"Bizarrer Einschüchterungsversuch" Fotos von Neonazis: Polizei zeigt Journalisten an
Weil auf Fotos von Neonazis verbotene Symbole zu sehen sind, hat die Polizei in Eisenach Anzeige gegen einen Fotografen gestellt. Nicht nur dieser ist schockiert.
Ein Recherchenetzwerk aus Eisenach berichtet regelmäßig über Versammlungen von Neonazis und Mitgliedern der rechtsextremen Szene. Und genau deshalb ist jetzt ein Journalist von "Recherche Nord" ins Visier der Polizei geraten. Es geht um die Darstellung von verfassungsfeindlichen Symbolen.
Wie der MDR berichtet, ermittelt die Polizei in Eisenach, weil auf Fotos des Journalisten Abzeichen der Waffen-SS oder Runen zu sehen gewesen seien. Mit diesen Bildern will das Netzwerk eigentlich Straftaten der Neonazis aufdecken: Denn die Bilder zeigten unter anderem Tätowierungen der Veranstaltungsteilnehmer mit den verbotenen Symbolen.
Unter anderem seien Gäste eines Konzerts im "Flieder Volkshaus" in Eisenach abgelichtet worden, die Fotos sind auf der Webseite des Netzwerkes zu sehen. Sie haben alle Bildunterschriften, die die Fotos mit dem entsprechenden Kontext versehen.
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Grundlage der Polizeiermittlungen sollen der Verdacht von Verstößen gegen das Kunsturhebergesetz und des Verdachtes der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Das Kunsturhebergesetz regelt das Recht am eigenen Bild. Aufnahmen dürfen demnach nur mit Einverständnis der fotografierten Person veröffentlicht werden. Allerdings gibt es Ausnahmen, zum Beispiel Demonstrationen mit mehreren Personen.
Netzwerk: "Schwerer Angriff auf das Presserecht"
Nach Recherchen der "Bild"-Zeitung sei gegen den Fotografen direkt Anzeige gestellt worden. Dieser habe von einem "bizarren Einschüchterungsversuch" gesprochen. Er solle für seine Berichterstattung bestraft werden. Jetzt wolle er mit einem Anwalt die Akten einsehen. Eine Sprecherin von "Recherche Nord" sprach gegenüber dem MDR von einem "schweren Angriff auf das Presserecht, einen Angriff auf Institutionen, die den demokratischen Rechtsstaat eigentlich verteidigen, und nicht, wie in diesem Fall, weiter aushöhlen sollten".
Ein Sprecher der Organisation "Reporter ohne Grenzen" sagte dem Sender, Fotojournalisten hätten das Recht, verbotene Symbole abzufotografieren, wenn diese in Zusammenhang mit der Berichterstattung stehen. Man dürfe diese auch zeigen, wenn dies der Aufklärung oder Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen diene. Eine Anfrage des MDR ans Innenministerium wurde an die Thüringer Landespolizeidirektion weitergeleitet.
Eisenacher Immobilie ist bekannter Treffpunkt von Rechtsextremen
In den Fotostrecken des Netzwerkes war die Polizei dafür kritisiert worden, dass diese Straftaten von Teilnehmenden vor Ort am "Flieder Volkshaus" nicht ausreichend erfasst habe. Dieses ist ein bekannter Treffpunkt der Neonaziszene, es finden darin Konzerte statt, eine rechtsextreme Schlägertruppe soll dort trainiert haben. Auf der Plattform X schrieb das Netzwerk, dass man bereits im Juli 2023 seitens der Polizeidirektion eine Warnung erhalten habe, dass man "Mittel und Wege" finden würde, die kritische Berichterstattung zu erschweren.
Die Immobilie ist laut MDR als gefährlicher Ort, was Straftaten angeht, eingestuft worden, damit hat die Polizei eine Handhabe, ohne Anlass Personenkontrollen vorzunehmen. Nach Angaben des MDR seien auch gegen fotografierte Personen Strafanzeigen gestellt worden. Man habe im Juli 2023 sogar Bilder der Journalisten verwendet, um solche Anzeigen zu formulieren, teilte die Landespolizeidirektion Gotha dem Sender mit.
Das Netzwerk "Recherche Nord" berichtet seit Jahren über Rechtsextremismus in Deutschland, sein Material wurde immer wieder von bundesweiten Zeitungen und öffentlich-rechtlichen Sendern verwendet.
- mdr.de: "Eisenacher Polizei geht gegen Journalisten vor"
- bild.de: "Polizei zeigt Neonazi-Jäger an"