Amoklauf in Michigan 15-Jähriger kündigte Erschießung von Mitschülern im Video an
Wieder fallen an einer Schule in den USA Schüsse. Wieder sterben Jugendliche. Der Sheriff spricht von einer kaltblütigen Tat. Der mutmaßliche Täter, selber erst 15, soll juristisch besonders behandelt werden.
Der mutmaßliche Todesschütze an der Highschool in Oxford im US-Bundesstaat Michigan hat nach Angaben der Polizei am Vorabend der Tat ein Video über seine Mordpläne aufgenommen. In dem Video spreche der 15-Jährige darüber, am nächsten Tag Schüler an seiner Schule zu erschießen, sagte der Polizist Tim Willis vom Sheriffs-Büro im Bezirk Oakland am Mittwoch bei der ersten Vorführung des Beschuldigten bei einer Haftrichterin.
Richterin Nancy Carniak verfügte die Überstellung des Verdächtigen von einer Jugendeinrichtung in ein Bezirksgefängnis, wo er isoliert von anderen Insassen bleibe. Der Beschuldigte war per Video zugeschaltet.
Staatsanwältin Karen McDonald hatte zuvor angekündigt, dass der 15 Jahre alte Verdächtige als Erwachsener angeklagt werde. Dem Zehntklässler würden unter anderem Terrorismus mit Todesfolge und vierfacher Mord ersten Grades vorgeworfen, sagte sie. Nach der Rechtslage in Michigan könnten Jugendliche bei solchen besonders schweren Straftaten als Erwachsene angeklagt werden. "Mord ersten Grades ist das schwerste all dieser Verbrechen."
Sie sei sich nach Sichtung von Beweisen sicher, dass es sich um eine vorsätzliche Tat gehandelt habe. Zu Details könne sie sich aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht äußern. Die Staatsanwältin sagte, sie habe dem Vater eines der Opfer versprochen, "dass ich diesen Fall so behandeln würde, als wären es meine eigenen Kinder".
Vier Schüler getötet, sechs verletzt
Der Schütze hatte am Dienstag an der Highschool in Oxford nördlich der Metropole Detroit das Feuer eröffnet. Vier seiner Mitschüler im Alter zwischen 14 und 17 Jahren wurden getötet. Sechs weitere Schüler und eine Lehrerin wurden durch Schüsse verletzt. Der Täter wurde festgenommen. Sein Motiv ist unklar. Nach Angaben der Polizei verweigert er die Aussage.
Sheriff Mike Bouchard sagte am Mittwoch, die Polizei habe vor der Tat keinerlei Informationen über den Verdächtigen gehabt. Man habe aber später erfahren, dass Vertreter der Schule am Tag vor und am Tag der Tat Kontakt mit dem Schüler gehabt habe, "weil sie sein Verhalten im Klassenzimmer für bedenklich hielten". Die Eltern des Beschuldigten seien noch am Morgen der Tat zu einem persönlichen Gespräch mit Schulvertretern in der Highschool gewesen. "Der Inhalt dieses Treffens ist offensichtlich Teil der Ermittlungen."
Bouchard sagte, der Schütze habe am Dienstag mehr als 30 Schüsse abgefeuert. Er habe bei seiner Festnahme noch 18 unverbrauchte Patronen bei sich gehabt. "Es ist klar, dass er mit der Absicht kam, Leute zu töten. Er schoss aus geringem Abstand auf Menschen, oft auf den Kopf oder die Brust", sagte Bouchard im Gespräch mit dem Sender CNN.
Videomaterial wird ausgewertet
Die Übungen an der weiterführenden Schule für einen solchen Fall und das schnelle Einschreiten der Polizei hätten am Dienstag Leben gerettet, betonte Bouchard. Der Schütze habe nach dem Alarm in der Schule versucht, sich Zugang zu verrammelten Klassenzimmern zu verschaffen, er habe sogar durch Türen geschossen. Dabei soll er auch versucht haben, sich als Polizist auszugeben, wie auf CNN gezeigte Videoaufnahmen von Schülern zeigten.
Als der 15-Jährige die Einsatzkräfte später auf einem Flur gesehen habe, habe er seine Hände hochgehoben, sagte Sheriff Bouchard. Daraufhin hätten die Beamten ihm seine Waffe abgenommen und ihn festgenommen. Die Highschool werde von rund 1.800 Schülerinnen und Schülern besucht. Es gebe dort keine Metalldetektoren. Man erwarte, dass die Untersuchungen länger dauern könnten, da die Beamten viel Videomaterial zu sichten hätten und Hunderte Menschen befragen müssten, sagte Bouchard. Die zuständige Staatsanwältin teilte Medienberichten zufolge mit, ihr Büro werde rasch Anklage erheben.
Die Polizei teilte mit, sie habe eine Handfeuerwaffe beschlagnahmt, die dem Vater des mutmaßlichen Täters gehöre. Es sei noch unklar, wie der Täter an die erst vor wenigen Tagen erworbene Waffe herangekommen sei. Bouchard sagte, es sei nicht ausgeschlossen, dass Anklage gegen die Eltern erhoben werde. Bei einer Durchsuchung des Elternhauses seien Schriftstücke gefunden worden, die ersten Eindrücken zufolge Einblick in die Gedanken des Jungen vor der Tat erlaubten, sagte Bouchard.
Biden sprach Angehörigen Mitgefühl aus
In den USA kommt es immer wieder zu tödlichen Zwischenfällen, weil Schützen an Schulen das Feuer eröffnen. Deswegen lassen viele Schulen solche Krisenszenarien regelmäßig üben, um sicherzustellen, dass Schüler im Notfall vorbereitet sind.
Das Waffenrecht in den USA unterscheidet sich je nach Bundesstaat, aber Schusswaffen wie Pistolen und Sturmgewehre sind meist verhältnismäßig leicht zu bekommen. Strengere Waffengesetze scheitern in der Regel an den Republikanern im Kongress und an der mächtigen Waffenlobby. US-Präsident Joe Biden hat Maßnahmen zur Eindämmung von Waffengewalt in Aussicht gestellt, bislang aber ohne konkrete Ergebnisse.
Biden sprach den Angehörigen der Opfer an der Oxford High School sein Mitgefühl aus. "Meine Gedanken sind bei den Familien, die den unvorstellbaren Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen ertragen müssen", sagte er bei einem Besuch im Bundesstaat Minnesota. Michigans Gouverneurin Whitmer nannte die Tat am Dienstag auf Twitter "schrecklich" und ordnete an, alle Flaggen in dem Staat auf halbmast setzen zu lassen. Sie teilte mit: "Wir haben die Verantwortung, alles zu tun, um uns gegenseitig zu schützen, und wir haben die Mittel, um Waffengewalt zu reduzieren. Niemand sollte Angst haben, in die Schule, zur Arbeit, in ein Gotteshaus oder sogar in sein eigenes Haus zu gehen."
- Nachrichtenagentur dpa