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Türkei und Griechenland: Rätselhaftes Delfinsterben nach Militärübung


Nach türkischer Militärübung
Delfinsterben im Mittelmeer gibt Rätsel auf

Von dpa
Aktualisiert am 15.04.2019Lesedauer: 4 Min.
Helfer untersuchen einen toten Delfin: Warum sterben vermehrt Meeressäuger?Vergrößern des Bildes
Helfer untersuchen einen toten Delfin: Warum sterben vermehrt Meeressäuger? (Quelle: Meeres-Institut Archipelagos/dpa)
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Nach einem Manöver der türkischen Marine sind mehrere tote Delfine in der Ägäis angeschwemmt worden. Umweltschützer fordern so schnell wie möglich Aufklärung.

Gut sechs Wochen ist es her, dass die türkische Marine mit der nach eigenen Angaben größten Marineübung in der Geschichte der Republik begann. An der zehntägigen Operation "Blaues Vaterland" nahmen mehr als 100 Kriegsschiffe teil.

Am vergangenen Dienstag dann ein ungewöhnlicher Schritt: Auf Twitter postete das türkische Verteidigungsministerium ein mit Musik unterlegtes Video, in dem fröhlich springende Delfine türkische Kriegsschiffe begleiten. Die Mitteilung: Das Militär sei extrem sensibel, was die Umwelt betrifft. Was war geschehen?

Seit Abschluss der Manöver wurden an Stränden der Nordägäis mindestens 15 verendende und tote Delfine angeschwemmt. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen, weil viele Kadaver bereits im Meer zersetzt und die Überreste von Fischen gefressen werden. Umweltschützer schlugen Alarm, die griechische Presse machte den Schuldigen schnell aus: Es liege am Sonar, das bei der Übung der türkischen Marine eingesetzt worden sei und die Tiere getötet habe.

"Noch keine Beweise"

"Dafür gibt es noch überhaupt keine Beweise", sagt hingegen die Veterinärin Natascha Komninou, Professorin an der Universität Thessaloniki und Mitglied der auf Wale und Delfine spezialisierten Umweltorganisation Arion. Komninou kritisiert, dass die Nachricht vom Sonar in der Welt sei, obwohl noch gar keine umfassenden Obduktionen vorlägen. "Solange das nicht der Fall ist, können wir auch nicht über die Ursachen befinden." Fachleute beschäftigten sich bereits damit.

Grundsätzlich ist bekannt, dass starkes militärisches Sonar Meeressäuger schädigen kann – in schlimmsten Fällen führt lauter Schall zu Gewebeschädigungen in Kopf und Lungen der Tiere, sagt der Kieler Meeresbiologe Boris Culik. Darüber hinaus gebe es indirekte Schädigungen: "Die Marine nutzt sehr starke Schallwellen, um auch in trübem Wasser und weiter Entfernung ein akustisches Bild von der Umgebung zu erhalten.

Schallwellen beeinträchtigen Gehör

Bei Delfinen können diese Schallwellen zu kurzfristiger Taubheit oder sogar zu dauerhaften Gehörschäden führen", sagt Culik. Weil die Tiere selbst Echoortung zum Jagen einsetzen und für die schwachen Echos ihrer Beute auf ein sehr empfindliches Gehör angewiesen sind, bedeutet das, dass sie verhungern müssen.

Einer der 15 bisher dokumentierten verendeten Delfine in der nördlichen Ägäis wurde am 4. April an der Küste der Insel Skopelos entdeckt. Strandbesucher versuchten vergebens, das Tier, das gerade noch so am Leben war, zurück ins tiefere Wasser zu lotsen. "Der Delfin war krank und elend, er wollte gar nicht zurück ins Meer, sondern sich im flachen Wasser ausruhen", sagt Dimitris Papaioannou, Tierarzt auf Skopelos. Er rät Laien, in solchen Fällen auf keinen Fall helfend einzugreifen, sondern sich sofort an die Küstenwache oder Tierärzte zu wenden, weil das Tier sonst unnötig gequält werde.

Virus im Umlauf?

Verhungert oder abgemagert war der betreffende Delfin jedoch nicht. Bei einer ersten Untersuchung des Kadavers konnte Papaioannou lediglich eine Lungenentzündung feststellen. "Sonar war das ganz sicher nicht", sagt er. Proben des Tieres hat er an die Universität Thessaloniki geschickt. "Wir vermuten, dass es ein Virus gibt, der die Tiere befällt, aber auch das steht noch nicht fest."

Derweil bleibt bei den Experten ein ungutes Gefühl. "Die Zahlen sind einfach zu hoch", sagt Anastasia Miliou vom Meeresinstitut Archipelagos auf Samos. Im vergangenen Jahr habe man im selben Zeitraum lediglich zwei tote Delfine verzeichnet. "Auch wir sehen keine Anzeichen dafür, dass die Tiere am Sonar gestorben sind, aber der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit dem Marinemanöver lässt sich nicht von der Hand weisen." Nun gelte es herauszufinden, ob die Manöver womöglich andere Schäden hervorgerufen hätten, sagt die Hydrobiologin.

Schwer verletzte Delfine

Während man in Griechenland erst am Anfang der Untersuchungen steht, ist man in Frankreich schon fündig geworden: Fischernetze seien für den Tod von rund 1.000 Delfinen verantwortlich, die von Januar bis Mitte März an der französischen Atlantikküste angeschwemmt worden waren – der Umweltorganisation Pelagis zufolge ein neuer trauriger Rekord. Die Tiere wiesen schwere Verletzungen auf.

Umweltminister Francois de Rugy kündigte einen Maßnahmeplan bis Ende 2019 an – allerdings ohne besonders konkret zu werden. Er betonte die Bedeutung sogenannter Pinger. Diese kleinen Geräte geben akustische Signale ab und sollen Delfine von den Netzen vertreiben. Viele französische Schleppnetze seien mit den Signalgebern ausgestattet – aber eben nicht alle, so der Minister. Man müsse nun prüfen, ob man das ausweitet. Auch müsse man mit Spanien zusammenarbeiten, denn in der Biskaya sind viele spanische Fischkutter unterwegs.

Ausreichende Kontrollen nötig

Während französische Umweltschutzorganisationen das Fehlen ausreichender Kontrollen und abschreckender Strafen kritisieren, argumentiert das Regionalkomitee für Seefischerei in der Bretagne, auch die erhöhte Delfinpopulation sei für den Anstieg der Beifänge verantwortlich.


Ähnlich politische Dimensionen hat das Delfinsterben auch in Griechenland. "Nicht nur die türkische Marine, auch die Griechen und die Nato halten in der Ägäis Übungsmanöver ab", sagt Anastasia Miliou von Archipelagos. Daran könne man das Militär nicht hindern, aber: "Der ohnehin durch Müll, Plastik und Tourismus stark geforderte Mittelmeerraum ist nicht endlos belastbar." Für die Umweltschützer gehe es nicht um politische Verhältnisse. "Uns interessiert das Meer. Unsere Forderung ist, dass solche militärischen Übungen – gerade in Friedenszeiten – so ablaufen, dass dadurch kein Leben zerstört wird."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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