Angeheizt von Pegida Immer mehr Attacken auf Flüchtlingsheime
Seit dem Aufkommen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung sind Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte sprunghaft angestiegen. Besonders stark war die Zunahme in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres. Die Zahl der Attacken versechsfachte sich vom Jahr 2012 auf 2014, wie der Berliner "Tagesspiegel" berichtet.
Die Zahlen hatte die Bundesregierung als Antwort auf eine Anfrage der Linken genannt. Dem Bericht zufolge gab es 2012 noch 24 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, im Jahr 2013 schon 58 Angriffe und im vergangenen Jahr 150 Angriffe. Gezählt wurden Brand- und Sprengstoffanschläge auf Gebäude ebenso wie tätliche Angriffe auf die Menschen darin und volksverhetzende Parolen gegen sie.
Besonders viele Angriffe Ende 2014
Besonders viele Attacken, nämlich 67, gab es im vierten Quartal 2014, das stark geprägt war von der politischen Diskussion über die Flüchtlingspolitik und dem Aufkommen von Pegida. Das waren mehr Angriffe als im Jahr 2012 oder 2013 insgesamt. Im ersten Quartal von Januar bis März hatte es 32 Angriffe gegeben, im zweiten Quartal von April bis Juni 22 Delikte und im dritten Quartal von Juli bis September 29 Delikte.
Im "Tagesspiegel" kritisiert die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke, die Zahlen seien eigentlich noch viel höher. Die Liste der Straftaten sei "offensichtlich unvollständig". So fehle beispielsweise ein Brandanschlag in der Nähe von Nürnberg. Der "laxe Umgang mit rechter und rassistischer Gewalt" mache sie fassungslos, so Jelpke im "Tagesspiegel".
Zahl der Demonstrationen "kleingerechnet"
Auch die Zahl der Demonstrationen gegen Flüchtlinge hält die Abgeordnete für "gezielt kleingerechnet". Demnach wurden die Pegida-Kundgebungen nicht mitgezählt, sondern nur solche, die von der NPD oder deren Unterorganisationen sowie anderen rechtsextremen Zusammenschlüssen organisiert waren.
Selbst ohne die Pegida-Demos ist die Zahl alarmierend. Im Schnitt wurde in den vergangenen drei Monaten alle drei Tage quer durch Deutschland gegen "Asylbetrug", "Überfremdung" oder "Heimatzerstörung" demonstriert. Die Teilnehmerzahlen liegen zwischen fünf und 550 Teilnehmern, so der Bericht.
Gewaltforscher: Menschenfeindliche Stimmung motiviert gewaltbereite Personen
Nicht überrascht von dieser Entwicklung zeigte sich gegenüber dem "Tagesspiegel" der Bielefelder Gewaltforscher Andreas Zick. Schon während des "klar gegen Zuwanderung und 'Asylmissbrauch' fokussierten Europawahlkampf" Anfang 2014 hätten die Angriffe schon zugenommen.
"Die menschenfeindliche Stimmung führt nicht automatisch zu Taten, aber sie motiviert gewaltbereite Personen und Gruppen und wird von den Tätern zur Rechtfertigung herangezogen", sagte Zick der Zeitung. "Menschenfeindlichkeit wird als Norm wahrgenommen oder herangezogen. Das gilt für alle Hasstaten, auch jene von Menschen mit Migrationshintergrund gegen andere."
"Handfester Rassismus" in der Mittelschicht im Osten
Während im Westen rechtsextreme Kameradschaften hinter den Angriffen stünden, handele im Osten auch "die beleidigte Mittelschicht", erklärte Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Der "handfeste, dicke Rassismus" dort sei eine direkte Folge der misslungenen Politik nach der Wiedervereinigung, sagte die Journalistin dem "Tagesspiegel".