Terror gegen Zivilbevölkerung Russlands Drohnenlieferant treibt ein gefährliches Spiel
Erst Kamikaze-Drohnen, bald Mittelstreckenraketen: Russland setzt immer mehr auf iranische Terrorwaffen. Politisch könnte sich das für Teheran rächen.
Die russischen Terrorangriffe gegen Zivilisten in der Ukraine reißen nicht ab. Allein am Montag starben in Kiew und anderen Orten mindestens sechs Menschen durch Angriffe mit Kamikaze-Drohnen, die Russland nachweislich bei seinem Verbündeten Iran beschafft. Die Zahl der Verletzten war am Montagnachmittag noch nicht klar. Jetzt schickt das Regime in Teheran offenbar noch verheerende Waffen ins Kriegsgebiet nach Europa.
Wie die "Washington Post" unter Berufung auf hohe US-Beamte berichtet, bereitet Teheran gerade die nächste Waffenlieferung für Moskau vor. Diese soll nicht nur Dutzende weiterer Kamikaze-Drohnen vom Typ Shahed-136 umfassen, die schon seit Wochen auf Ziele in der Ukraine einschlagen, sondern auch ballistische Mittelstreckenraketen der Typen Fateh-110 und Zolfaghar. Der Zeitung zufolge hat Russland seine eigenen Bestände solcher Raketen inzwischen weitgehend verschossen. Mehr als 80 Raketen schoss Russland allein am vorangegangenen Wochenende auf die Ukraine ab.
"Tausende ballistische Raketen und Marschflugkörper"
Dem Fachportal "Missile Threat" zufolge verfügt der Iran über die "meisten und die unterschiedlichsten Mittelstreckenraketen" im Nahen Osten. Das iranische Arsenal umfasst demnach "Tausende ballistische Raketen und Marschflugkörper", die Ziele zwischen 300 und 2.000 Kilometer Entfernung treffen können. Die Fateh-110 hat laut "Missile Threat" eine Reichweite von 300 Kilometern, die Zolfaghar sogar von 700 Kilometern. Russland dürfte aber vor allem an der größeren Traglast der Raketen von jeweils 500 Kilo interessiert sein. Eine Shahed-136 kann dagegen maximal 40 Kilo Sprengstoff in ein Ziel steuern, das aber nach ukrainischen Angaben auf 1.000 Kilometer Entfernung.
Welchen Schrecken allein die Kamikaze-Drohnen in der Ukraine anrichten, zeigten am Montag wieder etliche Videos in den sozialen Medien. Dieses Video soll den Einschlag einer Shahed-136 in ein Wohngebäude in Kiew am Morgen zeigen:
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Auch dieses Video soll am Morgen in Kiew entstanden sein. Zu sehen sind verängstigte Menschen, die sich in Sicherheit bringen, zu hören ist noch das Brummen des Drohnenmotors, bevor das Geschoss in ein nahegelegenes Hochhaus einschlägt:
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Dieses Video soll zeigen, wie ukrainische Polizisten – offenbar vergeblich – versuchen, eine Drohne kurz vor dem Einschlag mit Maschinenpistolen abzufangen:
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In anderen Fällen waren die Verteidiger offenbar erfolgreicher. So soll dieses Video den Abschuss einer Kamikaze-Drohne am Morgen außerhalb von Kiew zeigen:
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Ukraine fordert Sanktionen gegen Iran
Nach Informationen des ukrainischen Geheimdienstes hat Russland bislang 2.400 Kamikaze-Drohnen vom Iran bezogen. Ein Teil der Drohnen wurde nun offenbar auch von Belarus aus abgefeuert. Um den Verteidigern das Abfangen zu erschweren, werden die Drohnen häufig im Schwarm eingesetzt. Doch das gelingt der ukrainischen Flugabwehr offenbar immer besser: Von 43 anfliegenden Shahed-136 habe die Armee seit Sonntagabend 37 abgeschossen, hieß es. Zugleich forderte die ukrainische Regierung nach den Attacken weitere Unterstützung vom Westen und Sanktionen gegen Iran.
"Ich bin wahrscheinlich der erste Außenminister, der sich aus einem Luftschutzkeller an den EU-Außenrat wendet", schrieb der ukrainische Amtsträger Dmytro Kuleba auf Twitter. "Ich habe die EU aufgerufen, Sanktionen gegen den Iran zu verhängen, weil dieser Russland mit Drohnen beliefert", schrieb er weiter. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) ist dem Vernehmen nach offen für diese Forderung. Die Ukraine hat ihre diplomatischen Beziehungen zu Iran wegen der Drohnen für Russland bereits stark zurückgefahren.
Israel: stärkere Unterstützung für Ukraine?
Politisch könnten sich die iranischen Waffenlieferungen an Russland tatsächlich noch als Bumerang erweisen, und zwar für beide Seiten. Nach dem Bericht der "Washington Post" über die jüngste Raketenlieferung forderte der israelische Minister Nachman Shai ein stärkeres Engagement seines Landes für die Ukraine. "Es kann keinen Zweifel mehr geben, auf wessen Seite Israel in diesem blutigen Konflikt stehen sollte", schrieb Shai auf Twitter. "Es wird Zeit, dass wir der Ukraine Waffen liefern, so wie es die USA und andere Nato-Länder schon tun".
Bislang unterstützt Israel die Ukraine mit Helmen, Schutzwesten, medizinischer Ausrüstung und Geheimdienstinformationen, schreckt wegen der russischen Präsenz in Syrien aber vor Waffenlieferungen an die Ukraine zurück. Russlands Ex-Präsident, der Putin-Vertraute Dmitri Medwedew, reagierte am Montag mit einer unmissverständlichen Drohung auf die Äußerungen von Minister Shai. "Israel scheint zu planen, Waffen an das Kiewer Regime zu liefern", schrieb Medwedew auf Telegram. "Ein sehr leichtsinniger Schritt, der alle zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern zerstören wird."
Unabhängig von den Waffenlieferungen an Russland verhängte die EU am Montag Sanktionen gegen die iranische Sittenpolizei und weitere Verantwortliche des Landes. Auf der Sanktionsliste stehen elf Verantwortliche sowie vier Organisationen. Sie werden für etliche Todesfälle und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit im Iran verantwortlich gemacht.
- washingtonpost.com: Iran plans to send missiles, drones to Russia for Ukraine war, officials say (englisch; Stand: 17. Oktober 2022)
- missilethreat.csis.org: Missiles of Iran (englisch; Stand: 17. Oktober 2022)
- mil.in.ua: The invaders attacked Odesa with Shahed-136 kamikaze drones (ukrainisch; Stand: 17. Oktober 2022)
- pravda.com.ua: 43 Kamikaze-Drohnen flogen seit Sonntagabend über die Ukraine, 37 wurden abgeschossen – Air Force (ukrainisch; Stand: 17. Oktober 2022)
- twitter.com: Tweet von @DrNachmanShai (englisch; Stand: 17. Oktober 2022)
- Telegramkanal von Dmitri Medwedew: Eintrag vom 17. Oktober (russisch; Stand: 17. Oktober 2022)
- Material der Nachrichtenagentur dpa