Putins Gazprom-Söldner in der Ukraine "Ihnen wurden himmlische Bedingungen versprochen"
Der Krieg gegen die Ukraine läuft für Russland nicht nach Plan. Das Energieunternehmen Gazprom versucht, die russischen Truppen mit eigenen Bataillonen zu stärken.
Es war eine rätselhafte WhatsApp-Nachricht, die auf ihrem Smartphone aufleuchtete. Mitte August erhielten die Sicherheitsmitarbeiter einer Gazprom-Niederlassung in Zentralrussland alle die gleiche Nachricht: "Achtung: Um 10 Uhr morgens findet auf dem Gelände des Pipeline-Betriebszentrums ein Treffen statt", schrieb der Manager ihnen, wie die "Financial Times" unter Berufung auf einen der Mitarbeiter berichtet. Die Nachricht endete mit den knappen Worten: "Teilnahme ist Pflicht."
Zur selben Zeit seien auch im russischen Sibirien die Gazprom-Sicherheitsmitarbeiter der dortigen Niederlassung zu einer Notfallsitzung zusammengerufen worden. "Sie sagten ihnen, sie sollten ihre Telefone abgeben und in kleinen Gruppen zum Büro des Chefs gehen", erzählte die Frau eines Mitarbeiters der "Financial Times".
Der Grund: Der russische Energiekonzern wollte seine Sicherheitsmitarbeiter offenbar für Freiwilligenbataillone anheuern. Mindestens zwei aus jeder Gruppe sollten sich melden, um in den Krieg gegen die Ukraine zu ziehen, hieß es von den Managern der Standorte. Laut einem ehemaligen hochrangigen russischen Beamten sei die Aufstellung dieser Militäreinheiten für Oligarchen und Unternehmen eine Möglichkeit, ihre Treue zu Putin zu beweisen und die Kontrolle darüber zu behalten, welche ihrer Arbeiter für den Krieg eingezogen würden. Gering qualifizierte Arbeitskräfte gelten als entbehrlicher als höher qualifizierte.
"Himmlische Bedingungen" für den Einsatz an der Front
Den Freiwilligen stellte Gazprom Unterstützung für ihren Kriegseinsatz in Aussicht: "Ihnen wurden himmlische Bedingungen versprochen", sagte eine Frau der "Financial Times", deren Mann sich geweigert habe, sich freiwillig zu melden. Demnach sollten die Männer insgesamt mehr als eine Million Rubel (etwa 11.416,89 Euro) für ihren Einsatz erhalten, genügend Ausrüstung sowie einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium. Auch ihren Arbeitsplatz dürften sie behalten, sei ihnen von Gazprom versichert worden. Das in den USA ansässige Institute for the Study of War (ISW) geht von ähnlich hohen Gehältern aus. So könnten Gazprom-Söldner mit diversen Prämien bis zu 7.500 Euro im Monat erhalten. Mehr zu dem ISW-Bericht lesen Sie hier.
Finanziert werden die Gazprom-Bataillone durch den Konzern selbst, der damit offenbar einer Ansage des Kremls folgt: Wie ein ehemaliger russischer Beamter der "Financial Times" verriet, gebe es "den Auftrag, Freiwillige auf verschiedene Weise anzuwerben, auch über wohlhabende staatliche und private Strukturen, die genug Geld haben, um einfach Leute zu rekrutieren". Die Sondergenehmigung dazu erhielt Gazprom anscheinend schon im Februar vom Kreml, wie BBC-Recherchen belegen.
Und auch anderweitig erhält Gazprom für seine Schattenarmee offenbar Unterstützung: Die Partei Prawaja Rossija (Rechtes Russland), eine imperialistische Bewegung, bezeichne sich selbst als prominenten Unterstützer des Bataillons "Fakel" und stelle Ausrüstung sowie Freiwillige aus den eigenen Reihen zur Verfügung, berichtet die "Financial Times". Ihr Ziel sei es, "das russische Reich wiederherzustellen", sagte Georg Borovikov, ein rechtsextremer Nationalist und Anführer der Partei, dem Medium.
Gazprom ist eines der größten staatlichen Unternehmen in Russland. Es fördert vorwiegend Erdgas und hatte bis zum Ukraine-Krieg den Rohstoff auch nach Deutschland geliefert. Gazproms Vorstandsvorsitzender, Oligarch Alexei Miller, gilt als guter Freund von Diktator Wladimir Putin. Unter anderen saß der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder für einige Zeit im Aufsichtsrat des Gasriesen.
Weiteres Gazprom-Bataillon in der Ukraine?
Ob "Fakel" tatsächlich zu Gazprom gehört, ist offiziell nicht bestätigt. Borovikov hielt sich ebenfalls bedeckt: "Ein Bataillon von Grund auf neu aufzustellen, ist schwierig. Dafür braucht man einen Sponsor, der vielleicht etwas weiter oben sitzt", sagte er. Auch ein Ex-Mitarbeiter brachte das Bataillon bereits mit dem Konzern in Verbindung, wie die BBC berichtete.
Bei einem weiteren Bataillon des Energiekonzerns soll es sich laut der "Financial Times" um das Bataillon "Potok" handeln. Demnach schrieben Sicherheitsmitarbeiter auf Anfrage des Mediums, dass die Existenz von "Potok" "geheim" sei. Andere wiederum fragten "Warum? Wollen Sie sich einschreiben?" – um die Existenz des Bataillons schließlich ganz abzustreiten. Bei einem anderen Standort in der Ural-Region hingegen bestätigten Mitarbeiter die Existenz des Bataillons im Zusammenhang mit Gazprom. Es seien jedoch angeblich nur Mitarbeiter ihres Standortes rekrutiert worden.
Dass beide mit Gazprom verbundenen Bataillone inzwischen in der Ukraine eingesetzt werden, ist indes hinreichend belegt. Etwa durch Wutausbrüche von Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner: Bereits Mitte Mai wetterte er gegen "Potok" sowie das Bataillon "Fakel", das angeblich von der Front geflohen sei. Bei den Soldaten des Batallions "Fakel", soll es sich um jene handeln, die am 12. Mai offenbar ihre Stellungen in Bachmut verlassen haben.
Um das mittlerweile von den russischen Besatzern eroberte, aber von den Ukrainern nicht aufgegebene Bachmut war monatelang erbittert und verlustreich gekämpft worden. Im Kampf um die völlig zerstörte Stadt traten zudem in den vergangenen Wochen heftige Machtkämpfe innerhalb der russischen Militärführung zutage. Prigoschin kündigte zuletzt den Abzug seiner Truppen an.
- ft.com: ‘Stream’ and ‘Torch’: the Gazprom-backed militias fighting in Ukraine (englisch)
- Eigene Recherche
- bbc.com: ""Поток" под Бахмутом. Что известно о ЧВК, связанных с "Газпромом"" (russisch)