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Joe Biden: So lief seine gefährliche Reise nach Kiew


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US-Präsident in Kiew
Geheimcode "SAM060"

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 21.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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Biden in Kiew: In einer Rede lobte der Präsident den Mut der Ukraine beim Widerstand gegen den russischen Angriff. (Quelle: reuters)
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Noch nie hat ein US-Präsident ein Kriegsgebiet besucht. Joe Bidens geheime Mission ist voller Symbolik und Risiken. So lief die gefährliche Reise ab.

Noch am Samstagabend (Ortszeit) saß Joe Biden mit seiner Frau Jill beim Abendessen in einem angesagten Restaurant in Washington. Um 19.47 Uhr verließ das Paar "The Red Hen". Zu diesem Zeitpunkt wussten beide bereits, dass Joe Biden kurz darauf die gefährlichste Reise seiner Amtszeit antreten würde. Die Entscheidung, ins Kriegsgebiet nach Kiew zu reisen, war am Freitagabend gefallen.

Am Sonntag herrschte plötzlich Funkstille, eine verdächtige Ruhe lag über Washington. Wo sonst die Hauptstadtpresse über jeden Wimpernschlag des Präsidenten informiert wird, gab es diesmal nur eine knappe Meldung des diensthabenden Reporters am Morgen: "Das Weiße Haus schließt für heute. Schönen Sonntag".

So etwas kommt vor. Doch nach wochenlangen Spekulationen über einen möglichen Besuch Bidens in Kiew verdichteten sich damit die Hinweise, dass der US-Präsident tatsächlich in die Ukraine reisen würde. Dass trotzdem nichts über die Pläne durchsickerte, spricht für die monatelange professionelle Vorbereitung im Weißen Haus.

Seit Monaten geheim geplant

Im Schutz der Dunkelheit hat Joe Biden Washington verlassen. Eine kleinere Version der Präsidentenmaschine Air Force One hob am Sonntagmorgen um 4.15 Uhr Ortszeit ab. Nur ein kleines Team durfte an Bord der C-32A, darunter nur eine Reporterin des "Wallstreet Journal" und der Chef-Fotograf von AP. Beide musste aus Sicherheitsgründen vorübergehend ihre Telefone abgeben. In den Instruktionen, die sie für die Reise erhielten, wählte man eine verschleiernde Betreffzeile für ein angebliches Golfturnier: "Arrival instructions for the golf tourney".

Doch der amtierende US-Präsident heißt nicht Donald Trump, sondern Joe Biden. Im Flugzeug saßen unter anderem sein nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan, seine stellvertretende Stabschefin und die Direktorin des Oval Office.

Wie die amerikanische Nachrichtenagentur AP berichtet, wurde für die Maschine das Rufzeichen "SAM060" verwendet, was für "Special Air Mission" steht. Nach einem Tankstopp in Ramstein in Deutschland schaltete Bidens Flugzeug sein Transponder-Signal dann für den rund einstündigen Flug ins polnische Rzeszów ab. Es ist jener Flughafen, der schon oft als Tor für westliche Waffenlieferungen und VIP-Besuche in die Ukraine gedient hat. Vom polnischen Bahnhof in Przemyśl Główny fuhr dann ein gepanzerter Zug bis nach Kiew. Mit diesem Zug ging es am späten Abend auch zurück nach Polen.

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Bidens Reise ist mehr als ein Signal. Barack Obama hat als Präsident nie einen Fuß in die Ukraine gesetzt, Donald Trump hat sich dort auch nicht blicken lassen. Mit Joe Biden besuchte erstmals ein US-Präsident ein Kriegsgebiet, in dem offiziell keine US-Truppen operieren. Das stärkste Argument dagegen war immer: zu gefährlich. Vor allem der Secret Service, der für den Schutz des Präsidenten zuständig ist, hatte solche Besuche nie genehmigt. Hat sich Joe Biden über die Bedenken seiner Sicherheitsberater hinweggesetzt?

Offenbar war dem US-Präsidenten die Reise so wichtig, dass er sie persönlich vorantrieb. So heißt es aus dem Weißen Haus: Biden sei sich bewusst gewesen, dass der bevorstehende Jahrestag ein wichtiger Moment sei. Sein Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte: "Er fühlte, dass er diese wichtige Mission unternehmen musste." Daraufhin seien dem Präsidenten mehrere akribisch ausgearbeitete Sicherheitspläne vorgelegt worden. Biden war von den Konzepten überzeugt und entschied sich für die Reise.

Der Kreml wurde kurz zuvor informiert

Der gefährliche Weg des Präsidenten hat rund 20 Stunden gedauert. Nach der Überquerung des Atlantiks fuhr Biden noch zehn Stunden mit dem Zug, bevor er um 8 Uhr Ortszeit in Kiew eintraf. Blauer Anzug, blau-gelb gestreifte Krawatte in den Farben der Ukraine. "Es ist schön, wieder in Kiew zu sein", sagte er, als ihn die US-Botschafterin Bridget Brink schließlich in Empfang nahm.

Hunderte Sicherheitskräfte hatten die Straßen abgeriegelt. Wenige Stunden vor Bidens Ankunft war nach Angaben des Weißen Hauses auch der Kreml informiert worden. Ein Vorgehen, das letztlich der Sicherheit dient. Ein auch nur zufälliger Angriff der Russen auf Biden könnte so schwerwiegende Folgen haben, dass Moskau informiert werden musste.

Die Russen ließen es sich aber nicht nehmen, zumindest Luftalarm in Kiew auszulösen, und zwar genau in dem Moment, als Joe Biden mit Wolodymyr Selenskyj am Präsidentenpalast vorbeiging. Angeblich wurden aber keine Raketen abgefeuert. Russische Aufklärungsflugzeuge und Mig-Kampfflugzeuge sollen in Weißrussland nahe der Grenze zur Ukraine aufgestiegen sein. Sie sollen die Sirenen ausgelöst haben.

Massive Überwachungsmaßnahmen

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Wie genau es Biden gelungen ist, die Welt mit seiner Reise zu überraschen, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Das Weiße Haus will die Details sogar selbst veröffentlichen. Allerdings erst, wenn der Secret Service grünes Licht gegeben hat. Fakt ist: Der Luftraum über dem US-Präsidenten wurde akribisch überwacht. Äußerst ungewöhnliche Flugbewegungen der US-Luftwaffe wurden im Vorfeld wahrgenommen. Eine genaue Zuordnung war zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht möglich.

Während Biden in geheimer Mission nach Kiew reiste, versammelten sich mitten in Washington Hunderte von Menschen. Vor dem Lincoln Memorial protestierten sie gegen den Krieg, machten aber nicht Russland, sondern die Nato für Zehntausende Tote verantwortlich. Russische Fahnen wurden geschwenkt, sogar das russische Staatsfernsehen war vor Ort und interviewte Verschwörungsideologen zu Propagandazwecken.

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Zugegeben, es war nur eine kleine Demonstration mit starker Beteiligung von Rechtsradikalen und Wirrköpfen. Aber die Unterstützung in den USA für Bidens Ukraine-Kurs ist nicht mehr so breit wie noch vor einigen Monaten. Auch für Biden lauert ständig die Gefahr, die Unterstützung für die Ukraine zu verlieren. Schon jetzt werfen ihm seine politischen Gegner vor, dass er nach Kiew geflogen ist, statt sich anlässlich des Giftgas-Zugunglücks in Ohio blicken zu lassen.

"Ich bin hier, um unsere unerschütterliche Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität dieser Nation zu zeigen", sagte Biden in Kiew, bevor er die Hauptstadt gegen 14 Uhr in Richtung Polen verließ. Dazu verkündete er die Lieferung von Artilleriemunition, Panzerabwehrsystemen und Luftüberwachungsradaren, um das ukrainische Volk vor Luftangriffen zu schützen. Wenige Tage vor dem Jahrestag der russischen Invasion könnte die Symbolik nicht größer sein.

Heute ist außerdem der 9. Jahrestag der Massenerschießung pro-demokratischer Demonstranten auf dem Maidan-Platz in Kiew. Für viele Ukrainer der wahre Beginn des russischen Angriffskrieges. Auch in den USA ist heute ein wichtiger Gedenktag. Es ist President's Day. In diesem Jahr in doppelter Hinsicht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Hintergrund-Telefonkonferenz des Weißen Hauses
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