"Gigantische Umweltkatastrophe" Fischsterben in der Oder: Quecksilber-Werte sprengen jede Skala
Erste Analysen liefern Hinweise auf den Grund des Massensterbens. Der Ärger über Polen ist groß, weil es die Gefahr nicht meldete.
Im Zusammenhang mit dem massiven Fischsterben in der Oder verdichten sich die Hinweise auf hochgiftige Stoffe im Wasser des Flusses. Einem Bericht des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) vom Donnerstag zufolge stellten Mitarbeiter des Landeslabors Berlin-Brandenburg in Wasserproben Quecksilber in hoher Konzentration fest.
Dem Bericht zufolge ist noch nicht geklärt, ob das Quecksilber die Ursache für das Fischsterben ist. Allerdings sollen die gemessenen Werte der Substanz so hoch gewesen sein, dass das Testergebnis nicht darstellbar sei und die Testung wiederholt werden müsse. Das brandenburgische Umweltministerium teilte unter Berufung auf erste Laboruntersuchungen mit, es zeichne sich ab, dass ein "noch unbekannter, hoch toxischer Stoff" die Oder durchlaufe.
"Seit gestern Abend gibt es die ersten Ergebnisse. Die haben wir zwar noch nicht offiziell, aber es deutet in der Tat doch auf eine massive Belastung mit Quecksilber hin als ein Faktor", sagte der Leiter der Umweltverwaltung im Kreis Märkisch-Oderland, Gregor Beyer, am Freitagmorgen im RBB-Inforadio. "Ob das der alleinige ist, wissen wir nicht."
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Die These, dass zu wenig Sauerstoff die Ursache für das Fischsterben sein könnte, habe die Kreisverwaltung von Anfang an verworfen. "Mittlerweile wissen wir das auch", so Beyer. "Wir haben, völlig ungewöhnlich, sogar mehr Sauerstoff in der Oder."
Über die Herkunft des Quecksilbers oder anderer Giftstoffe werde momentan viel spekuliert, sagte Beyer. "Der ganz ärgerliche Teil dieser Sache ist, dass die Einträge, die offensichtlich aus Richtung Polen kamen, nicht gemeldet wurden über die entsprechenden Warnsysteme, sodass wir erst reagieren konnten, als ein Fischsterben direkt zu beobachten war."
Giftstoff wohl industriellen Ursprungs
Die polnische Umweltschutzbehörde hat am Donnerstag mitgeteilt, dass das Fischsterben wahrscheinlich von einer Wasserverschmutzung durch die Industrie ausgelöst worden sei. "Alles deutet darauf hin, dass die Verschmutzung der Oder, die zum Sterben zahlreicher Fische geführt hat, industriellen Ursprungs sein könnte", sagte die stellvertretende Leiterin der Behörde, Magda Gosk.
Die Umweltbehörde versuche nun, mit Drohnenüberflügen potenzielle Verschmutzungsquellen aufzuspüren und festzustellen, wie der Zustand des Flusses sei. Man untersuche, um welche Substanz es sich handelt und "vor allem, wer diese Substanz wo in die Oder eingeleitet hat", sagte Gosk weiter.
Kritik an Kommunikation mit Polen
Von Brandenburger Seite kam am Donnerstag auch Kritik an der polnischen Informationspolitik. Landesumweltminister Axel Vogel (Grüne) sagte laut Mitteilung: "Man muss festhalten, dass die Meldeketten zwischen der polnischen und der deutschen Seite in diesem Fall nicht funktioniert haben." Eine Meldung durch die polnischen Behörden, wie sie im Alarm- und Meldeplan sowie im Havarieplan der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung (IKSO) vorgesehen sei, habe das Landesamt für Umwelt nicht erreicht.
Über die ursächlichen Ereignisse, die möglicherweise schon am 27. und 28. Juli stattgefunden hätten, sei die brandenburgische Regierung nicht offiziell informiert worden, kritisierte Vogel im Interview mit dem "rbb". Die Umweltbehörde habe erst am 9. August über das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) Hinweise auf eine Umweltverschmutzung erhalten, hieß es.
Das Landesamt übergab zur Analyse Proben des Wassers an das Landeslabor Berlin-Brandenburg. Auch bei toten Fischen werden laut Mitteilung des Ministeriums Proben entnommen, um die Ursache des Fischsterbens zu analysieren.
Schon zehn Tonnen toter Fisch geborgen
Das Fischsterben in der Oder beunruhigt seit Tagen die Menschen in Brandenburg an der Grenze zu Polen. Tausende tote Fische wurden in dem Fluss entdeckt, ein Teil davon auf Höhe der Stadt Frankfurt (Oder) und umliegender Orte.
Der Chef der polnischen Wasserbehörde, Przemyslaw Daca, sagte am Donnerstag, Mitarbeiter seiner Behörde, Angler und freiwillige Helfer hätten insgesamt zehn Tonnen verendeter Fische geborgen. "Das zeigt, dass wir es mit einer gigantischen und entsetzlichen Umweltkatastrophe zu tun haben."
Anfang August hatte das Gewässeramt in Wroclaw (Breslau) mitgeteilt, dass der hohe Sauerstoffgehalt im Wasser von den typischen Sauerstoffkonzentrationen im Sommer abweiche. Es sei möglich, dass eine Substanz mit stark oxidierenden Eigenschaften ins Wasser gelangt sei. Zudem wurde an zwei Stellen die giftige Substanz Mesitylen nachgewiesen. Die örtliche Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines möglichen Umweltdelikts.
- Nachrichtenagentur dpa
- rbb24.de: "Umweltminister Vogel kritisiert offen polnische Informationspolitik"