Extreme Kälte Wintersturm in den USA – Hunderttausende ohne Strom
Extreme Kälte erfasst zahlreiche Bundesstaaten. Berichten zufolge hat das Sturmtief erste Todesopfer gefordert. Doch der Spuk könnte bald vorbei sein.
Eisiger Wind peitscht den Schnee quer über den Highway. Aus dem Auto eines Polizisten im US-Bundesstaat Wyoming ist kaum noch die eigene Kühlerhaube zu erkennen: "Whiteout", der Schnee wie eine weiße Wand, Sicht gleich null, die Horrorvorstellung eines jeden Autofahrers. So, wie es in dem Dashcam-Video des Polizisten zu sehen ist, das die Zeitung "New York Post" auf ihrer Internetseite veröffentlichte, ging es in den vergangenen Tagen Autofahrern in weiten Teilen im Norden und mittleren Westen der USA.
Extremer Frost, Schneestürme und Eiswind: Die USA werden über die Weihnachtstage von einer Kältewelle heimgesucht. Die Zahl der Toten stieg in der Nacht zum Samstag (Ortszeit) auf 17, wie der Sender NBC unter Berufung auf örtliche Behörden berichtete. Die Ursache seien in fast allen Fällen wetterbedingte Verkehrsunfälle.
Auch andere Sender berichteten von einer zweistelligen Zahl an Todesopfern im Zusammenhang mit wetterbedingten Verkehrsunfällen. Besonders stark betroffen ist nach Angaben des US-Wetterdienstes derzeit die Region um die fünf Großen Seen ("Great Lakes") im Nordosten des Landes an der Grenze zu Kanada.
Temperaturen innerhalb 24 Stunden um 40 Grad gefallen
Mehr als 200 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner seien von Unwetterwarnungen betroffen, meldete der US-Wetterdienst am Freitag. "Von Küste zu Küste" drohten Gefahren durch drastische Temperaturstürze, eiskalte Winde und massiven Schneefall. In Denver im US-Bundesstaat Colorado seien die Temperaturen beim Durchzug der arktischen Kaltfront innerhalb von 24 Stunden um rund 40 Grad gefallen. Am Samstagmorgen (Ortszeit) waren noch immer mehr als 700.000 Haushalte ohne Strom, wie die Webseite PowerOutage zeigte.
Der Wetterdienst hatte zuvor vor einem "historischen" Wintersturm gewarnt. US-Medien warnten unter Berufung auf Wetterexperten vor der möglichen Entstehung eines besonderen und schweren Sturms, einer sogenannten "Bombenzyklone". Mehr über das Wetterphänomen lesen Sie hier.
In den Bundesstaaten Montana, South Dakota und Wyoming seien bereits Werte um minus 45 Grad Celsius gemessen worden. "Dies ist nicht wie ein Schneetag aus Kinderzeiten", warnte Präsident Joe Biden.
Tausende Flüge gestrichen
Chaotische Szenen gab es auch an den Flughäfen. Mehr als 6.000 Flüge waren am Freitag gestrichen worden, am Samstagmorgen waren es bereits 1.500. Vor allem Passagiere im Norden, rund um die großen Seen, können sich ihre Weihnachtsreisepläne abschminken.
Auf einem Video, das der TV-Sender Weather Channel auf seiner Webseite veröffentlichte, ist zu sehen, wie eine ganze Armada von Schneepflügen versucht, das Rollfeld des Chicago O"Hare International Airport, eines der wichtigsten Flughäfen des Landes, freizuschaufeln.
Der US-Wetterdienst rief Reisende am Weihnachtswochenende zu äußerster Vorsicht auf und warnte vor sogenannten Whiteout-Bedingungen, also stark eingeschränkter Sicht und Orientierung durch den Schnee. Reisen unter diesen Bedingungen seien "extrem gefährlich und zeitweise unmöglich", hieß es.
Für Obdachlose geht es um Leben und Tod
Besonders hart trifft es aber die, die kein Dach über dem Kopf haben. Überall im Land versuchen Helfer, die vielen Obdachlosen vor der Kälte zu retten. In einer Kirchenmission in Augusta im US-Bundesstaat Georgia bereiteten sie sich auf einen Ansturm vor, wie die "New York Times" berichtete. "In einer normalen Nacht geht es vielleicht nicht um Leben und Tod", sagte der Missionsleiter. "Aber jetzt schon." In Salt Lake City im Bundesstaat Utah sind Medienberichten zufolge bereits Anfang der Woche mindestens fünf Obdachlose erfroren. Und sogar in Miami, wo es normalerweise eher warm ist, hat die Obdachlosenhilfe ihren Kälte-Notfall-Plan in Kraft gesetzt.
Im Bundesstaat Texas werden durch den extremen Kälteeinbruch dunkle Erinnerungen wach. Schon im vergangenen Jahr brach das Stromnetz wegen Kälte zusammen, Millionen Menschen waren teils tagelang ohne Strom. Untersuchungen zufolge sollen deswegen mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen sein.
Diesmal sei man aber besser vorbereitet. "Das Stromnetz sei bereit und verlässlich", zitiert die "New York Times" einen Verantwortlichen. Am Freitag hatten laut der Webseite PowerOutage.us von mehr als 12 Millionen Stromabnehmern in Texas mehr als 80.000 keinen Strom. Landesweit seien mehr als eine Million Menschen betroffen gewesen.
Der Kälte-Spuk könnte schnell verflogen sein
Besonders den Norden des Landes malträtieren Eis, Wind und Schnee – vor allem rund um die Großen Seen. "An jedem der Großen Seen sind Wellen von bis zu sechs Metern Höhe vorhergesagt", zitierte die Zeitung "Detroit Free Press" einen Wissenschaftler der staatlichen Wetter- und Ozeanografiebehörde.
Am Ostufer des Eriesees, in der Nähe der Niagarafälle, haben die Behörden am Freitag reagiert. In der Stadt Hamburg im Bundesstaat New York sind Berichten zufolge die Bewohner in Wassernähe dazu aufgefordert worden, ihre Häuser zu verlassen.
In Erie County, südlich der Großen Seen im Bundesstaat New York, waren die Rettungsdienste zeitweise überlastet. Marc Poloncarz, der Verantwortliche aus dem Bezirk, rief auf Twitter dazu auf, nur in den "kritischsten, lebensbedrohlichsten Fällen" den Notruf zu wählen, um die Leitungen freizuhalten. Er forderte die Einwohner dazu auf, trotz Strom- und Heizungsausfällen in ihren Häusern zu bleiben. Der Transport in Notunterkünfte sei derzeit nahezu unmöglich.
Auch in der Metropole Chicago am Ufer des Michigansees hatten die Winterdienste alle Hände voll zu tun. Weiter östlich, im Bundesstaat Indiana, hat der Gouverneur die Nationalgarde mobilisiert, um die Menschen vor den erwarteten Schneestürmen zu schützen.
Doch genauso schnell wie der Kälte-Spuk über die USA hereingebrochen ist, könnte er auch wieder vorbei sein. In einigen Gegenden im Nordwesten des Landes sollen die Temperaturen bald wieder in die Höhe schnellen, sobald der Kern der kalten Luft durchgezogen sei, prognostizierte der nationale Wetterdienst. An vielen Orten soll es bereits am Wochenende wieder um 20 bis 30 Grad wärmer sein.
- Nachrichtenagentur dpa