Zahlungsverzug Stadt dreht Mutter mit Kind trotz Hitze das Wasser ab
Wegen nicht bezahlten 183,20 Euro für Trinkwasser haben Stadtwerke einer Frau und ihrem Kind mitten in der Hitzewelle den Hahn zugedreht. Kein Wasser mehr – das ist Ermessenssache.
Kompromissloses Vorgehen eines kommunalen Wasserversorgers hat Verwunderung und Hilfsbereitschaft ausgelöst: Für eine alleinerziehende Mutter und ihren achtjährigen Sohn lief bei Werten bis 35 Grad nichts mehr aus dem Hahn. Das Wasser einem Haushalt mit Kind mitten in einer Hitzewelle abzustellen – das ist zumindest ungewöhnlich.
Die Frau war mit 183,20 Euro für Wasser im Rückstand, fast der gleiche Betrag war an Gebühren hinzugekommen, wie die Stadtwerke gegenüber dem "Pfälzischen Merkur" erklärt haben. Am 23. Juli floss das letzte Wasser, 29 Grad Höchsttemperatur waren es an dem Tag.
Mehrere Menschen wollten Kosten übernehmen
Und das Nass aus dem Hahn blieb bis zum 30. Juli abgestellt – kein Wasser in der Toilette, kein Wasser für die Waschmaschine, kein frisches Wasser mehr zum Zähneputzen, zum Kochen. Bei 140 Litern Wasser am Tag liegt der Durchschnittsverbrauch pro Person in Deutschland.
Bei der örtlichen Zeitung "Pfälzischer Merkur" hatte sich deshalb ein Bürger gemeldet: "Ein Kind, das bei dem Wetter kein Wasser hat – das ist unvorstellbar." Nachdem die Zeitung berichtete, stand dann am Montag eine Privatperson bei den Stadtwerken und zahlte 326 Euro. Auf diese Summe belief sich die Forderung mitsamt Gebühren für Mahnungen und Sperre und deren Aufhebung.
Der Samariter war nicht der einzige, der helfen wollte: Es hatten sich noch weitere Menschen gemeldet, die die Kosten übernehmen wollten und zum Teil bereits überwiesen hatten. Es gab viel Hilfsbereitschaft, aber in sozialen Netzwerken auch Empörung über die Frau und über die Stadtwerke. Die wurden offenbar mit E-Mails überflutet.
Keine bundesweite Statistik über Fälle
In der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass das nicht nur bei Strom passieren kann – und dass das jährlich deutschlandweit viel Tausende Male geschieht. Genaue Zahlen gibt es anders als bei Stromsperren nicht. Lediglich dort und bei Gas führt die Bundesnetzagentur Statistik, wie oft Versorger wegen nicht bezahlter Rechnungen die Lieferung einstellen.
Gelsenwasser, einer der größten Versorger Deutschlands mit Sitz in Gelsenkirchen, berichtet von einem "Promillebereich" der Kunden, bei denen es tatsächlich zur Sperrung kommt.
Dort wird das zuvor jeweilige örtliche Ordnungsamt eingebunden und um seine Einschätzung gebeten, erklärt Gelsenwasser-Sprecher André Ziegert. "Bei gesundheitlichen oder sozialen Aspekten, wenn dann Kinder im Spiel oder Kranke und es auch noch so heiß ist, wird in der Regel auch nicht gesperrt." In der 30.000-Einwohner.-Stadt Zweibrücken lief es anders.
Verband: Sperre nur, im äußersten Fall
Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) bescheinigt seinen Mitgliedsunternehmen aber, das sie nicht nur in der derzeitigen "außergewöhnlichen Hitzesituation (...) immer dialogbereit, lösungsorientiert und kulant" seien, "wenn es um unser wichtigstes Lebensmittel geht". Eine Sperre sei Ultima Ratio, so ein Sprecher zu t-online.de. Vielfach können Schuldnerberatungen Betroffenen auch Wege aufzeigen, die Sperre noch abzuwenden.
Die "Dialogbereitschaft" der Stadtwerke Zweibrücken bei Mutter und Kind lässt sich schlecht beurteilen Gegenüber dem "Pfälzischen Merkur" verwies Geschäftsführer Werner Brennemann für weitere Details zu dem Fall auf Datenschutz, und erklärte, über Kinder bei Kunden wüssten die Stadtwerke nichts. Auf eine t-online.de-Anfrage vom Donnerstag, 12 Uhr, haben die Stadtwerke trotz Nachfrage bis zum Freitagabend nicht geantwortet.
Wenn Kunden partout nicht zahlen wollen oder können, gibt es aber ein Zurückbehaltungsrecht, erklärt der Verband VKU und verweist auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1981 in einem Streit um Strombelieferung (1 BvR 581/81): "Bürger haben keinen Anspruch auf eine kostenlose oder verbilligte Wasser- (und Energiebelieferung)". Lediglich die "Linke" im Bundestag ist für ein gesetzliches Verbot von Sperren.
Gerichte verdonnerten Werke zu Belieferung
Gerichte haben aber auch deutlich gemacht, dass Versorger nicht verpflichtet sind zu Wassersperren, sondern dass dies eine Ermessensentscheidung ist. Wenn abgedreht wird, darf der Grund dafür auch nur eine offene Forderungen aus der Wasserversorgung gehen, unbezahlte Abwassergebühren dürfen keine Rolle spielen.
Deshalb musste ein Wasserversorger in Baden-Württemberg einem Paar trotz offener Gesamt-Forderungen von 1590 Euro weiter Wasser liefern, entschied das Verwaltungsgericht Freiburg. Andere Wasserversorger mussten wieder Wasser liefern, weil sie die Sperre nicht mindestens zwei Wochen vorher angedroht hatten.
Mieter haben keinen Anspruch gegenüber Wasserwerk
Wenn Gelsenwasser nach der zweiten Mahnung die Sperrandrohung verschickt, gibt das Unternehmen säumigen Zahler sogar noch vier Wochen Zeit. Dort wird auch erst ab 200 Euro offener Wasserrechung mit der Sperrung gedroht, in Berlin lag die Schwelle schon 2010 bei 250 Euro, weil sonst die Kosten durch den Vorgang nicht gerechtfertigt seien.
Die Stadtwerke Zweibrücken erklärten dem "Pfälzischen Merkur", die Sperrung werde mit der ersten Mahnung erstmals angedroht. Vier Wochen später wird demnach dort die Ankündigung, nach weiteren acht Tagen den Hahn abzudrehen. Drei Tage vorher sei die Mutter noch einmal informiert worden. Gewarnt war sie demnach zumindest.
Sperrungen können aber auch Menschen bedrohen, die ihre Abschläge brav bezahlt haben – an den Vermieter, der seinerseits nicht zahlt. Mieter können beim Wasserversorger nicht auf Belieferung pochen, wenn der Vermieter nicht zahlt, entschied auch das OVG Berlin-Brandenburg. Hier gehe man aber noch zurückhaltender vor, erklärt der Gelsenwasser-Sprecher. "Mieter können ja überhaupt nichts dafür."
- Eigene Recherchen
- Erster Bericht "Pfälzischer Merkur"