Doch kein Verkehrsunfall Nach 21 Jahren sucht die Polizei einen Mörder
Vor 21 Jahren wurde in Hessen mit Hilfe eines Verkehrsunfalls ein Mord vertuscht. Das Opfer starb an einem Genickschuss und nicht an Unfallfolgen. Nun hofft die Polizei auf Hinweise.
21 Jahre nach einem vermeintlichen Autounfall mit einem Toten in der Wetterau ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft wegen Mordes. Der im April 1997 tot entdeckte Autofahrer sei mit einem Genickschuss umgebracht worden und nicht an den Folgen eines Unfall gestorben, teilten die Staatsanwaltschaft Gießen und das Polizeipräsidium Mittelhessen am Donnerstag mit. Sie gehen nach eigenen Angaben nun erstmals mit dem spektakulären Fall an die Öffentlichkeit. Sie erhoffen sich davon Hinweise auf die Täter.
Die Ermittler gingen eindeutig von Mord aus, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Thomas Hauburger. Motiv für das Verbrechen könnten Streitigkeiten um das Geschäft mit Toilettenanlagen an Autobahnraststätten gewesen sein. Der Tatort befand sich in der Nähe der Raststätte Wetterau an der Autobahn 5 (Frankfurt-Gießen).
Hinweise auf Mord
Der 45 Jahre alte Türke Adem Bozkurt war am 4. April 1997 frühmorgens in Ober-Mörlen (Wetteraukreis) tot in seinem Fahrzeug gefunden worden. Der Wagen, in dem der Mann alleine saß, sei offenbar gegen einen Baum geprallt. Die Umstände, auch die Verletzungen des 45-Jährigen, hätten auf einen tödlichen Unfall hingedeutet, es sei deshalb auf eine rechtsmedizinische Untersuchung verzichtet worden, berichteten die Ermittler. Der Leichnam sei wenige Tage später von Angehörigen in die Türkei gebracht und dort beigesetzt worden. Bozkurt, der vor seinem Tod in Bad Nauheim lebte, hinterließ eine Ehefrau und zwei Töchter.
Erst Ende 2014, Anfang 2015 habe ein Zeuge den Hinweis gegeben, dass Bozkurt ermordet worden sei. Darauf seien umfangreiche Ermittlungen eingeleitet worden. Zeugen seien befragt, der Unfallhergang noch einmal rekonstruiert worden. Die Ergebnisse hätten den Verdacht erhärtet. Die in der türkischen Stadt Izmir bestattete Leiche sei daraufhin in Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden exhumiert worden. Experten hätten festgestellt, dass Bozkurt offenbar mit einem Schuss ins Genick getötet worden sei.
Drei Verdächtige verhaftet
Doch wie konnte ein Genickschuss damals am Unfallort übersehen werden? "Wir gehen davon aus, dass der Täter eine kleinkalibrige Waffe verwendet hat", sagte Staatsanwalt Hauburger. Das Einschussloch sei entsprechend nur wenige Millimeter groß gewesen und habe sich unter Haaren befunden. Die Kugel sei entweder im Kopf steckengeblieben oder durch den Mund wieder ausgetreten. Die blutigen Verletzungen des Opfers hätten sich außerdem mit dem Unfall erklären lassen. Es habe sich auf den ersten Blick auch kein Verdacht auf einen Mord ergeben – nur bei Anhaltspunkten auf ein Fremdverschulden dürfe aber überhaupt eine Obduktion angeordnet werden. Für die Polizei damals habe sich das Geschehen wie ein Unfall dargestellt.
Nach der überraschenden Wende in dem Fall hatten die Ermittler zwischenzeitlich schon drei Verdächtige im Visier. Bereits Ende 2016 durchsuchten sie Wohnungen und vernahmen die drei als Beschuldigte. Es habe sich jedoch kein dringender Tatverdacht ergeben, die Männer hätten deshalb nach der vorläufigen Festnahme wieder freigelassen werden müssen. "In der Folgezeit wurden weitere aufwendige Ermittlungen, teils auch im Ausland, geführt", erklärten Polizei und Staatsanwaltschaft. Diese seien aber bislang ohne durchschlagenden Erfolg geblieben.
Nicht in krimineller Szene verstrickt
Das Geschäft mit den Toilettenanlagen auf Autobahnraststätte galt und gilt als lukrativ. Teils wurde dabei mit harten Bandagen gekämpft um die Standorte und das Geld, das dabei verdient werden konnte. Der Ermordete sei aber nach den bisherigen Ermittlungen nicht in eine kriminelle Szene verstrickt gewesen, sondern habe als unbescholten gegolten, sagte Staatsanwalt Hauburger. "Das war ein ganz normaler, ordentlicher Arbeiter gewesen, der eine Reinigungsfirma hatte."
Der Kriminalfall soll am kommenden Mittwoch (25.7.) auch in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" vorgestellt werden. Dabei wollen die Ermittler unter anderem mögliche Zeugen von damals finden – etwa, wer Bozkut oder seinen schwarzen BMW kurz vor der Tat noch gesehen hat. Für Hinweise, die zu den Tätern führen, haben Polizei und Staatsanwaltschaft eine Belohnung von 10.000 Euro ausgesetzt.
- dpa