Flut in Bayern und Sachsen Berchtesgadener Innenstadt überflutet – Lage weiter angespannt
Sintflutartiger Regen hat in Oberbayern für eine Hochwasserlage gesorgt. Besonders betroffen ist Berchtesgaden. Touristen sollen die Region meiden. Auch Sachsen leidet unter Überschwemmungen.
Überflutete Straßen, Erdrutsche und evakuierte Häuser und möglicherweise zwei Todesopfer – nach starkem Regen hat der Landkreis Berchtesgadener Land in Oberbayern am späten Samstagabend den Katastrophenfall ausgerufen. Rund 130 Menschen mussten wegen des Hochwassers aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht werden. Darunter seien 80 Menschen aus einer Siedlung in Schönau am Königssee, die angesichts von "geologischen Problemen" weggebracht wurden, sagte Landrat Bernhard Kern am Sonntag in Bad Reichenhall. Was genau damit gemeint war, sagte Kern nicht.
Unklar war, ob die Siedlung länger gesperrt werden muss oder ob die Sperrung bald wieder aufgehoben werden kann. Der Bahnverkehr zwischen Bad Reichenhall und Berchtesgaden sei eingestellt, so Kern. Auch Straßen seien "extremst in Mitleidenschaft gezogen" worden.
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890 Hilfskräfte sind im Landkreis Berchtesgadener Land derzeit im Einsatz. Inzwischen gebe es viel Unterstützung aus anderen Regionen, sagte Landrat Kern. Die örtlichen Hilfskräfte seien seit Samstagabend im Dauereinsatz. Die Lage sei dramatisch, sagte ein Sprecher der Integrierten Leitstelle Traunstein. Das Wasser schieße aus den Bergen, gleichzeitig stiegen die Pegelstände des Flusses Ache an.
Betroffen waren vor allem die Orte Berchtesgaden, Bischofswiesen Schönau am Königssee, Marktschellenberg und Ramsau im äußersten Südosten Bayerns. Dort trat der Fluss stellenweise über die Ufer und überflutete Straßen. Hänge rutschten ab. Einzelne Häuser mussten deshalb geräumt werden, sagte Rothenbuchner. Aktuell sei aber niemand in seinem Haus eingeschlossen. Bisher seien hauptsächlich Keller voll gelaufen.
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Ausflügler und Tagestouristen sollen die Region im Südosten Bayerns meiden, sagte Landrat Kern. Die Einsatzkräfte hätten alle Hände voll zu tun. Der Bahnverkehr zwischen Bad Reichenhall und Berchtesgaden sei eingestellt, so Kern.
Gefahr einer Flutwelle in Oberstdorf
Derweil hat die Feuerwehr in einem Gebirgsbach nahe Oberstdorf eine Verklausung gelöst, an der sich Wasser bedrohlich angestaut hatte. Das Wasser konnte kontrolliert abfließen, es gehe keine Gefahr mehr davon aus, sagte ein Sprecher der Polizei am Sonntagmorgen.
Im Stillachtal hatte querliegendes Holz das Wasser gefährlich angestaut. Hätte sich die natürlichen Sperre plötzlich gelöst, wäre mit einer Flutwelle in Richtung Oberstdorf zurechnen gewesen.
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Die Feuerwehr stellte zum Schutz Betonbarrieren beim Langlaufstadion südlich des Ortskerns von Oberstdorf (Landkreis Oberallgäu) auf. Sie sollen mögliche Wassermassen umleiten. Rund 60 Feuerwehrleute seien im Einsatz, sagte Vogler. Einige von ihnen befänden sich unmittelbar an der durch die sogenannte Verklausung entstandene Staustelle des Gebirgsbaches Stillach.
Zwei Menschen gestorben
Zwei Menschen starben im Hochwassergebiet in Oberbayern. Es sei aber noch unklar, ob deren Tod in Zusammenhang mit dem Hochwasser stehe, sagte die Sprecherin des Landratsamt Berchtesgadener Land, Alexandra Rothenbuchner. Landrat Bernhard Kern (CSU) erklärte am Sonntagmorgen auf einer Pressekonferenz in Bad Reichenhall, dass ein Opfer an einer natürlichen Ursache verstorben sei. Aber auch das könne mit dem Unwetter zusammenhängen, sagte Kern.
"Es kommen ständig Notrufe rein", sagte ein Polizeisprecher in Rosenheim. Im Landkreis Berchtesgadener Land seien sämtliche Feuerwehren gefordert. "Die Lage ist unübersichtlich", sagte der Sprecher. Bundesstraßen seien überflutet oder wegen Murenabgängen gesperrt worden. Zunächst war auch die Feuerwehr in Reit im Winkl im Nachbarlandkreis Traunstein gefordert. Dort beruhigte sich die Lage aber im Laufe des Abends. Im Landkreis Berchtesgadener Land war für die Nacht dagegen weiterer Regen angesagt.
Rekord-Pegelstände an Flüssen – Polizei schleppt Autos ab
Medien berichteten von Rekord-Pegelständen an der Ache – bis 22.00 Uhr lagen sie schon bei etwa 3,75 Metern. Bilder zeigen Straßen, die sich in reißende Bäche verwandeln. Menschen waten knietief im Wasser. Alle paar Hundert Meter sei die Feuerwehr im Einsatz, berichtet ein Augenzeuge. Traktoren räumten Schutt beiseite. Zum Teil stehe das Wasser bis zu 50 Zentimeter hoch.
In Chamerau in der Oberpfalz ist der Roßbach wegen Starkregens über die Ufer getreten. Ein Gebäude sei mit Sandsäcken vor den Wassermassen geschützt worden, sagte ein Sprecher der Polizei. Im gesamten Landkreis gab es fünf weitere Einsätze der Feuerwehr aufgrund von vollgelaufenen Kellern oder überschwemmten Straßen.
Im bayerischen Passau steigen die Wasserstände der Flüsse stündlich weiter an. Die Polizei schleppte vorsorglich Autos an Parkplätzen an der Donau ab, wie eine Sprecherin am Sonntag sagte. Anwohner hätten trotz Hochwasserwarnungen versäumt, ihre Fahrzeuge umzuparken. "Wenn wir sie nicht abschleppten, dann schwimmen die Dinger bis Österreich", sagte die Polizeisprecherin. Der Pegel der Donau war nach Angaben des Hochwassernachrichtendienstes im Laufe des Samstags um fast zwei Meter auf 7,80 Meter gestiegen. Der Wasserstand der Inn stieg in den vergangenen zwölf Stunden von 3,30 auf 5,40 Meter.
Söder und Herrmann besuchen Krisengebiet
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) wollen am Sonntagnachmittag ins Hochwassergebiet in Südostbayern fahren. Die beiden Politiker wollen sich in der vom Hochwasser betroffenen Region ein Bild von der Lage machen. Um 16 Uhr gibt es eine Pressekonferenz (im Livestream bei t-online).
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) teilte auf Twitter sein Mitgefühl für die Betroffenen: "Meine Gedanken sind bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern und den Einsatzkräften." Heil sagte eine Wahlkampfveranstaltung im oberbayerischen Traunstein aufgrund der Hochwasser-Lage ab.
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Auch Isar in München steigt an
Nach dem starken Regen im Alpenraum besteht auch in München und Umgebung Hochwassergefahr für die Isar. Am Pegel München/Isar werde am frühen Sonntagnachmittag die Meldestufe 1 überschritten, Montagfrüh könne auch kurzzeitig die Meldestufe 2 überschritten werden, teilte der Hochwassernachrichtendienst Bayern am Sonntag mit. Auch am Pegel Freising sei das Überschreiten der Meldestufe 1 am frühen Morgen nicht auszuschließen.
Meldestufe 2 bedeutet eine Warnung vor Überschwemmungen und "Ausuferungen". Bei Meldestufe 3 wird vor Überschwemmungen in bebauten Gebieten gewarnt.
An der Isar kam es am Sonntag zu einem Feuerwehreinsatz mit Hubschrauber, weil am Flauchersteg Menschen auf einer Insel mitten im reißenden Fluss gewesen seien. Es sei aber niemand in Gefahr gewesen oder verletzt worden, so ein Feuerwehrsprecher.
Bahnstrecke in Sachsen gesperrt
Immense Regenfälle haben am Samstag auch in Teilen Sachsens heftige Überschwemmungen verursacht. In der Sächsischen Schweiz waren mehrere Ortslagen von Städten und Gemeinden nicht mehr erreichbar. Besonders betroffen seien Neustadt, Sebnitz, Bad Schandau, Reinhardtsdorf-Schöna und Gohrisch, informierte das Landratsamt am Abend. "Die Situation ist angespannt, aber beherrschbar", erklärte das Lagezentrum des Innenministeriums in Dresden auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Am Sonntagmorgen gab das Landeshochwasserzentrum in Sachsen Entwarnung für die Nebenflüsse der Oberen Elbe. "Mit dem Nachlassen der Niederschläge ab den Nachtstunden beruhigte sich die Lage, und die Wasserführung in den Fließgewässern fiel deutlich", teilten die Experten mit. Nur noch am Pegel der Wesenitz in Bischofswerda wurde demnach in der Region Alarmstufe 1 erreicht. In den Unterläufen von Kirnitzsch, Lachsbach und Wesenitz fielen die Wasserstände deutlich.
Von Verletzten oder Evakuierten ist nichts bekannt
Nach Auskunft des Landeshochwasserzentrums hatte es im Einzugsgebiet der Kirnitzsch und der Sebnitz innerhalb von 24 Stunden teils mehr als 100 Liter pro Quadratmeter geregnet. In Lichtenhain-Mittelndorf seien es 110 Liter, in Weifa 104 Liter gewesen. Daraufhin waren die Wasserstände zahlreicher Flüsse rapide angeschwollen. So wurde an der Polenz die Alarmstufe 4 überschritten, in den Unterläufen der Kirnitzsch, der Sebnitz und des Lachsbaches habe es einen "extremen Wasserstandsanstieg" gegeben. "Es sind starke Überschwemmungen zu erwarten", hatten die Experten am Abend gewarnt.
Die regionale Leitstelle in Dresden sprach von mehr als 250 Einsätzen seit dem Nachmittag. In der Sächsischen Schweiz seien Straßen und Keller überflutet worden sowie Hänge abgerutscht. Neben kleineren Flüssen, die extrem angeschwollen seien, habe sich das viele Wasser an Hängen hinab den Weg gebahnt, hieß es. Von Verletzten oder größeren Evakuierungen war vorerst nichts bekannt.
Wasserstände der Neiße stiegen erheblich an
Für weite Teile Sachsens hatte der Deutsche Wetterdienst am Samstag bis in die Nacht hinein vor Unwettern bis zur Stufe 3 von 4 gewarnt. Auch in anderen Regionen hatte es deswegen zahlreiche Einsätze von Rettungskräften gegeben – etwa in Ostsachsen in den Landkreisen Bautzen und Görlitz. Auch dort hatte starker Regen Straßen und Keller unter Wasser gesetzt. Zudem stiegen die Wasserstände im Gebiet der Lausitzer Neiße erheblich an. So wurde am Pegel in Zittau die Alarmstufe 4 überschritten.
Auch aus Westsachsen wurde örtlich von Problemen mit überfluteten und Kellern berichtet, etwa in Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz und Wüstenbrand. Teils errichteten Anwohner Blockaden, um ihre Häuser zu schützen.
Nach starken Regenfällen ist die Bahnstrecke zwischen Bad Schandau und dem tschechischen Decin gesperrt. "Züge des Fernverkehrs enden und beginnen in Dresden Hauptbahnhof", informierte die Deutsche Bahn am Samstagabend im Internet. Im Fernverkehr ist die Verbindung Hamburg-Berlin-Dresden-Prag betroffen. Es seien keine Reisenden mehr auf freier Strecke, versicherte eine Bahnsprecherin am späten Abend auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die Störung werde voraussichtlich bis Sonntagnachmittag dauern.
Wegen der Sperrung kam es auch im Nahverkehr zu Zugausfällen. Ersatzverkehr durch Busse habe wegen der witterungsbedingt schwierigen Straßenverhältnisse nicht eingerichtet werden können, hieß es. Betroffen waren den Angaben zufolge Abschnitte der S1 Meißen-Dresden-Bad Schandau/Schöna sowie U28 Decin-Bad Schandau-Rumburk.
Auch das österreichische Hallein bei Salzburg wurde nach sintflutartigen Regenfällen überflutet. Ein Bach war am Abend nach Polizeiangaben zu einem reißenden Strom angeschwollen. Einsatzkräfte bargen mit Booten und Lastwagen Menschen, die in ihren Häusern eingeschlossen waren. Nach Angaben der Feuerwehr lagen am späten Abend keine Meldungen über Vermisste, Verletzte oder gar Tote vor. Lesen Sie hier mehr.
- Nachrichtenagentur dpa