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Oxford-Forscher über Ende der Menschheit: Kraken übernehmen Weltherrschaft


Die Welt nach der Apokalypse
Wenn der Mensch stirbt, übernimmt dieses Tier


19.01.2025 - 10:43 UhrLesedauer: 5 Min.
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Das Ende der Menschheit (Symbolbild): Wenn an Land nur noch Ruinen übrig sind, könnte ein Meeresbewohner die Chance ergreifen. (Quelle: ingimage)
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Irgendwann stirbt die Menschheit aus. Dann schlägt die Stunde für ein bisher unterschätztes Wesen – glaubt zumindest ein renommierter Evolutionsbiologe.

Die Gefahren sind vielfältig. Eine Pandemie bringt Tod und Verderben, ein Atomkrieg zerstört die Zivilisation, eine universelle Künstliche Intelligenz richtet sich gegen ihre Erfinder oder die Klimakrise wird unbeherrschbar. So oder so – eines Tages wird die Herrschaft der Menschen über den Planeten Erde enden, davon ist der britische Evolutionsbiologe Tim Coulson überzeugt.

Die Frage lautet ihm zufolge also nicht, ob die Menschheit den Weg der Dinosaurier beschreitet, sondern bloß wann: "Das Aussterben ist das Schicksal aller Arten, einschließlich des Menschen", erklärte der Forscher jüngst einer erstaunten Öffentlichkeit.

Oxford-Professor glaubt an die Macht der Kraken

Dann sei der Weg frei für Neues. Früher oder später werde eine andere Spezies die Kontrolle auf der Erde übernehmen, glaubt Coulson, der gerade das Buch "The Universal History of Us" veröffentlicht hat und dieses in diversen Interviews bewirbt. Platz für Spekulationen lasse eigentlich nur die Frage, welche Art die Nische am erfolgreichsten füllen kann, die durch die Abwesenheit der Menschheit entsteht.

Die Antwort des Oxford-Professors ist überraschend: Auf Rang eins der heißesten Kandidaten für das Erbe der Schöpfungskrone sieht er nicht etwa Menschenaffen, außerordentlich intelligente Rabenvögel oder kluge Delfine – sondern Kraken (wissenschaftlicher Name: Octopoda).

Affen und Raben haben keine Chance

Die nächsten Verwandten des Menschen, also die Gattungen Pan (Schimpansen und Bonobos), Gorilla und Pongo (Orang-Utans), scheiden Coulson zufolge wegen ihrer großen Ähnlichkeit zum Homo sapiens aus. Was auch immer die Menschheit tötet, könnte auch den Hominiden gefährlich werden, meint der Biologe: Geht das Ökosystem zugrunde, das im Augenblick noch das Gedeihen des Menschen sichert, sind auch die Menschenaffen bedroht.

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Vögel wie Krähen, Raben oder Papageien wiederum seien zwar bemerkenswert intelligent und könnten gemeinsame Nistplätze bauen, was langfristige Gemeinschaftsbindungen und somit Kulturen ermögliche – für den Aufbau einer vielschichtigen Zivilisation fehle es ihnen aber an den erforderlichen feinmotorischen Fähigkeiten. Sprich: Ohne ein Körperteil, das den menschlichen Händen mit ihren gegengreifenden Daumen entspricht, werden Vögel wohl kaum ausgefeilte Maschinen schaffen und bedienen können.

Oktopus-Tentakel: Geschickt wie menschliche Hände

Ganz im Gegenteil zu den Kraken: Die wirbellosen Tiere können ihre acht Arme erstaunlich flexibel einsetzen, sie in nahezu alle Richtungen verdrehen und auch die zahlreichen Saugnäpfe daran verformen und unabhängig voneinander einsetzen. Das ermöglicht ihnen nicht nur, Muscheln zu öffnen, sie können auch Deckel von Gläsern abschrauben oder das Filtersystem eines Aquariums auseinandernehmen.

Gleichzeitig sind die Oktopus-Saugnäpfe hochsensibel. Chemorezeptoren erlauben es den Tieren, mit ihren Tentakeln nicht bloß zu tasten, sie können damit auch schmecken. Das spezielle Nervensystem der Kraken sorgt zudem für eine Informationsverarbeitung direkt vor Ort, was Entscheidungen ohne Umweg und somit in Hochgeschwindigkeit bedeutet.

Der ganze Krake – ein einziges Gehirn

Anders als beim Menschen muss die Information nicht erst über Nervenbahnen zu einem zentralen Gehirn geschickt und dort bewertet werden. Neben dem Hauptgehirn, das bei Kraken wie ein Ring um die Speiseröhre liegt, haben die Tintenfische auch noch für jeden einzelnen ihrer acht Arme je ein eigenes neuronales Rechenzentrum. Das Gehirn ist also praktisch im gesamten Körper verteilt.

Faszinierend komplex ist auch das Denk- und Vorstellungsvermögen der Tiere. Sie scheinen sogar wie Menschen zu träumen und wechseln im Schlaf etwa einmal pro Stunde für eine Minute aus einer ruhigen in eine aktive Phase. Forscher ziehen Parallelen zum sogenannten REM-Schlaf des Menschen und halten es für möglich, dass Oktopusse dann Geschehnisse aus dem Wachzustand noch einmal erleben und verarbeiten.

Ausbrecherkönig Inky und die empfindsame Octavia

Evolutionsbiologe Coulson hebt hervor, dass Kraken zwischen realen und virtuellen Objekten unterscheiden und Rätsel lösen können. Zudem sind sie unternehmungslustig und neugierig und haben jeweils eigene Persönlichkeiten. Die Geschichte von Inky, einem einst im National-Aquarium von Neuseeland gehaltenen Kraken, untermauert das. 2016 quetschte er sich aus seinem Becken in die Freiheit hinaus, nachdem unachtsame Techniker bei Wartungsarbeiten einen winzigen Spalt am oberen Rand des Wassertanks gelassen hatten. Dann robbte er sich bis zu einem 50 Meter langen Abwasserrohr und verschwand im offenen Meer. Sein weniger abenteuerlustiger Kollege Blotchy blieb hingegen zurück.

Ein anderer Krake in einem anderen Aquarium Neuseelands sorgte unterdessen für Aufsehen, weil er nachts regelmäßig aus seinem Becken ausbüxte, in andere Becken eindrang, sich dort an Krabben satt aß und anschließend wieder zu sich nach Hause zurückkehrte. Vielschichtige Gefühle haben Kraken, die zur Gruppe der Achtarmigen Tintenfische gehören, offenbar auch. Die Naturforscherin und Autorin Sy Montgomery berichtete von einem Weibchen namens Octavia: Die alte Krakendame lag im Sterben und hatte sich schon vor Monaten an den Grund ihres Beckens zurückgezogen, als Montgomery noch einmal bei Octavia vorbeikam. Forscherin und Tier kannten sich seit Langem – und als Octavia Montgomery wahrnahm, schwamm sie an die Oberfläche.

"Eine Insel geistiger Komplexität"

"Nicht, weil sie hungrig war", erklärte Montgomery hinterher. Einen mitgebrachten Fisch habe Octavia nur kurz beachtet und dann fallen gelassen. "Sie hatte die Anstrengung auf sich genommen, um mich zu sehen und mich zu berühren. Sie legte ihre Saugnäpfe um meinen Arm, sah mir ins Gesicht und hielt mich so minutenlang."

Auch der Wissenschaftsphilosoph und Krakenfreund Peter Godfrey-Smith befindet, Oktopusse seien "eine Insel geistiger Komplexität inmitten des Ozeans wirbelloser Tiere". Er stellt heraus, dass Kraken über ein breites Spektrum von Kommunikationsmöglichkeiten verfügen. Drei Schichten der Haut könnten Farben erzeugen, sagt er. Die Tiere seien außerdem in der Lage, die Textur der Haut in Echtzeit zu verändern und ihre Körperform zu transformieren. Alles dies schaffe hochkomplexe Ausdrucksvarianten – und damit die Möglichkeit für Sprache.

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Allerdings scheine es, als ob die Kopffüßler viel mehr Signale aussenden würden, als ihre Artgenossen empfangen. Mit anderen Worten: Es sieht so aus, als ob die Tiere zwar fast ununterbrochen plappern, aber kaum zuhören.

"Unterwassergemeinschaften, die Städten ähneln"

Dieser Aspekt könnte auf eine Schwachstelle in Coulsons Theorie von der kommenden Weltherrschaft der Kraken hindeuten: Fraglich ist, ob die Oktopusse irgendwann in der Lage sein werden, aus ihrem bisher offenbar bevorzugten Einzelgängerdasein auszubrechen. Werden sie je differenzierte Gesellschaften bilden, in denen Wissen von Generation zu Generation weitergegeben wird?

Coulson hält dies nicht für ausgeschlossen. Er setzt auf die weitere Evolution – und damit auf enorm große Zeiträume. Bis Kraken eine Zivilisation gründen könnten, dauere es möglicherweise noch Millionen von Jahren, erklärte er dem Debattenmagazin "The European". Doch die Anpassungsfähigkeit der Kraken lasse es zumindest denkbar, wenn nicht gar wahrscheinlich erscheinen, dass sie irgendwann "Unterwassergemeinschaften errichten, die den Städten ähneln, die wir an Land sehen".

Und sogar die Erdoberfläche könnten die Kraken eines Tages besiedeln, glaubt Coulson. Vielleicht würden die Oktopusse der Zukunft mit Atemgeräten an Land robben, vielleicht sei es ihnen aber auch irgendwann dank evolutionärer Fortschritte möglich, außerhalb des Wassers zu atmen und schließlich Landtiere wie Hirsche, Schafe und andere Säugetiere zu jagen: "Vorausgesetzt", betont Coulson, "diese haben das katastrophale Ereignis überlebt, das zum Aussterben der Menschheit führte."

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