Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Flugzeug überschlägt sich in Kanada "In Pilotenkreisen spricht man von einem Whiteout"
Ein Flugzeug schlägt hart auf, überschlägt sich und landet kopfüber auf dem Asphalt – dennoch überleben alle. Wie das möglich war und welche Rolle der Schnee spielte, erklärt ein Luftfahrexperte.
Die Bruchlandung eines Passagierflugzeugs in der kanadischen Metropole Toronto ist gerade noch glimpflich ausgegangen. Obwohl die Maschine aus den USA mit 80 Personen an Bord kopfüber auf der Landebahn zum Liegen kam, gab es laut der Fluggesellschaft Delta keine Todesopfer.
Die Bombardier-Maschine vom Typ CRJ900 legte gegen 14.15 Uhr Ortszeit eine Bruchlandung hin. Aufnahmen vom Unfallort zeigen den Jet kopfüber auf dem Asphalt liegend. t-online sprach mit dem Luftfahrexperten Heinrich Großbongardt über die möglichen Ursachen des Crashs und wie die Maschine in dieser Position landen konnte.
t-online: Wie selten kommt es vor, dass ein Flugzeug auf dem Dach zum Liegen kommt?
Heinrich Großbongardt: Diese Art gilt als äußerst ungewöhnlich und steht mit dem Unfallhergang bei hoch winterlichen Verhältnissen im Zusammenhang.
Ist der Regionaljet vom Typ Canadair ein sicheres Flugzeug?
Die Bombardier CRJ-900 gilt als ein sehr sicheres Flugzeug und ist ein extremer Tiefdecker mit nur kurzen Beinen.
Welche Rollen spielten die Witterungsverhältnisse?
Beim Anflug herrschte starker Wind, der von der Seite mit Böen von über 30 Knoten kam. Wetter war ein Faktor, aber weniger der Wind, sondern mutmaßlich der aufgewirbelte Schnee, der die Piloten verwirrt haben könnte. Auf einem der Videos sieht man, wie heftig der Schnee über die Bahn fegt. Das kann dazu beigetragen haben, dass die Besatzung die Höhe falsch einschätzte. In Pilotenkreisen spricht man von einem Whiteout.
Kam es zu einer Bodenberührung mit einem der Flügel?
Auf den Videos sieht man nicht, dass das Flugzeug abfängt und ausschwebt, wie das normalerweise der Fall ist, sondern es schlägt ansatzlos auf die Landebahn auf.
![](https://images.t-online.de/2025/02/1EnVeADa7RXY/0x0:2597x3523/fit-in/1920x0/image.jpg)
Zur Person
Heinrich Großbongardt gehört zu den renommiertesten Luftfahrtexperten und genießt auch international eine hohe Reputation. Von 1999 bis 2004 war er Pressesprecher von Boeing in Deutschland, er veröffentlicht Artikel in Fachzeitschriften und Bücher wie "Giganten der Luftfahrt" und ist Geschäftsführer der Expairtise Communications GmbH.
Also eher eine Bruchlandung?
Das war eine sehr harte Landung. Bei der Berührung eines Flügels mit dem Boden war wahrscheinlich das Glück, dass die rechte Tragfläche abriss und dadurch ein Großteil der Bewegungsenergie aufgezehrt wurde. Auch das Leitwerk im Heck, ein Strukturbauteil, das viel aushalten muss, wurde abgerissen und absorbierte viel Energie. Vermutlich riss bei dem Überrollmanöver auch die andere Tragfläche ab.
Sofort nach dem Aufprall sind Flammen und ein schwarzer Rauchball zu sehen.
Wenn eine Tragfläche abreißt, in der das Kerosin gelagert wird, tritt dieses sofort aus. Kabelstränge zerreißen, es fliegen Funken, und es kommt schnell zu einer Entzündung.
Besteht nicht die Gefahr, dass auch der Rumpf in Brand gerät?
Das Glück in diesem Fall besteht darin, dass die Rumpfröhre unversehrt blieb.
Wurden in der Kabine keine Sitze aus der Verankerung gerissen?
Die Sitze halten viel aus und sind auf eine g-Kraft von 16 zugelassen, früher war es noch eine Beschleunigung von nur 9 g. Es gibt relativ wenige Bruchlandungen, bei denen heute die Sitze tatsächlich herausreißen.
Wie schätzen sie die Evakuierung ein?
Es waren alle Personen angeschnallt, wie es beim Landeanflug sein soll. Aber Passagiere und Flugbegleiter saßen am Ende kopfüber in der Kabine – eine ungewöhnliche Situation, auf die keine Crew vorbereitet ist und die sich aus dieser Lage erst einmal befreien musste, um alle 76 Passagiere zu retten.
- Interview mit Heinrich Großbongardt