Wiederaufbau der Ukraine G7 und EU bringen Marshallplan auf den Weg
Seit der russischen Invasion ist ein großer Teil der ukrainischen Infrastruktur zerstört worden. Mit dem Wiederaufbau müsse jetzt begonnen werden, so Scholz.
Die G7 der wirtschaftsstarken Demokratien und die Europäische Union haben gemeinsam einen Marshallplan für den Wiederaufbau der Ukraine auf den Weg gebracht. Eine von Bundeskanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geleitete Expertenkonferenz gab am Dienstag das Startsignal für ein solches Programm nach dem Vorbild der US-Hilfen für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.
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Scholz nannte den Wiederaufbau der Ukraine eine "Generationenaufgabe, mit der man jetzt beginnen muss". Auch von der Leyen mahnte, es dürfe keine Zeit verschwendet werden. "Wir müssen sicherstellen, dass die Ukraine jederzeit die Unterstützung bekommt, die sie braucht."
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warb für rasche internationale Investitionen in sein durch den russischen Krieg stark zerstörtes Land. Wer in den Wiederaufbau der Ukraine investiere, investiere in ein künftiges EU-Mitgliedsland, sagte er am Dienstag laut Simultanübersetzung bei der Konferenz in Berlin. "Europa kann man nur mit der Ukraine gemeinsam denken." Das Land trete für die Sicherheit Europas ein, indem es den russischen Schlag abfange, betonte er demnach.
Scholz richtete die Konferenz als derzeitiger Vorsitzender der G7 zusammen mit von der Leyen aus. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal reiste mit einer Delegation aus Kiew an, Selenskyj wurde per Video zugeschaltet. Konkrete finanzielle Zusagen wurden bei dem Expertentreffen, das bewusst nicht als Geberkonferenz angelegt war, nicht gemacht.
Ukrainischer Regierungschef bedankt sich für Waffenlieferungen
Bei der Konferenz gehe es darum, Wege für die Gestaltung der Zukunft des Landes zu finden, "nicht nur für die kommenden Monate, sondern für die kommenden Jahre", sagte Scholz. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, müssten private und staatliche Investoren auf der ganzen Welt zusammengebracht werden.
Der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal dankte Deutschland ausdrücklich für seine finanzielle Hilfe und auch seine Waffenlieferungen. Er wolle "die größte Dankbarkeit" seines Landes für die "unerschütterliche, sehr stabile und sehr starke Unterstützung" Deutschlands aussprechen, sagte Schmyhal am Dienstag.
Die deutschen Waffen "funktionieren ausgezeichnet", sagte Schmyhal weiter. Das Luftabwehrsystem Iris-T etwa sei "das beste System, das die ukrainischen Soldaten auf dem Schlachtfeld einsetzen". Neun von zehn Raketen hätten ihre Ziele erreicht. Aber auch andere Waffen und Munition aus Deutschland würden von der ukrainischen Armee genutzt.
Investition in demokratische Werte
Es sei keine Zeit zu verschwenden, das Ausmaß der Zerstörung sei beachtlich, sagte von der Leyen am Dienstag in Berlin mit Blick auf die Folgen des russischen Angriffskriegs. Kein Land oder keine Union könne dies alleine stemmen, man brauche starke Partner wie die USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Australien und andere Länder sowie Institutionen wie die Weltbank. Jeder Euro, jeder Dollar, jedes Pfund, jeder Yen sei eine Investition in die Ukraine, aber auch in die demokratischen Werte weltweit.
Es seien Milliardensummen notwendig für den Wiederaufbau. Für viele Ukrainerinnen und Ukrainer gehe es darum, im Winter ein warmes Zuhause zu haben. Mit Blick auf den Wiederaufbau von Infrastruktur sagte von der Leyen, dies müsse eingebettet werden in den Weg der Ukraine in die EU.
Milliarden Dollar für lebenswichtige Infrastruktur notwendig
Selenskyj nannte einen Finanzbedarf von 38 Milliarden Dollar, um das Staatsdefizit im kommenden Jahr auszugleichen. Das Geld werde benötigt, um Lehrer und Ärztinnen zu bezahlen sowie Renten auszuzahlen.
Besonders dringend seien Investitionen in Krankenhäuser, Schulen, Verkehrswege und andere lebenswichtige Infrastruktur, erläuterte Selenskyj. Durch Raketenangriffe sei mehr als ein Drittel der ukrainischen Energieinfrastruktur zerstört worden. Dieser Teil des Wiederaufbaus könne nicht auf die Zeit nach dem Krieg verschoben werden, dafür brauche die Ukraine jetzt Geld. Der von der Gruppe sieben führender demokratischer Industriestaaten (G7) erwogene Aufbaufonds müsse bereits im kommenden Monat seine Arbeit beginnen, forderte Selenskyj.
Deutschland größter Geldgeber in der EU
Die G7 haben bereits weitere Finanzhilfen für 2023 zugesagt. In diesem Jahr flossen den Angaben zufolge zusätzlich zur militärischen und humanitären Unterstützung bereits Budgethilfen in Höhe von 20,7 Milliarden US-Dollar, insgesamt sind 33,3 Milliarden Dollar zugesagt. Mit Abstand größter Geldgeber sind die USA, Deutschland ist laut Finanzministerium mit einem Anteil von 1,4 Milliarden Euro größter Geber innerhalb der EU.
Die Ukraine wurde in den vergangenen zwei Wochen von fast 300 russischen Raketen und Drohnen getroffen. Nach ukrainischen Angaben wurde die Energie-Infrastruktur zu 40 Prozent zerstört.
Indonesiens Präsident kündigt für G20-Gipfel Friedensinitiative an
Für den G20-Gipfel der führenden Wirtschaftsmächte im November auf Bali hat der indonesische Präsident Joko Widodo bereits eine Friedensinitiative für die Ukraine angekündigt. Indonesien werde bei dem Gipfel alle dazu einladen, "sich zusammenzusetzen und sich in einen konstruktiven Dialog zu begeben", sagte Widodo am Dienstag laut Simultanübersetzung in einer Videobotschaft zum Abschluss der internationalen Expertenkonferenz. Dazu gehörten auch jene, die auf unterschiedlichen Seiten stünden. "Nur auf diesem Wege können wir eine starke Grundlage schaffen für den Wiederaufbauprozess der Ukraine", betonte er.
Widodo ist Gastgeber des am 15. und 16. November auf der Insel Bali stattfindenden G20-Gipfels. In der Videobotschaft sagte er, Friedensdiplomatie habe höchste Priorität. "Der Krieg muss enden", forderte Widodo. Der Wiederaufbau und die Wiederherstellung der Wirtschaftskraft der Ukraine seien unmöglich, wenn der Krieg nicht ende. Die Interessen des ukrainischen Volkes stünden dabei an erster Stelle. Widodo wiederholte eindringlich: "Der Frieden muss unsere Priorität sein hinsichtlich der nächsten Schritte, die wir einleiten." Er hoffe, dass die Wiederaufbaukonferenz in Berlin dabei helfe, verschiedene Ansichten zu überbrücken.
- Nachrichtenagentur dpa