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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Energiedebatte bei "Markus Lanz" Palmer gibt zu: Meine Stadtwerke verdienen Geld an der Krise
Boris Palmer prangert Krisengewinnler an – sich selbst eingeschlossen. Die Stadtwerke in Tübingen würden zehnmal mehr am Strom verdienen.
Auch Stadtwerke, die durch die Gasumlage ja gerettet werden sollen, verdienen sich aktuell an den Strombörsen eine goldene Nase. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Die Grünen) nannte am Dienstagabend bei "Markus Lanz" harte Zahlen. Demnach nehmen seine Stadtwerke aktuell zehnmal mehr für ihren überwiegend aus Sonne und Wind erzeugten Strom ein, trotz der gleich gebliebenen Produktionskosten.
"Das sind reine Zufallsgewinne", gab Palmer unumwunden zu. Er stellte klar "Ich bin dagegen, dass wir diese Gewinne machen" und sprach sich für eine politische Steuerung des Strompreises aus.
Die Gäste
- Boris Palmer (Die Grünen), Tübinger Oberbürgermeister
- Roderich Kiesewetter (CDU), Oberst a.D.
- Ranga Yogeshwar, Wissenschaftsjournalist
- Alice Bota, "Zeit"-Journalistin
Palmer warnte in der ZDF-Talkshow erneut vor einer "industriellen Kernschmelze", sollte Unternehmen im Winter das Gas abgedreht werden. Er plädierte dafür, zum Beispiel in den kommunalen Stadtwerken die Produktion der Fernwärme von Gas auf Öl umzustellen. Dies lasse sich sofort bewerkstelligen, sei für ihn aber keine Option. "Ich kann es nicht machen, weil ich dafür ins Gefängnis gehen würde", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke Tübingen mit Blick auf Mehrkosten in Millionenhöhe. Palmer appellierte an die Bundesregierung, Stadtwerke hier zu kompensieren, um auf diese Weise mehr Gas für die Wirtschaft verfügbar zu machen.
Atomstrom kein Gamechanger?
Obwohl der streitbare Oberbürgermeister mit der Führung seiner Partei im Clinch liegt und seine Parteimitgliedschaft derzeit ruhen lässt, gab es von ihm Lob für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Dessen Entscheidung, zwei der noch verbliebenen drei Atomkraftwerke als Notreserve am Netz zu lassen, nannte er einen klugen politischen Schachzug. Das per Gesetz festgelegte Enddatum der Meiler um vier Monate zu verschieben, sei für seine Partei ein Riesenschritt, würdigte Palmer den Beschluss.
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Ein "Gamechanger" sei der potenzielle Atomstrom aber nicht, meinte Palmer: "Dafür ist die Menge zu klein." Das sah Roderich Kiesewetter (CDU) anders. Drei Meiler könnten Strom für zehn Millionen Menschen generieren, rechnete er vor. Das würde Ressourcen für extrem gasintensive Firmen gerade im Süden Deutschlands freisetzen. Der Christdemokrat sprach sich zudem dafür aus, die Gaskraftwerke aus der Berechnung des Strompreises herauszunehmen, da sie mit den hohen Kosten den Preis in die Höhe treiben.
"Zwei, drei harte Jahre"
Der Bundestagsabgeordnete warf der Bundesregierung vor, die Menschen nicht ausreichend auf die heraufziehende Krise vorzubereiten. Hier gehe es nicht darum, den nächsten Winter zu überstehen. Stattdessen müsse die Botschaft lauten: "Liebe Bevölkerung, wir haben zwei, drei harte Jahre vor uns." Auch Palmer vermisste im Handeln der Ampelkoalition den großen Wurf. Maßnahmen wie nicht länger beleuchtete Rathäuser gehörten jedenfalls nicht dazu. "Wir stehen wirklich am Abgrund einer Deindustrialisierung", mahnte Palmer.
Lanz reservierte den letzten Teil seiner ZDF-Talkshow etwas überraschend für die Diskussion über die zwei offenen Briefe, in denen Prominente im April und Anfang Juli gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für einen Waffenstillstand plädiert hatten. Mit dem Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar saß einer der Mitverfasser im Studio. Er fiel in der Runde schnell unangenehm auf.
So sprach Yogeshwar wiederholt vom "Ukrainekonflikt". "Krieg", korrigierten ihn Kiesewetter und die ehemalige Moskau-Korrespondentin der "Zeit", Alice Bota. Yogeshwa kommentierte die Besetzung des ukrainischen Atomkraftwerks in Saporischschja durch russische Truppen mit den Worten "Das ist Kriegsbeute, das ist normal". Mit einer anderen Formulierung brachte er dann aber Lanz vollends gegen sich auf.
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"Das, was passiert ist, ist nicht okay", wollte Yogeshwar sein Mitgefühl mit den Ukrainern ausdrücken. Lanz fand die Wortwahl entlarvend. "Das kann man so nicht stehenlassen", ging der Moderator dazwischen. "Das war nicht okay." Für Lanz ist die Situation eindeutig, wie er in den vergangenen Monaten immer wieder betont hat:"Es ist eine Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse und die Frage: Auf welcher Seite willst du stehen?"
- zdf.de: "Markus Lanz" vom 6. September 2022