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Bayern | Gewalt gegen Dämonen? Prozess um mutmaßlichen Missbrauch


Kriminalität
Gewalt sollte gegen Dämonen helfen – Missbrauchsprozess beginnt

Von dpa, raf

Aktualisiert am 19.02.2024Lesedauer: 3 Min.
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Der Angeklagte steht an Händen und Füßen gefesselt im Gerichtssaal im Landgericht Schweinfurt. (Quelle: Heiko Becker/dpa/dpa)
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Schlafentzug, Drogen, Sex: Die Berichte über das Leben in einer WG in Unterfranken sind Film-tauglich. Der mutmaßliche "Guru" soll gegen den Willen einer Frau gehandelt haben.

Vor Gericht wird derzeit ein bizarrer Fall verhandelt, der in einer Wohngemeinschaft in der Nähe von Schweinfurt stattgefunden haben soll. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, seine Mitbewohnerin über Jahre hinweg psychisch und physisch misshandelt zu haben. Dabei sollen Themen wie Drogenkonsum, Dämonen und Lichtwesen eine zentrale Rolle gespielt haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung vor. Ein verstörender Einblick in das offenbar abgründige Leben einer Wohngemeinschaft.

Der Angeklagte sei ein "geistiger Führer" der Gemeinschaft, sagte Staatsanwältin Melanie Roth vor dem Landgericht Schweinfurt. Und in dieser Funktion soll der 42-Jährige seine frühere Partnerin im vergangenen Mai brutal vergewaltigt und misshandelt haben. "Die Geschädigte erlitt durch die Schläge, Tritte und das Würgen des Angeklagten mehrere Prellungen, Hämatome und Schwellungen am Körper." Dreimal sei die Frau in den Räumen der Gemeinschaft bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt worden – und das alles, um ihr angebliche Dämonen auszutreiben, sagte die Anklagevertreterin.

Staatsanwätlin: Drogen und körperliche Züchtigungen

Drogen wie Kokain und LSD spielten den Ermittlungen zufolge in der Gruppe eine wichtige Rolle, etwa um Mitglieder von "Parasiten" zu befreien oder vermeintliches Fehlverhalten zu erkennen. "Zu den Methoden des Angeklagten gehören hierbei auch körperliche Züchtigungen und – soweit es insbesondere Frauen betrifft – die Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen mit und von dem Angeklagten", sagte Roth.

Zahlreiche Anhänger des Angeklagten versuchten zum Prozessauftakt vergeblich in den Gerichtssaal zu gelangen. Die Mehrheit fand allerdings keinen Platz mehr. Auch die Sektenbeauftragten der katholischen und evangelischen Kirche waren bei der Verhandlung anwesend.

Verteidiger will Opfer als "Mensch mit zwei Gesichtern" zeigen

Der Angeklagte – in weißem Hemd, schwarzem Anzug und mit beerenfarbener Krawatte - sagte zu Prozessbeginn zunächst nichts. Vielmehr stellten seine Verteidiger mehrere Anträge, etwa auf die Ladung von Zeugen, die das mutmaßliche Opfer als Mensch mit zwei Gesichtern darstellen würden. So sei die Frau manipulativ und habe extreme sexuelle Gewaltfantasien. "Sie wollte den Angeklagten brechen", sagte einer der vier Anwälte des 42-Jährigen.

Eine Zeugin, bei der die mutmaßlich misshandelte Frau am Tattag war, berichtete der Großen Strafkammer, die Frau habe sehr schlimm ausgesehen. "Sie hatte ein geschwollenes Gesicht. Die Nase war blutig, der Mund war blutig." Sie habe schon vorher den Eindruck gehabt, die Studentin sei von dem Angeklagten abhängig gewesen. "Er hat sie wohl geschlagen und versucht, ihr Dämonen auszutreiben."

Sektenbeauftragter: Aussteiger berichten von stundenlangen Tribunalen

In der Wohngemeinschaft leben nach deren Angaben ein bis zwei Dutzend Menschen. Ziel sei es, Menschen auf ihrem Weg der Heilung und des Wachstums zu unterstützen. Was genau damit gemeint ist, ist unklar.

Der Sektenbeauftragte der evangelischen Landeskirche, Matthias Pöhlmann, der die WG vor ein paar Jahren besuchte und mehrfach mit ehemaligen Mitgliedern sprach, bezeichnet die Gruppe als sozial-utopische Gemeinschaft. Autoritärer Führungsstil, Gruppendruck, Verlust der Intimsphäre, stundenlange Tribunale, bei denen sich Einzelne rechtfertigen müssten – davon hätten ihm Ehemalige berichtet, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Auch der Polizei ist der Verein hinlänglich bekannt. Zeugen schilderten bei Ermittlungsverfahren nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft, dass gegenüber Gemeinschaftsmitgliedern zur Erreichung bestimmter Verhaltensweisen ein gewisser psychischer Druck aufgebaut worden sei.

Mitgliedern sei nahegelegt worden, die Gruppe zu verlassen, wenn sie sich aus Sicht der Gemeinschaft außerhalb der Gemeinschaftsregeln bewegten. "Solche Einwirkungen sind jedoch strafrechtlich nicht relevant", teilte die Behörde Ende 2021 mit. Der Prozess soll am Dienstag fortgesetzt werden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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