"So lange es nötig ist" Baerbock: Ukraine kann sich "weiter auf uns verlassen"
Überraschend ist die Außenministerin erneut in Kiew eingetroffen. Die Außenministerin wolle dem Land weiter beistehen.
Bei einem Überraschungsbesuch in Kiew hat Außenministerin Annalena Baerbock der Ukraine weitere Unterstützung zugesagt und vor Kriegsmüdigkeit in Europa gewarnt. "Ich bin heute nach Kiew gereist, um zu zeigen, dass Sie sich weiter auf uns verlassen können", sagte sie am Samstagmorgen bei ihrer Ankunft an die Menschen in der Ukraine gerichtet. Deutschland werde dem Land so lange wie nötig beistehen – mit der Lieferung von Waffen sowie mit humanitärer und finanzieller Hilfe.
Der russische Präsident Wladimir Putin setze darauf, "dass wir der Anteilnahme am Leid der Ukraine müde werden", betonte die Grünen-Politikerin. Er glaube, die europäischen Gesellschaften "mit Lügen spalten und mit Energielieferungen erpressen" zu können. "Diese Rechnung darf und wird nicht aufgehen. Denn ganz Europa weiß, dass die Ukraine unsere Friedensordnung verteidigt."
Baerbock reiste in der Nacht zu Samstag mit einem Sonderzug und einer kleinen Delegation von Polen aus nach Kiew. Der Luftraum über der Ukraine ist seit Kriegsbeginn gesperrt. Deswegen sind auch Politiker gezwungen, den Landweg zu nehmen.
Minen "selbst im Kinderspielzeug"
Nach ihrer Ankunft besuchte die Ministerin ein Minenfeld in Welyka Dymerka vor den Toren Kiews und sagte der Ukraine dort weitere Unterstützung bei der Beseitigung von Kampfmitteln zu. Dies sei neben der Lieferung von Waffen wichtig, um das Leben der Menschen in den zeitweise von der russischen Armee eingenommenen Gebieten sicherer zu machen, sagte Baerbock.
Sie warf der russischen Armee vor, die Vororte Kiews "mit Minen verseucht" und gezielt Anti-Personen-Minen eingesetzt zu haben, um Zivilisten zu töten. Ihr sei berichtet worden, dass nach dem Abzug der russischen Truppen aus dem Raum Kiew "selbst im Kinderspielzeug in privaten Wohnungen Minen gefunden worden sind, die offensichtlich nichts anderes zum Ziel hatten, als unschuldige Menschen, selbst Kinder zu töten".
In Welyka Dymerka unterstützt Deutschland ein ziviles Projekt zur Räumung von Minen. Insgesamt hat die Bundesregierung sechs Millionen Euro für die Kampfmittelbeseitigung durch die Organisation HALO bereitgestellt. Die Aufstockung um eine weitere Million ist nach Angaben des Auswärtigen Amtes bis Ende des Jahres geplant. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte diese Woche zudem die Ausbildung ukrainischer Soldaten für die Minenräumung in Deutschland angekündigt.
Ukraine fordert weitere Waffen
Ob sie bei ihrem Besuch auch weitere Waffen zusagen werde, wollte Baerbock zunächst nicht sagen. Dazu werde sie sich erst nach ihrem Treffen mit Außenminister Dmytro Kuleba im Laufe des Tages äußern. Die Ukraine hofft auf weitere schwere Waffen aus Deutschland. Ministerpräsident Denys Schmyhal hatte bei seinem Berlin-Besuch in der vergangenen Woche von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Lieferung deutscher Leopard-2-Kampfpanzer gefordert.
Scholz betonte anschließend, Deutschland wolle sich auf die Bereitstellung von Luftabwehrsystemen und Artillerie konzentrieren – und vor allem keine Alleingänge machen. Bisher hat auch kein anderer Nato-Verbündeter Kampfpanzer westlicher Bauart in die Ukraine geschickt.
Die Bundesregierung hat der Ukraine bisher Waffen im Wert von 734 Millionen Euro geliefert oder zugesagt, darunter auch einiges an schweren Waffen: 10 schwere Artilleriegeschütze vom Typ Panzerhaubitze 2000, 15 Flugabwehrpanzer, 3 Mehrfachraketenwerfer und 3 Bergepanzer. Geplant ist zudem die Lieferung von vier Luftverteidigungssystemen vom Typ Iris-T.
Zweiter Besuch seit Kriegsbeginn
Baerbock war Mitte Mai als erstes deutsches Regierungsmitglied seit Kriegsbeginn nach Kiew gereist. Sie hatte damals die deutsche Botschaft wiedereröffnet und Präsident Wolodymyr Selenskyj sowie Kuleba getroffen. Außerdem besuchte sie die teilweise zerstörten Vororte Butscha und Irpin.
Scholz besuchte Kiew Mitte Juni zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi und dem rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis. Die vier Staats- und Regierungschefs ebneten dort den Weg für den EU-Kandidatenstatus der Ukraine. Aber auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) haben die Ukraine in den letzten sechs Monaten besucht. Zuletzt waren aus der Bundesregierung Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vor sechs Wochen dort.
- Nachrichtenagentur dpa