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DGzRS und DLRG retten Flüchtlinge aus der Ägäis


"Hellenic Rescue"
Deutsche Rettungsschwimmer retten Flüchtlinge in der Ägäis aus Seenot

Aktualisiert am 23.03.2016Lesedauer: 5 Min.
DLRGler Martin Cordes berichtet t-online.de von seinem Einsatz vor der griechischen Insel Lesbos, wo er mit anderen ehrenamtlichen Kräften Flüchtlinge aus Seenot in der Ägäis rettet.Vergrößern des Bildes
DLRGler Martin Cordes berichtet t-online.de von seinem Einsatz vor der griechischen Insel Lesbos, wo er mit anderen ehrenamtlichen Kräften Flüchtlinge aus Seenot in der Ägäis rettet. (Quelle: Alexander Kille (DLRG))
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Seit Anfang März sind Kräfte der deutschen Rettungsorganisationen DLRG und DGzRS

Sie fliehen vor Krieg, Tod, Terror und Verfolgung aus ihren Heimatländern. Sie kommen mit winzigen, oft maroden und alles andere als seetüchtigen Booten – meist primitiven Schlauchbooten – von der Türkei über die Ägäis auf Lesbos an. Ein brandgefährliches Unterfangen, denn die Gewässer dort strotzen vor Riffen im Wasser und felsigen Küsten, an denen die Boote havarieren, kentern und sinken können.

Alte Menschen, Kinder und Säuglinge

Zudem sorgen die eisigen Wassertemperaturen dafür, dass ein Mensch, der ins Wasser fällt, in kürzester Zeit stirbt - selbst wenn er schwimmen kann oder eine Schwimmweste trägt. In den oft völlig überfüllten Booten sind zudem auch alte, gebrechliche Menschen, kleine Kinder und sogar Säuglinge. Ziel der Retter ist es deshalb, die Menschen kurz vor dem Erreichen der gefährlichen Küste auf offenem Wasser aus den Booten zu retten. Seit Einsatzbeginn konnten so schon mehrere hundert Menschen vor dem nassen Tod bewahrt werden.

DGzRS und DLRG vor Ort im Einsatz

Seit Anfang März unterstützt die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) die griechische Hilfsorganisation "Hellenic Rescue" dabei, diese Menschen aus der Gefahr zu holen und vor dem Tod durch Ertrinken zu bewahren. Auf dem dafür nach Lesbos verlegten Seenotrettungskreuzer "Minden" sind dabei auch im Schichtbetrieb immer zwei Rettungsschwimmer der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) im Einsatz.

Rettungsschwimmer holen Menschen aus dem Wasser

Die Aufgabe der DLRG ist es, Rettungsschwimmer dort einzusetzen, wo die Schiffe der Seenotretter nicht nahe genug an Land heran kommen oder über Bord gegangene Personen gegebenenfalls durch einen schwimmerischen Einsatz zu sichern und an Deck der "Minden" zu bringen. Die DLRG hat zu diesem Zweck auch ein spezielles Schlauchboot mit in den Einsatz gebracht, wie es vor allem an den deutschen Nord- und Ostseeküsten für die Strandrettung verwendet wird.

Die DLRGler leisten diesen Dienst freiwillig und ehrenamtlich, sie nehmen sich dafür sogar Urlaub. t-online.de hat mit einem von ihnen gesprochen.

Der 46-jährige Martin Cordes ist mit der ersten DLRG-Gruppe für drei Wochen in den Auslandseinsatz nach Lesbos gekommen. Der Familienvater ist Polizeibeamter und lebt in Neustadt in Niedersachsen. Bei der DLRG ist er seit vielen Jahren ehrenamtlich tätig und kümmert sich als Leiter des Auslands-Einsatzteams auf DLRG-Bundesebene um die Organisation solcher Auslandseinsätze.

t-online.de: Was hat Sie motiviert, in diesen Einsatz zu gehen?

Martin Cordes: Als die Anfrage der DGzRS kam und unser Auslands-Einsatzteam mit der Durchführung beauftragt wurde, war es für Patrick Sinzinger und mich als verantwortliche Leiter des Auslands-Einsatzteams der DLRG eine Selbstverständlichkeit, im ersten Team mit dabei zu sein. Weiterhin ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, die griechische Hilfsorganisation "Hellenic Rescue", die seit weit über einem Jahr an ihrer Belastungsgrenze arbeitet, bei unserer gemeinsamen Aufgabe, Menschenleben zu retten, zu unterstützen.

Wie wurden Sie fachlich für diesen Einsatz vorbereitet?

Zunächst bin ich als Bootsführer und Rettungsschwimmer ohnehin für genau solche Aufgaben, wie sie uns hier erwarten, qualifiziert. Zusätzlich haben alle Einsatzkräfte, die für den Auslandseinsatz vorgesehen sind, einen Auswahlprozess durchlaufen. Neben Teamfähigkeit und Belastbarkeit kommt es hier auch auf interkulturelle Kompetenz und Freiwilligkeit an. Speziell für diesen Einsatz mussten wir ein Überlebenstraining für Notfälle auf See absolvieren. Das Einsatzgebiet ist nicht mehr in Strandnähe sondern auf dem offenen Meer. Zusätzlich wurde uns von den DLRG-Ärzten ein umfangreiches Impfprogramm empfohlen, welches alle Einsatzkräfte absolviert haben müssen.

Wie haben Sie sich persönlich auf diesen Einsatz vorbereitet? Denn es ist schließlich nicht einfach, wenn man mit so vielen schweren Schicksalen in Berührung kommt.

Dass ich in diesen Einsatz gehe, habe ich im Vorfeld lange mit meiner Familie besprochen. Meine Frau und mein Sohn unterstützen mein Engagement voll und bestätigen mich so in dem, was ich tue. Natürlich habe ich mit meiner Frau dabei auch ausgiebig über mögliche negative Folgen, insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung durch die Bilder die man hier sieht, gesprochen.

Meinen Arbeitgeber habe ich über meinen Einsatz hier in Griechenland ausführlich informiert und habe hier ebenfalls Unterstützung in Form von einigen Tagen Sonderurlaub erhalten.

Vor Ort ist natürlich wichtig, dass alle Einsatzkräfte per Telefon und Internet Kontakt nach Hause halten können. Auch kann mich meine Familie hier jederzeit erreichen.

Auf welche Schwierigkeiten sind Sie gestoßen? Was ist anders oder sogar besser, als erwartet?

Wir wurden hier von den Kollegen der DGzRS mit offenen Armen empfangen. Diese sind schon einige Tage länger im Einsatz und konnten uns so schon erste Erfahrungen weitergeben.

Außerdem kam es in den ersten Tagen aufgrund von schlechtem Wetter nur zu vereinzelten Überfahrten von Flüchtlingen. Diese Zeit konnten wir so für ausgiebige Übungen und Trainings nutzen. In den ersten Notfällen heute hat sich so gezeigt, dass eigentlich kaum Anlaufschwierigkeiten bestanden.

Im Vorfeld waren uns auch Videos von nordeuropäischen Rettungskräften bekannt, die hier schon vor uns aktiv waren. Die konnten uns auch für die Vorbereitung wichtige Tipps geben.

Am Ende tragen auch die Flüchtlinge selbst zum Gelingen der Mission bei, da sie trotz ihrer Notlage und aller sprachlichen Kommunikationsprobleme meist eine große Disziplin und Dankbarkeit an den Tag legen.

Wie verarbeiten Sie die Eindrücke und Emotionen, die das Ganze mit sich bringt?

Nach der Übergabe der Flüchtlinge an die verschiedenen Hilfsorganisationen an Land besprechen wir kurz die abgearbeitete Rettungsaktion. Hier werden alle Dinge offen angesprochen, die gut gelaufen sind, aber auch die, die noch zu verbessern sind. Abends wird sich in unserer Unterkunft noch ausgetauscht. Insbesondere kann hier jeder offen über seine erlebten Gefühle und Eindrücke sprechen. Daneben erzählt man auch einiges aus seinem Privatleben, so wachsen wir hier alle zu einem echten Team zusammen, obwohl wir uns noch vor einer Woche zum größten Teil nicht kannten.

Was nehmen Sie an Eindrücken und Erfahrungen mit nach Hause, wenn der Einsatz für Sie beendet sein wird?

In erster Linie die große Dankbarkeit der Menschen, denen man hier ganz direkt helfen kann. Bereits einer der ersten Geretteten kam, obwohl er völlig entkräftet war und gefroren hat, auf mich zu und sagte mir mit gebrochenen Englisch ein herzliches "Thank you my friend!" und schaute mir dabei tief und voller Dankbarkeit in die Augen. So ein Erlebnis ist natürlich zum einen Lohn genug und auch Ansporn, auch zukünftig für solchen Einsätze zu Verfügung zu stehen.

Was können Sie anderen DLRGlern raten, die nach Ihnen in diesen Einsatz gehen werden?

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Auch als Rettungsschwimmer muss man hier absolut seefest sein! Dafür bekommt man aber eine Menge neue Eindrücke mit und lernt viele andere nette Helfer kennen, vor allem natürlich von der DGzRS - Die Seenotretter.

Das Gespräch führte Andreas Lerg.

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