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Equal Pay Day: Die Lohnlücke ist ungerecht und kreuzdumm


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Tagesanbruch
Der größte Hebel sind sie

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 09.03.2024Lesedauer: 3 Min.
Die Ministerinnen Baerbock und Paus kämpfen für Frauenrechte.Vergrößern des Bildes
Die Ministerinnen Baerbock und Paus kämpfen für Frauenrechte. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa)
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Guten Morgen, liebe Leser und vor allem liebe Leserinnen,

Rituale sind beruhigend. Kollektive Routinen schweißen Menschen zusammen, stiften Sinn und Selbstvergewisserung. Rituale sind aber auch gefährlich. Sie wiederholen das Immergleiche, glorifizieren veraltete Gewissheiten und können ganze Gesellschaften in die Sackgasse führen. Der Internationale Frauentag zählt zur zweiten Kategorie. Keine deutsche Stadt, kein Verband, keine Partei und kein Unternehmen, die sich gestern nicht irgendwie beteiligt haben: Pflichtschuldig und routiniert wurden Demos und Diskussionen, Ankündigungen und Appelle, Feste und Manifeste durchgezogen, wenige originell, die meisten ebenso erwartbar wie folgenlos.

Einen Tag später sind die Reden verhallt und die Demonstrierenden nach Hause gegangen, und alles ist genauso wie zuvor: Deutschland ist und bleibt ein frauenfeindliches Land. Männer bestimmen im Kanzleramt, im Bundespräsidialamt, in den meisten Ministerien, Behörden, Ämtern und Unternehmen quer durch die Hierarchien. Männer machen als Abgeordnete mehrheitlich die Gesetze, leiten als Chefredakteure die wichtigsten Medienhäuser, bestimmen als CEOs den Kurs von Konzernen und führen sich auch sonst gern in jeder Hinsicht als Bosse auf. Manche ringen sich zu Ritualen wie dem Frauentag ein paar Floskeln ab, die aufgeklärt, progressiv und solidarisch klingen sollen. Aber wenn es darum geht, die nächste Weiche zu stellen, entscheiden sie doch lieber selbst.

Hierzulande neigen wir gelegentlich dazu, uns über vermeintlich rückständige Gesellschaften zu erheben: die Araber, die Asiaten, jaja. In Wahrheit sind wir keinen Deut besser. Das Deutschland des Jahres 2024 ist ein durch und durch patriarchalisches Land, in dem die Zweibeiner mit X- und Y-Chromosom so routiniert ihre Macht verteidigen, dass sie sich dafür noch nicht mal mehr anzustrengen brauchen. Daran ändert auch die Selbstkritik eines Chefredakteurs nichts.

Der Männerstaat ist nicht nur ungerecht. Er ist auch ökonomisch kreuzdumm. Listete man alle Zitate auf, in denen Politiker, Firmenchefs und Verbandspräsidenten über den Fachkräftemangel klagen, wäre man nach drei Monaten noch nicht fertig. Da wird über den demografischen Wandel gejammert, die drohende Rezession wird beweint, das verkorkste Einwanderungsrecht gegeißelt und natürlich die deutsche Bürokratie verflucht. Alles sehr wahr, alles sehr kurzsichtig.

Denn gleichzeitig spricht kaum jemand über den größten Hebel, um sofort Millionen vielversprechende Arbeitskräfte zu gewinnen. Um Deutschland innovativer, konkurrenzfähiger, stabiler und nebenbei auch noch gerechter zu machen. Der größte Hebel sind die Frauen. Millionen Menschen, die vom Steuerrecht, vom Rentensystem, von vielen Arbeitgebern und natürlich auch von der Politik systematisch benachteiligt werden.

Frauen verdienen durchschnittlich weniger als Männer: Die unbereinigte Lohnlücke beträgt 18 Prozent, die bereinigte unter Berücksichtigung von Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien immer noch 6 Prozent. Zwei Drittel aller Frauen haben keine langfristige Existenzsicherung. Jede dritte erwerbstätige Frau kann von ihrem eigenen Einkommen nicht einmal ihren unmittelbaren Bedarf decken. 2,7 Millionen Frauen sind trotz 40 Jahren Vollzeitarbeit von Altersarmut bedroht.

Gleichzeitig leisten Frauen den Großteil der Sorgearbeit: Sie erziehen Kinder, pflegen Eltern und Großeltern, kümmern sich um Verwandtschaft und Freundeskreis. Lässt man all diese Zahlen und Fakten sacken (es gibt noch viele mehr), kommt es einem nicht so vor, als habe sich Deutschland schon aus dem 17. Jahrhundert wegbewegt.

Was muss sich ändern, damit wir endlich im 21. Jahrhundert ankommen? Damit wir alle auch in 5, 10, 20 Jahren noch gut leben können? Damit Frauen endlich dieselben Rechte bekommen wie Männer? Damit Männer ihre Privilegien endlich teilen? Lisa Paus hat sehr klare Antworten auf diese und weitere Fragen. Also haben wir die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in unseren Podcast eingeladen. Lisa Fritsch hat moderiert. Ich habe auch ein paar Gedanken beigesteuert, aber es sind sicher nicht die originellsten.

Umso mehr wünsche ich mir, dass Sie sich anhören, was die beiden Lisas zu sagen haben. Egal, welche Chromosomen Sie haben: Hier können Sie etwas lernen. Und anschließend vielleicht manches besser machen. Hören Sie bitte.

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Nun wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Der nächste Tagesanbruch kommt am Montag von meiner Kollegin Annika Leister.

Herzliche Grüße

Ihr
Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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