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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Feuerkatastrophe in Griechenland "Die ganze Insel scheint zu brennen"
Die Waldbrände in Griechenland geraten außer Kontrolle, Tausende müssen evakuiert werden. Jörn Hüneke erlebt die Situation nahe der betroffenen Insel Euböa mit – und schildert dramatische Eindrücke.
Um vier Uhr morgens wird t-online-Reporter Jörn Hüneke an diesem Freitag im Urlaub von seiner Frau geweckt. In den vergangenen Tagen war es mehr als 40 Grad warm, jetzt sind es noch immer 28. Überall riecht es verbrannt. Als er vor die Tür des Ferienhauses am Strand von Kastri auf der Pilion-Halbinsel tritt, bietet sich ihm ein apokalyptisches Bild.
Auf der gegenüberliegenden Insel Euböa, kurz vor der Stadt Agia Anna, wüten die Flammen. Deutlich sichtbar lodern sie hoch in den Himmel. Nach tagelanger trockener Hitze ist es windiger geworden, das Feuer breitet sich leuchtend rot am Horizont aus. "Die ganze Insel scheint zu brennen", sagt Hüneke. Rund 30 Kilometer entfernt müssen zu diesem Zeitpunkt die Bewohner von Agia Anna über das Meer in Sicherheit gebracht werden.
Das Wasser schützt ihn und seine Familie vor den Flammen. Trotzdem sind sie besorgt und fassen einen Entschluss: "Wir haben unsere Koffer gepackt, damit wir im Ernstfall über das Meer flüchten können." Eigentlich wollen sie erst in vier Tagen abreisen. Doch auch in der Nähe ihres Ferienortes gab es in den vergangenen Jahren schon Waldbrände. Der einzige Weg ins Landesinnere ist eine Bergstraße. "Wenn auch bei uns ein Feuer ausbricht, können wir uns nur über das Meer retten", berichtet er.
- Tagesanbruch: Das Inferno ist da
Binnen 24 Stunden gab es in Griechenland landesweit etwa 90 neue Waldbrände, wie die Feuerwehr am Morgen twitterte. Mindestens 18 Menschen kamen verletzt in Krankenhäuser. Die meisten litten an Atemwegsbeschwerden, sagte der griechische Gesundheitsminister Wassilis Kikilias am Freitag im Staatsfernsehen. Experten rufen zum Tragen von Schutzmasken auf.
Auf der Pilion-Halbinsel ist das Feuer seit dem Sonnenaufgang nicht mehr so deutlich zu erkennen. Der beißende Geruch ist geblieben. "Das qualmt wie die Hölle", sagt Hüneke. Regelmäßig können er und seine Familie große Löschflugzeuge beobachten.
Einheimische, so berichtet Hüneke, brechen in ihrem Ort derzeit noch nicht in Panik aus. Sie sind Waldbrände aus den vergangenen Jahren gewohnt, meist konnten sie in dieser Region schnell unter Kontrolle gebracht werden. Doch in diesem Jahr ist das anders. Tausende mussten bereits evakuiert werden. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis schwor die Bürger auf harte Tage ein.
"So extrem war es noch nie"
Auch die Hitze ist stärker als gewöhnlich. In der Spitze bis zu 40 Grad waren es in den vergangenen Tagen am Ferienhaus der Hünekes, noch wärmer im Landesinneren. "Da wurdest du wirklich gegrillt. Selbst wenn man sich den ganzen Tag im Wasser aufgehalten hat, war das nicht auszuhalten. Wir kommen seit Jahren her – so extrem war es noch nie."
Ministerpräsident Mitsotakis sprach von einem "gewaltigen Ausmaß" an Waldbränden. Er warnte vor einem "noch nie da gewesenen Zustand, weil die vergangenen Tage der Hitze und Trockenheit das Land in ein Pulverfass verwandelt haben". Bis mindestens Montag ist es den Menschen deshalb untersagt, Wälder zu besuchen. Auch Arbeiten sind verboten, die Funken oder Flammen erzeugen könnten.
Jörn Hüneke bringt diese Lage mehr denn je ins Grübeln. "Als wir aus Deutschland aufgebrochen sind, war die Flutkatastrophe gerade vorüber. Jetzt wüten auch hier die Wetterextreme."
- Gespräch mit Jörn Hüneke
- mit Material der Nachrichtenagentur dpa