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Ukraine-Krieg | Kommandeur beschwert sich: Bröckelt Russlands Verteidigung?


Russischer Kommandeur klagt
Bröckelt hier die russische Verteidigung?

Von t-online, sje

Aktualisiert am 05.09.2023Lesedauer: 4 Min.
Soldat einer russischen Mörsereinheit: Ein Kommandant beklagt "extremen psychischen Stress" im Krieg.Vergrößern des Bildes
Soldat einer russischen Mörsereinheit: Ein Kommandant beklagt "extremen psychischen Stress" im Krieg. (Quelle: IMAGO/Evgeny Biyatov)

In der Grenzregion von Saporischschja und Donezk stehen sich ukrainische und russische Truppen gegenüber. Ein Kommandeur zweifelt an der Stärke seines Bataillons.

Die Ukraine meldet Erfolge bei der Gegenoffensive – und von russischer Seite gibt es wohl Zweifel an der Verteidigungsfähigkeit der Truppen. Der Kommandeur des russischen Wostok-Bataillons, das im Südosten der Ukraine kämpfen soll, beschwerte sich auf Telegram über die körperliche und psychische Belastung seiner Soldaten.

Alexander Chodakowski zweifelt laut einem Telegram-Post daran, ob seine erschöpften Soldaten eine ukrainische Offensive im Grenzgebiet zwischen Donezk und Saporischschja abwehren könnten. Das berichtete die US-Denkfabrik Insitute for the Study of War (ISW) am vergangenen Freitag.

Bröckelt nun also die russische Verteidigung im Südosten der Ukraine?

"Extremer physischer und psychischer Stress"

Um Uroschajne, einem im August von der Ukraine zurückeroberten Dorf, und entlang der nahegelegenen Linie Nowomajorske–Nowodonezke–Kermentschy stünden seine Truppen demnach permanent unter ukrainischem Artilleriefeuer, schreibt Chodakowski – und könnten den Beschuss kaum erwidern. Dem Wostok-Kommandeur zufolge dauere es Tage, bis die russischen Streitkräfte ihrerseits ukrainische Stellungen in dem Gebiet beschießen könnten – auch, weil die Russen aufgrund der ukrainischen Flugabwehr kaum Aufklärungsdrohnen einsetzen könnten.

Für das Bataillon bedeute all das "extremen physischen und psychischen Stress". Chodakowski warnte demnach, dieser Stress werde die Verteidigungsfähigkeit seiner Truppe im Falle einer ukrainischen Offensive in diesem Gebiet beeinträchtigen. Man dürfe von den geschundenen Soldaten keine Wunder erwarten, schreibt er auf Telegram.

Das ISW geht davon aus, dass Chodakowskis Aussagen "nicht unbedingt ein Hinweis auf ein breiteres Phänomen in der russischen Verteidigung" seien. Aber: Sie würden "wahrscheinlich genau die Situation in seinem begrenzten, aber wichtigen Sektor der Frontlinie" widerspiegeln, ebenso wie die "Lage der oft vernachlässigten militärischen Stellvertreterformationen wie Chodakowskis Wostok-Bataillon".

Chodakowski zweifelt an militärischen Fähigkeiten Russlands

Es ist nicht das erste Mal, dass der Kommandeur sich über die russische Verteidigung in dem Gebiet seines Bataillons beschwert. Chodakowski ist gebürtiger Ukrainer aus dem ostukrainischen Donezk, der 2014 die Seiten wechselte und das prorussische Wostok-Bataillon gründete. Das Bataillon ist fester Bestandteil der russischen Armee. Im russischen Angriffskrieg kämpft es aufseiten des Kremls. Schon Mitte August hatte Chodakowski erhebliche Zweifel an den militärischen Fähigkeiten Russlands angemeldet, die Ukraine zu schlagen, wie Sie hier nachlesen können.

Ende August forderte er dann, die russischen Streitkräfte dürften den täglichen Kampf gegen die ukrainischen Truppen nicht aus den Augen verlieren, während sie darüber fantasierten, "den Feind in Zukunft zu begraben". Nach Ansicht der ISW-Experten könnte er nun der Meinung sein, hochrangige russische Kommandeure könnten genau in diese Falle gelaufen sein – indem sie die Lage an der Front sich so weit verschlechtern ließen, dass nun die Verteidigungsfähigkeit in Gefahr sei.

Wostok-Bataillon: Sechzig Granaten in zwei Stunden

Die von ihm gefürchtete Offensive könnte die Ukraine unterdessen in den vergangenen Tagen tatsächlich gestartet haben – das Wostok-Bataillon berichtete am Sonntag auf Telegram, die ukrainischen Truppen würden dem von ihm verteidigten Gebiet mehr Aufmerksamkeit widmen, der Beschuss habe zugenommen. "Alles deutet darauf hin, dass wir bald Gäste erwarten", schrieb die Truppe.

Innerhalb von zwei Stunden hätten die ukrainischen Truppen am Sonntagmorgen mehr als 60 Granaten auf Nowomajorske gefeuert, hieß es weiter. Die Ukraine könne sich den massiven Beschuss aufgrund der Lieferungen aus dem Westen leisten. "Wir haben keine zuverlässige Satellitenaufklärung über der Ukraine und wir haben keine rechtzeitigen logistischen Informationen, um Munitionslieferungen in der Frontzone zu stoppen", beschwert sich das Bataillon. "Also erreicht fast alles, was der Westen liefert, die Front."

Schon mit der Eroberung von Uroschajne im August war den Ukrainern in der Gegend ein wichtiger Erfolg gelungen. Einem Bericht der "New York Times" zufolge war das Dorf von den Russen mit zwei Grabenlinien und einem Tunnelsystem zur Verteidigung umzogen worden – vergeblich. Nach tagelangen Kämpfen mussten sich die russischen Streitkräfte zurückziehen. Gelingt den ukrainischen Truppen in der Gegend ein weiteres Vorrücken durch die Verteidigungslinien der Russen, könnte sich ein zweiter Weg in Richtung des etwa 90 Kilometer entfernten Asowschen Meeres auftun. Damit käme die Ukraine dem Ziel der Gegenoffensive immer näher.

General: Russische Verteidigungslinie überwunden

Erst am Wochenende hatte der leitende General der ukrainischen Gegenoffensive, Oleksandr Tarnavskiy, im Interview mit der britischen Zeitung "The Observer" gesagt, die Truppen hätten weiter westlich die erste russische Verteidigungslinie durchbrochen. Zuvor hatte die Ukraine die Eroberung des Dorfs Robotyne gemeldet. Die Truppen stünden im Gebiet Saporischschja dementsprechend nun zwischen der ersten und zweiten Verteidigungslinie, so Tarnavskiy – und das schneller als erwartet. Hier können Sie mehr zu den Aussagen des Brigadegenerals nachlesen.

In Reaktion ziehe Russland nun seine Truppen in der Region zusammen, um die Verteidigung zu verstärken. "Aber früher oder später werden den Russen die besten Soldaten ausgehen", sagte der optimistische Tarnavskiy.

Mit der Gegenoffensive will die Ukraine die teils von Moskau kontrollierten Gebiete Saporischschja, Donezk, Luhansk und Cherson von der russischen Besatzung befreien. Ziel Kiews ist auch die Rückeroberung der Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die Moskau 2014 völkerrechtswidrig annektiert hatte.

Verwendete Quellen
  • understandingwar.org: "Russian Offensive Campaign Assessment, September " (Englisch)
  • t.me: @aleksandr_skif (Alexander Chodakowski auf Telegram, russisch)
  • t.me: @batalyon_vostok (Wostock-Batallion auf Telegram, russisch)
  • nytimes.com: "A Brutal Path Forward, Village by Village"
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