstreckenwaffen auch zu Angriffen auf militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet einsetzen zu dürfen. Doch das Ansinnen stößt bei den meisten Verbündeten auf Ablehnung. Neben Spanien und Deutschland stellte am Dienstag auch die US-Regierung erneut klar, dass sie Kiew die Erlaubnis für solche Einsätze verweigere. "Unsere Position hat sich zu diesem Zeitpunkt nicht geändert. Wir ermutigen oder erlauben nicht den Einsatz der von den USA gelieferten Waffen, um innerhalb Russlands anzugreifen", sagte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA.

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Ganz anders sieht das der französische Präsident. "Wir denken, dass wir ihnen erlauben sollten, die Militärstandorte, von denen aus die Raketen abgefeuert werden, und im Grunde genommen die militärischen Standorte, von denen aus die Ukraine angegriffen wird, zu neutralisieren", sagte Emmanuel Macron nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin. Macron stellte jedoch klar: "Wir sollten nicht erlauben, andere Ziele in Russland zu treffen, zivile Kapazitäten natürlich oder andere militärische Ziele."

Scholz äußerte sich weniger klar als Macron zu der Frage, ließ aber durchblicken, dass er keine rechtlichen Einwände gegen ein solches Vorgehen hätte. Die Ukraine habe völkerrechtlich alle Möglichkeiten für das, was sie gegen die russischen Angreifer tue. "Das muss man ausdrücklich sagen: Sie ist angegriffen und darf sich verteidigen", sagte der Kanzler. Die Frage ist nur, wie sie sich verteidigen soll, wenn ihr Waffen und Personal fehlen.

Russland trifft immer öfter zivile Ziele

Auch deshalb verabschiedete das ukrainische Parlament jüngst ein Gesetz, das auch die Einberufung ukrainischer Strafgefangener erlaubt, sofern sie sich nicht eines Schwerverbrechens schuldig gemacht haben. Im dritten Jahr des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges durch Russland hat Kiew immer mehr Mühe, die Front zu halten. Zudem setzt der Aggressor dem Nachbarland mit grausamen Luftangriffe zu, die häufig auch zivile Ziele treffen und die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen, wie in der vergangenen Woche in Charkiw.

Die Millionenstadt, ein kulturelles und industrielles Zentrum der Ukraine, zählt zu Putins dringlichsten Zielen in diesem Krieg. Die Eroberung von Charkiw wäre sein militärstrategischer Hauptpreis, nachdem der ursprüngliche Plan, das gesamte Land im Handstreich zu erobern, bereits in den ersten Kriegstagen schmählich gescheitert ist.

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