Größte Attacke seit Kriegsbeginn Massive Angriffe auf Odessa: "Es war eine höllische Nacht"
Die zweite Nacht in Folge wurde die ukrainischen Hafenstadt Odessa Ziel massiver russischer Angriffe. Für die Ukrainer ist klar, warum.
Russland hat die südukrainische Hafenstadt Odessa die zweite Nacht in Folge massiv mit Raketen und Drohnen angegriffen. Der Bürgermeister von Odessa, Hennadij Truchanow, schrieb bei Facebook: "Einen solchen großen Angriff haben wir seit dem Beginn des groß angelegten (russischen) Einmarsches nicht erlebt." In der Stadt seien mehrere Gebäude durch Explosionen beschädigt worden. Den Behörden zufolge wurden mindestens sechs Menschen verletzt.
"Es war eine höllische Nacht", schrieb der Sprecher der zuständigen Militärverwaltung, Serhij Bratschuk, auf Telegram. Der Angriff auf Odessa sei "sehr stark, wirklich massiv" gewesen, so Militärsprecher Bratschuk weiter.
Der Hafen von Odessa war bislang Hauptausgangspunkt für ukrainische Agrarexporte im Rahmen des Getreideabkommens, das Moskau am Montag aufgekündigt hatte. In Odessa vermutet Russland auch die Kommandozentrale für Angriffe von Schwimmdrohnen, die am Montag die Brücke auf die von Moskau besetzte Halbinsel Krim beschädigt haben.
Hafen und militärische Ziele getroffen
Dem Südkommando der ukrainischen Streitkräfte zufolge wurden Hafenanlagen mit einem Getreide- und einem Speiseölterminal getroffen. Beschädigt wurden auch Tanks und Verladeanlagen. Im Stadtgebiet von Odessa seien auch Lagergebäude zerstört worden. Zudem sei auf einer Fläche von 3.000 Quadratmetern ein Brand ausgebrochen.
Auch militärische Ziele und Anlagen der wichtigen Infrastruktur seien bei den russischen Angriffen getroffen worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Insgesamt habe die russische Armee am Mittwochmorgen über 31 Raketen unterschiedlicher Typen eingesetzt. Etwas mehr als die Hälfte habe nicht abgefangen werden können. Von 32 eingesetzten russischen Kampfdrohnen wurden demnach 23 abgeschossen.
Selenskyj: Russland zielt bewusst auf Getreide-Infrastruktur
Am Montag hatte Russland die Sicherheitsgarantien für einen sicheren Transport von Agrargütern aus drei ukrainischen Schwarzmeerhäfen, darunter Odessa, aufgekündigt. Dazu und zu den Angriffen sagte Andrij Jermak, Leiter des Präsidialamtes in Kiew: "Der russische Terror bei Odessa beweist ein weiteres Mal: Sie brauchen Hunger und Probleme in den Ländern des Globalen Südens. Sie möchten eine Flüchtlingskrise für den Westen schaffen."
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj brachte am Mittwoch die massiven russischen Angriffe in Verbindung mit dem Ende des Getreideabkommens. "Die russischen Terroristen zielen absolut bewusst auf die Infrastruktur des Getreideabkommens, und jede russische Rakete ist ein Schlag nicht nur auf die Ukraine, sondern auf alle in der Welt, die ein normales und sicheres Leben anstreben", schrieb der Staatschef bei Telegram. Dem Militär sei die Anweisung gegeben worden, die Hafeninfrastruktur besser zu schützen.
Militärsprecher: "Odessa hat keine Angst"
Militärsprecher Bratschuk berichtete, der Hafen setze seine Arbeit auch während der russischen Angriffe fort. Russland versuche, "die ganze Welt in Angst und Schrecken zu versetzen, vor allem diejenigen, die für den Getreidekorridor arbeiten wollen ... die Ukraine, die Türkei und die Vereinten Nationen" sagte Bratschuk. "Aber ich denke, dass alle normalen, vernünftigen Menschen auf uns schauen werden und sagen: Odessa hatte keine Angst, hat keine Angst und wird keine Angst haben – wir werden arbeiten."
Schon in der Nacht auf Dienstag war Odessa Hauptziel der russischen Angriffe gewesen. Dies wurde vom Verteidigungsministerium in Moskau ausdrücklich als Reaktion auf die Beschädigung der 19 Kilometer langen Krim-Brücke am Tag zuvor bezeichnet. Nach Zählung des ukrainischen Generalstabs setzte die russische Armee bei diesem Schlag sechs Marschflugkörper vom Typ Kalibr ein, die alle abgefangen wurden. Von 35 russischen Kampfdrohnen habe die Luftabwehr 31 zerstört.
Angriffe auch in Kiew
In der Nacht zu Mittwoch heulten seit kurz nach Mitternacht auch in vielen anderen Teilen der Ukraine immer wieder die Sirenen. Auch die Hauptstadt Kiew wurde angegriffen. "Eine schwierige Nacht von Luftangriffen auf die ganze Ukraine", erklärte der Chef der Militärverwaltung von Kiew, Serhij Popko. Die aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg können Sie hier im Newsblog verfolgen.
Die Ukraine verteidigt sich seit fast 17 Monaten gegen die russische Invasion. Das Land hat seit dem vergangenen Herbst seine Luftabwehr mit internationaler Hilfe verbessert. Doch es können nicht alle Städte so gut geschützt werden wie die Hauptstadt Kiew.
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters