Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch Extremisten greifen nach der Macht
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
selten war eine Europawahl so wichtig wie diese: 350 Millionen EU-Bürger entscheiden in diesen Tagen darüber, wer die Leitlinien für alle wichtigen Entscheidungen auf dem Kontinent setzen darf – von der Finanzpolitik bis zur Migration, vom Umweltschutz bis zur Waffenhilfe für die Ukraine. Zu behaupten, das Europaparlament sei "so weit weg" und habe "kaum Macht", ist Quatsch. Nie zuvor in der Geschichte der Union waren die Parlamentarier in Brüssel und Straßburg so einflussreich wie heute; kein Regierungschef kann es sich mehr erlauben, den Willen der Volksvertreter zu ignorieren.
Der Ausgang der Europawahl, die hierzulande an diesem Sonntag stattfindet, wird weitreichende Konsequenzen haben. Er entscheidet darüber, ob der krisengeschüttelte Kontinent die enormen Herausforderungen der Gegenwart bewältigen oder ihnen wenigstens standhalten kann: Krieg und Klimakrise, Rezession und Inflation, Extremismus und gesellschaftliche Spaltung.
Dabei spielen die Stimmen junger Menschen eine bedeutende Rolle: Erstmals dürfen in Deutschland Jugendliche ab 16 Jahren wählen; die Zahl der Erstwähler ist mit fast fünf Millionen so groß wie nie zuvor. Auch in Österreich, Belgien und Malta sind Bürger ab 16 Jahren wahlberechtigt, in Griechenland ab 17. Umfragen ergeben, dass es überwiegend dieselben Themen sind, die Junge wie auch Ältere bewegen. Allerdings neigen überproportional viele Jungwähler zur AfD, wie ein Politikwissenschaftler herausgefunden hat.
Nicht nur deshalb erwarten Beobachter bei dieser Wahl einen deutlichen Rechtsruck. In Zeiten der Krise und der Verunsicherung haben Populisten leichtes Spiel, ihre Parolen verfangen leider bei vielen Menschen. Erst recht bei jenen, die – aus welchen Gründen auch immer – frustriert oder empört sind und den etablierten Parteien einen Denkzettel verpassen wollen.
Für den Ausdruck von Protest jedoch ist eine Wahl wie diese zu wichtig. Nicht auszudenken, wenn Rechtsradikale wie die Partei des französischen Fremdenfeindes Éric Zemmour oder Kreml-Hörige wie die AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron tatsächlich an die Hebel der Macht in Europa gelängen. Bei aller Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Lage und den Antworten der Regierenden auf die vielen Krisen sollte jeder verstehen: Das Europaparlament braucht konstruktive und auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehende Abgeordnete.
Einer der profiliertesten Europaparlamentarier der vergangenen Jahre war Martin Schulz. Mit Leidenschaft, Scharfsinn und Weitblick hat er unermüdlich für Solidarität, Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich in der EU gekämpft und dabei vieles erreicht. Heute leitet er die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung und hat sich vehement im Europawahlkampf engagiert. Der ideale Gast also für unseren Podcast: Im Gespräch mit Lisa Fritsch und mir erklärt Martin Schulz, was jetzt auf dem Spiel steht, warum die Bedrohung von rechts so gefährlich ist und warum der Migrationsdruck, die Erderhitzung und die internationale Finanzwirtschaft dringend schärfere Gesetze erfordern. Hören Sie hinein, es lohnt sich.
Embed
Abonnieren auf Spotify | Apple Podcasts || Transkript lesen
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, hoffe, dass Sie wählen gehen, und melde mich am Montagmorgen wieder bei Ihnen.
Herzliche Grüße
Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Sie möchten den täglichen kostenlosen Tagesanbruch-Newsletter abonnieren oder weiterempfehlen? Das geht mit drei Klicks hier.