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Punktsieg für die Radikalen: "Surowikin ist eine Legende"


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"Surowikin ist eine Legende"
Punktsieg für die Radikalen


Aktualisiert am 11.10.2022Lesedauer: 3 Min.
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Kremlchef Putin (rechts) steckt Sergej Surowikin einen Orden an: "Sündenböcke können die Unzufriedenheit mit Putin vielleicht für eine Weile auf sich nehmen". (Quelle: Alexei Nikolsky)
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Russische Hardliner feiern den neuen Befehlshaber in der Ukraine. Aber wie lange wird die Begeisterung für Sergej Surowikin anhalten?

Wladimir Putin inszeniert sich gerne als starker Anführer, der die Zügel stets in Händen hält und nur seinem eigenen Willen folgt. Doch zuletzt wirkte der Kremlchef eher wie ein Getriebener, zum Handeln gezwungen von vorrückenden Ukrainern und immer lauter werdenden Rufen nach einer Eskalation des Krieges aus den eigenen Reihen. Auch mit der Ernennung von Sergej Surowikin zum neuen Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine scheint Putin dem Druck der nationalistischen Hardliner nachzugeben.

Das größte Lob für die Beförderung von "General Armageddon", wie Surowikin wegen seiner Kriegsverbrechen in Syrien auch genannt wird, kam bezeichnenderweise von Ramsan Kadyrow und Jewgeni Prigoschin. Der Tschetschenenführer und der Chef der Söldnertruppe "Wagner" gelten mit ihren Privatarmeen als mächtigste Vertreter der radikalen Kriegsbefürworter und trieben die russische Armeeführung zuletzt mit harscher Kritik vor sich her. Ganz anders klingen die Reaktionen der beiden auf die Ernennung Surowikins.

Kadyrow und Prigoschin begeistert von Surowikin

"Ich kenne Sergej Surowikin seit fast 15 Jahren persönlich", schrieb Ramsan Kadyrow auf Telegram. "Ich kann mit absoluter Gewissheit sagen, dass er ein echter General und Krieger ist, ein erfahrener, willensstarker und weitsichtiger Befehlshaber, für den Begriffe wie Patriotismus, Ehre und Würde immer an erster Stelle stehen." Überschwänglich liest sich auch die Reaktion Prigoschins: "Surowikin ist der kompetenteste Kommandeur der russischen Armee", schrieb Progoschin auf VK Kontakte, dem russischen Facebook. "Was seine persönlichen Qualitäten betrifft, kann ich nur sagen, dass Surowikin eine Legende ist, er wurde geboren, um dem Mutterland treu zu dienen."

Ob Putin mit der Beförderung Surowikins dem Druck der Radikalen um Kadyrow und Prigoschin nachgegeben hat, lässt sich nicht belegen, es liegt aber nahe. Öffentlich wurde Surowikins Aufstieg in der Hierarchie am Samstag, dem Tag des Anschlags auf die Kertsch-Brücke, die das russische Festland mit der Halbinsel Krim verbindet. Unter russischen Kriegsbeobachtern und Militärbloggern löste der Angriff auf die Brücke eine beispiellose Empörung aus, die sich erstmals seit Kriegsbeginn auch in direkter Kritik am Kremlchef äußerte.

Erstmals direkte Kritik an Putin

"Manche Kriegsblogger kritisierten das Versäumnis Putins und des Kremls, auf Ereignisse wie den Brücken-Anschlag öffentlich zu reagieren, andere sagten, Putin müsse mit Stärke darauf reagieren, um nicht als schwach angesehen zu werden", fasst die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) die Reaktionen zusammen. Tatsächlich hatte der Putin-Vertraute und Ex-Präsident Dimitri Medwedew einen Angriff auf die Brücke als rote Linie bezeichnet, auf den Russland mit einem Atomangriff reagieren würde. Nach dem Anschlag war von Medwedew allerdings nichts zu hören, auch das wurde von den russischen Kriegsbeobachtern kritisiert.

Die nervöse und unzufriedene Stimmung unter den Kriegsbloggern zeigte sich am Tag von Surowikins Ernennung noch bei anderer Gelegenheit. Am Samstagnachmittag kursierten plötzlich Gerüchte über eine laufende Militäraktion in Moskau, angeblich seien Teile der Innenstadt abgesperrt und es komme zu Verhaftungen von Armeeangehörigen. In die Welt kamen die Gerüchte mutmaßlich vom ukrainischen Militärgeheimdienst GUR, wurden von manchen russischen Kriegsbloggern aber bereitwillig aufgegriffen.

Surowikin als Sündenbock?

Im Telegramkanal "Grey Zone", der mutmaßlich von "Wagner"-Leuten betrieben wird, hieß es, der Kreml ziehe Verteidigungsminister Sergej Schoigu und den Chef des Generalstabs, Waleri Gerassimow, aus dem Verkehr – eben das fordern die Radikalen um Prigoschin und Kadyrow seit Wochen. Schoigu und Gerassimow, die über zwei der drei russischen Atomkoffer verfügen, gelten als enge Vertraute Putins. Aus Sicht der Radikalen stehen sie stellvertretend für den vermeintlich zu laschen Kriegskurs gegen die Ukraine. Ersetzt werden sollten die beiden durch Gouverneur Aleksey Dyumin und Heeresgeneral Aleksandr Matownikow, hieß es am Samstag im "Grey Zone"-Kanal.

Auch wenn sich die Verhaftung von Schoigu und Gerassimow schließlich als Gerücht herausstellte, scheint sich Kriegsherr Putin durch die Personalie Sergej Surowikin zumindest etwas Ruhe vor den Radikalen verschafft zu haben. Aber für wie lange? "Sündenböcke können die Unzufriedenheit mit Putin vielleicht für eine Weile auf sich nehmen, aber die jüngste Kritik von einigen seiner ergebensten Anhänger ist wohl nur ein Vorgeschmack auf das, was Putin aus diesem Lager noch zu erwarten hat", schreibt das ISW.

Die anfängliche Begeisterung der Radikalen für Surowikin könne sich schnell umkehren, schreibt das ISW weiter und erinnert an dessen Vorgänger als Oberbefehlshaber, General Alexander Dwornikow. Der hatte sich den Ruf als "Schlächter von Syrien" verdient, bevor Putin ihn im April zum Oberkommandeur in der Ukraine ernannte. "Auch diese Personalie hatten die Kriegsblogger bejubelt, aber daran scheinen sie sich jetzt nicht mehr zu erinnern", schreibt das ISW. "Jetzt feiern sie Surowikin, weil dieser angeblich brutaler sei als Dwornikow. Aber diese Vorstellung ist bizarr. In Syrien sind alle russischen Kommandeure mit extremer Brutalität vorgegangen."

Verwendete Quellen
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