Schlammlawine in Brasilien Bedenken ignoriert – TÜV Süd erklärte Damm für sicher
Bei dem Dammbruch in Brasilien kamen mehr als 160 Menschen ums Leben. Die Katastrophe hätte wohl verhindert werden können. Ermittler sprechen von einem Verbrechen.
Nach dem verheerenden Dammbruch an einer Eisenerzmine in Brasilien wollen die Ermittler die Verantwortlichen der Katastrophe zur Rechenschaft ziehen. Die Staatsanwaltschaft des Bundesstaats Minas Gerias hat mehrere festgenommene Mitarbeiter des Bergbaukonzerns Vale vernommen. Die Ermittler interessierte vor allem, ab wann die Manager und Techniker Kenntnis von dem schlechten Zustand des Damms hatten, berichtete das Nachrichtenportal G1.
Der Damm an der Mine Córrego do Feijão war am 25. Januar gebrochen. Eine Schlammlawine rollte über Teile der Anlage und benachbarte Siedlungen nahe der Ortschaft Brumadinho hinweg und begrub Menschen, Häuser und Tiere unter sich. Insgesamt ergossen sich rund zwölf Millionen Kubikmeter Schlamm auf eine Fläche von etwa 290 Hektar. Mindestens 169 Menschen kamen bei dem Unglück ums Leben, 141 weitere werden noch immer vermisst.
"Kein Unfall"
Dabei wäre die Katastrophe möglicherweise zu verhindern gewesen. "Das war kein Unfall", sagte William Garcia Pinto Coelho von der Staatsanwaltschaft des Bundesstaats Minas Gerais. Noch im vergangenen Jahr hatte das Münchner Unternehmen TÜV Süd im Auftrag des Minenbetreibers Vale den Damm zweimal geprüft und offenbar für den Betrieb notwendige Zertifikate ausgestellt. Zwei Ingenieure der TÜV-Süd-Tochtergesellschaft wurden Ende Januar ebenfalls festgenommen.
"Wir haben Beweise gefunden, die sehr überzeugend belegen, dass es sich nicht um einen Unfall handelte", sagte Ermittler Coelho. "Die Mitarbeiter von Vale und TÜV Süd hatten Zugang zu Informationen, die den kritischen Zustand des Damms belegen. Sie haben das Risiko eines Bruchs und damit den Tod von Hunderten von Menschen in Kauf genommen."
Dabei soll zumindest ein Prüfer der brasilianischen Tochter von TÜV Süd schon frühzeitig Bedenken über die Sicherheit und Stabilität des Damms angemeldet haben. Allerdings habe der Ingenieur sich unter Druck gesetzt gefühlt, das Zertifikat zu unterschreiben, berichtete die Zeitung "O Globo" unter Berufung auf die Vernehmungsprotokolle. Offenbar befürchtete der Mann, TÜV Süd könnte Vale als Kunden verlieren, wenn das Unternehmen kein Sicherheitszertifikat ausstellte.
Vorwürfe gegen TÜV Süd
Auch "Spiegel Online" berichtete von internen E-Mails, in denen der Prüfer gegenüber Kollegen seine Zweifel äußerte. Offenbar unterzeichneten sie das Zertifikat schließlich unter der Auflage, dass Vale bestimmte Nachbesserungen vornehmen solle.
Die Staatsanwaltschaft sah sogar Hinweise auf Absprachen zwischen Vale und dem TÜV Süd. "Es wurden große Anstrengung unternommen, um die Zahlen so hinzubiegen, dass sich die kritische Situation nicht in einer negativen Beurteilung über die Stabilität des Damms widerspiegelt", sagte Ermittler Coelho.
Der TÜV Süd wollte sich zu den Vorwürfen zunächst nicht äußern. "Die Fragen betreffen laufende Untersuchungen gegen Mitarbeiter einer unserer Tochtergesellschaften. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir diese Untersuchungen nicht kommentieren können", teilte das Münchner Unternehmen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
Juristisches Nachspiel
Vale-Chef Fabio Schvartsman sprach weiterhin von einem Unfall. "Vale ist ein brasilianisches Juwel, das nicht für einen Unfall verurteilt werden sollte", sagte er zuletzt bei einer Anhörung im Kongress. Der Bergbaukonzern zahlte bereits Geld an die Familien der Opfer und versprach, die Ermittler bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
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Der verheerende Dammbruch dürfte noch ein juristisches Nachspiel haben. Erst Ende vergangener Woche nahm die Polizei acht weitere Mitarbeiter von Vale fest. "Die Vertreter von Vale bestehen darauf, dass es sich um einen Unfall handelte, aber die Staatsanwaltschaft und die Polizei von Minas Gerais sind überzeugt, dass wir es mit einem vorsätzlichen Verbrechen zu tun haben", sagte Coelho.
- Nachrichtenagentur dpa