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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Aus diesem Deal spricht wenig Demut
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
Deutschlands Bürger werden bald schon eine neue Regierung wählen, so viel steht seit der Trennung der Ampel fest. Mit dem gut vorbereiteten Schwall an Vorwürfen, den Kanzler Scholz seinem Finanzminister hinterherrief, machte er zugleich vor allem eines sehr deutlich: Der Wahlkampf ist eröffnet, jetzt kämpft jede Partei für sich selbst.
In diesem Wettstreit wird eine Frage im politischen Berlin auch an diesem Montag dominieren: Wann genau sollen die Deutschen in die Wahllokale strömen und ihre Kreuze setzen?
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Die Opposition dringt auf Neuwahlen, so schnell wie nur möglich, was unter Wahrung rechtlich gesetzter Fristen Januar bedeutet. Die Kanzlerpartei SPD tritt hingegen auf die Bremse: Die Vertrauensfrage will Scholz eigentlich erst Anfang 2025 stellen, Neuwahlen gäbe es dann erst im März oder April.
Beide Seiten treiben in erster Linie parteipolitische Interessen an. Scholz will bis zu den Neuwahlen noch ein paar Gesetze durchsetzen, um seiner gescheiterten Regierungszeit wenigstens ein paar Girlanden umhängen zu können. Nach dem Motto: Schaut nur, was ohne die FDP und Lindner alles möglich gewesen wäre!
Dem Kanzler zur Seite stehen Bedenkenträger wie die Bundeswahlleiterin. Sie dürfte bei einer sehr frühen Neuwahl und einer durch die Weihnachtszeit verkürzten Vorbereitungszeit peinliche Pannen wie zuletzt in Berlin befürchten. Einige Argumente führte sie an, manche gewichtig, andere absurd – etwa dass es nicht genügend Papier für die Wahlzettel geben könnte.
CDU-Chef Merz hingegen, den Scholz für sein schönheitschirurgisches Schnellprojekt als Mehrheitsbeschaffer bräuchte, möchte dafür verständlicherweise nicht herhalten. Warum sollte er auch nur einen kleinen Zeh hinein ins Ampelgrab setzen?
Lässt man Papierpanik und vor allem die Parteipolitik beiseite, die Deutschland jetzt schon seit Monaten wie Viperngift lähmt, kann man nur ein Fazit ziehen: Es braucht Neuwahlen in Deutschland, und zwar so schnell wie möglich. Der Hauptgrund dafür liegt nicht etwa in Berlin, sondern sitzt schon bald rund 6.700 Kilometer Luftlinie entfernt im Weißen Haus: Donald Trump.
Ab dem 20. Januar wird Trump wieder das mächtigste Amt der Welt bekleiden. Von Tag eins an will er dabei seinen Slogan "America First" umsetzen, daran gibt es nichts zu zweifeln. Lange hat er darauf hingearbeitet, viele Pläne hat er dafür geschmiedet, schon jetzt führt er deswegen Telefonate mit Regierenden in aller Welt. Rücksicht auf lange gepflegte transatlantische Bündnisse liegt ihm dabei fern. Angst und bange muss bei diesen Aussichten den Deutschen werden.
Trump nämlich hegt einen Groll gegen Deutschland, den er in der heißen Phase des US-Wahlkampfs auch unter seinen Anhängern geschürt hat. Ankündigungen und Andeutungen hat er da gemacht, die bei ihrer Umsetzung dazu taugen, die ohnehin geschwächte Bundesrepublik wirtschafts- und verteidigungspolitisch noch weiter aus der Bahn zu werfen.
"Sie haben mich nicht geliebt, weil ich gesagt habe, du musst zahlen", rief er zum Beispiel noch Anfang November auf einer seiner Wahlkampfveranstaltungen über die Deutschen. "Ich sagte zu Angela: Angela, du hast nicht gezahlt." Die Deutschen hätten die USA "über den Tisch gezogen".
Trump kann damit nur eines gemeint haben: den Beitrag Deutschlands zum gemeinsamen Verteidigungsbündnis Nato und Diskussionen mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, diesen enorm zu erhöhen. Immerhin: Die Bundesrepublik hat in der "Zeitenwende" unter Scholz hier deutlich nachgesteuert. Anfang des Jahres wurden deutsche Rekordzahlungen an das Verteidigungsbündnis verkündet – in Höhe der lange geforderten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und sogar darüber hinaus.
Trump aber dürfte das nicht genug sein. Er und Experten aus seinem Umfeld fordern bereits jetzt Zahlungen in Höhe von drei Prozent des BIP. Und immer wieder flirtete Trump in der Vergangenheit zumindest mit einer Maximaldrohung: Zahlt – oder die USA lassen euch im Stich.
Trump nahm im Wahlkampf zudem gerne einen anderen Bereich ins Visier, in dem Deutschland gerade vulnerabel ist: "Sie nehmen nichts von uns, aber sie geben uns ihre Mercedes, ihre BMWs, ihre Volkswagen, Millionen und Millionen davon", klagte er mit Blick auf deutsche Autobauer. Die EU bezeichnete er als "Mini-China", das in den USA durch Exporte viel verdiene, aber nichts zurückgebe.
Vielsagend sprach er immer und immer wieder einer wirtschaftspolitischen Maßnahme seine Liebe aus: Für ihn sei "Zoll" das "schönste Wort im Wörterbuch", schwärmte er. Ganz konkret kündigte er 60 Prozent Zoll für chinesische Produkte an, 100 Prozent für Autos aus Mexiko und 10 bis 20 Prozent für Produkte aus dem Rest der Welt.
Natürlich ist Trump ein Töser, ein Populist. In den vergangenen Wochen war er noch dazu ein Populist im Wahlkampf. Stärker und zügiger aber als andere Populisten, die an Regierungsmacht gelangt sind, machte er seine Versprechen in seiner ersten Amtszeit wahr. Einen Handelskrieg mit dem Rest der Welt brach er vom Zaun – und arbeitete dabei eben stark mit: Zöllen.
Deutsche Autobauer geben sich noch optimistisch. Analysten und Experten aber nehmen Trumps Drohungen ernst. Das "Institut der Deutschen Wirtschaft" warnte am Sonntag eindringlich: Sollte Trump seine Ankündigungen umsetzen, werde die ohnehin schwache Wirtschaft hierzulande erheblich leiden und vor allem die wichtigen Branchen Maschinenbau, Automobil- und Pharmaindustrie getroffen.
Ganz so arg muss es nicht kommen. Vielleicht, so hofft mancher Experte, eröffnet Trumps berserkerhafter Stil Deutschland sogar neue Verbindungen und Absatzmärkte in Ländern wie China, das noch vor der EU auf seiner Abschussliste steht.
"Unberechenbar" aber bleibt das Wort, mit dem der Bald-wieder-Präsident Trump am häufigsten beschrieben wird. Die Amerikaner pflegen dafür eine andere, bildhaftere Bezeichnung: "loose cannon", was sich übersetzen lässt als "tickende Zeitbombe" oder "wandelndes Pulverfass".
Deutschland steht in der Außenpolitik also vor potenziell explosiven Zeiten, innenpolitisch dürfen sich dazu keinesfalls Unklarheit, Verzagtheit und Kopflosigkeit gesellen. Die Bundesrepublik muss sich so rasch wie möglich für Trump rüsten, um klug reagieren zu können, auf Schläge Gegenschläge setzen zu können und sich eröffnende Chancen rasch zu ergreifen.
Scholz allerdings tut derzeit so, als würde er diese Dringlichkeit nicht sehen. Nicht naiv, "aber unerschrocken" blicke er auf Trumps Drohungen, sagte der Kanzler am Sonntagabend in der Talkshow "Caren Miosga" – und verteidigte mit vielen Worten und wenig Argumenten seinen langsamen Fahrplan für Neuwahlen. Da kündigte er aber auch zum ersten Mal an: Gerne beugen wolle er sich, wenn SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und CDU-Chef Merz in bald anstehenden Gesprächen überein kämen und anderes empfehlen würden.
Nur vertritt Mützenich bisher dieselbe Position wie Scholz, auch er will Merz in Gesetzesform die letzten Girlanden für die SPD abpressen. Öffentlich hat er eine "Paketlösung" vorgeschlagen: die Vertrauensfrage zu einem "sinnvollen Termin" im Tausch gegen Merz' Unterstützung bei Gesetzesvorhaben, die beim Wähler hoch im Kurs stehen – wie dem Kindergeld, dem Deutschlandticket, Entlastungen für Industrie und Zulieferbetriebe. Es ist der Vorschlag für einen klassischen Kuhhandel, aus dem wenig Demut spricht.
Der Kanzler aber mag das Recht haben, die Vertrauensfrage und damit den Startschuss für Neuwahlen selbstbestimmt zu stellen. Verheerend aber wäre es in der aktuellen Lage, wenn Scholz dieses Recht missbraucht, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Das gilt auch, wenn er Mittelsmänner als Tarnung nutzt.
Die Zeiten für Kuhhandel sind vorbei. Der gescheiterte Scholz muss den Weg freimachen für stabile Verhältnisse, so schnell wie nur möglich. Die Zeiten sind zu ernst für weiteren Egoismus.
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Zum Schluss
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Herzlichst
Ihre Annika Leister
Politische Reporterin im Hauptstadtbüro von t-online
X: @AnnLei1
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Mit Material von dpa.
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