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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sturm auf den Bundestag So ausgefeilt waren die Pläne der Terrorgruppe schon
Bewaffnet den Bundestag stürmen: Zum Plan der Reichsbürgergruppe um Prinz Reuß gibt es neue Details. Auch der Tod von Queen Elizabeth II. spielte eine Rolle.
Bei den Ermittlungen gegen die mutmaßliche Terroristengruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß geht es immer wieder um den geplanten Sturm auf den Reichstag. Beschlüsse des Bundesgerichtshofs geben jetzt Einblicke: Es waren schon konkrete Vorbereitungen getroffen worden.
Die Anfänge: Spätestens bei einem Treffen am 25. November 2021 habe der frühere KSK-Oberst Maximilian Eder gemeinsam mit dem einstigen Fallschirmjägeroffizier Peter W. drei weitere Beschuldigte über ihre Pläne zur bewaffneten Erstürmung des Bundestags informiert, heißt es im Beschluss. Bei den weiteren Beteiligten handelt es sich den Ermittlungen zufolge um den ehemaligen Kommandeur einer Eliteeinheit, Rüdiger von P., den Polizisten Michael Fritsch und eine weitere Person, die im Beschluss als R. bezeichnet wird. Es gibt mehrere Beschuldigte mit diesem Nachnamen, aber als Rädelsführer wird Heinrich XIII. Prinz Reuß genannt. Die Teilnehmer des Treffens hätten sich die Pläne nicht nur zu eigen gemacht, sondern auch in Zukunft gefördert, heißt es. Reuß soll Eder 50.000 Euro für den Aufbau der Struktur gegeben haben.
Der Kundschafter: Der ehemalige Fallschirmjägeroffizier, Einzelkämpfer und Überlebenstrainer Peter W. hat nach den Erkenntnissen der Ermittler in Berlin gezielt Aufnahmen im Umfeld des Bundestages und auch am Sitz des Bundespräsidenten gemacht. Er dokumentierte demnach Absperrungen im Bereich des Paul-Löbe-Hauses und fotografierte im U-Bahnhof Bundestag. W. soll sich aber auch unter anderem Hunderte Schuss Munition, sechs Gewehrmagazine, Nachtsichtgeräte, Fesselungsmaterial, weitere militärische Ausrüstungsgegenstände und einen Totschläger beschafft haben. Eine Durchsuchung bei Peter W. brachte die Ermittler auf die Spur des Komplotts. Er wurde eigentlich nur als möglicher Zeuge bei Ermittlungen gegen eine Gruppe durchsucht, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen wollte und demnächst in Koblenz vor Gericht steht. Dabei stießen die Ermittler auf das Netzwerk mit Eder und Reuß.
Die Insiderin: In einer neuen Regierung nach dem geplanten Putsch war die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann als Justizministerin vorgesehen. Den Ermittlungen zufolge soll sie verschiedenen Mitgliedern der mutmaßlichen Terrorgruppe die Anwesenheitszeiten von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern erklärt haben. Offenbar hatte sie auch die Idee, gemeinsam mit Rüdiger von P., dem Anführer des militärischen Arms der Gruppe, den Bundestag zu betreten.
Die Ideengeber: Maximilian Eder, der als zunehmend radikaler Redner bei Demonstrationen der "Querdenker"-Szene auffiel, hatte als ehemaliger hoher Offizier beim Aufbau des Kommandos Spezialkräfte diverse Kontakte und sprach schon früh davon, in Berlin aufzuräumen. Eder machte öffentlich auch auf sich aufmerksam, als er nach dem Hochwasser im Ahrtal einen Befehl zur Aufstellung eines "Hilfskommandos" aus Reservisten erließ. Dessen Stabschef sollte Peter W. sein. Eder erhielt dem Beschluss des Bundesgerichtshofs zufolge von Heinrich XIII. Prinz Reuß 50.000 Euro für den weiteren Ausbau des militärischen Arms.
Der militärische Chef: Während anfangs offenbar Eder die führende Rolle im militärischen Arm spielte, gewann Rüdiger von P. im Lauf der Zeit immer mehr an Bedeutung: Der ehemalige Kommandant eines Fallschirmjägerbataillons der "Regierung" gehörte den Ermittlungen zufolge der "Regierung" an, die sich als "Rat" mit Reuß an der Spitze regelmäßig traf und mit dem Putsch die Macht übernehmen sollte. Er war somit das Bindeglied zum militärischen Arm, den er auch leitete.
Die Konsequenzen: Eder und W. schlugen den Ermittlungen zufolge die Erstürmung des Bundestags mit bis zu 16 Elitekräften vor. Im Beschluss des Bundesgerichtshofs heißt es: "Alle (...) involvierten Mitglieder wussten, dass dieses Unternehmen nur durch Anwendung von Waffengewalt gegen die Polizei und Sicherheitskräfte des Deutschen Bundestages durchgeführt werden könne. Sie rechneten daher auch mit der Tötung von Personen und nahmen dies billigend in Kauf."
Der Termin: Aus den Ermittlungsakten geht kein konkreter Termin hervor. Ein möglicher Grund: Die Gruppe wollte, wie es im Beschluss heißt, "nach dem Angriff durch eine 'Allianz' die noch verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates bekämpfen" und eine staatliche Verwaltung aufbauen. Nach Überzeugung von etlichen Mitgliedern der Gruppe besteht diese verbündete "Allianz" aus Außeriridischen. Auf deren Großangriff mit überlegener Technologie hätte die Gruppe noch lange warten müssen. Sie setzte aber auch auf "Seher", die mit der Allianz in Kontakt stehen sollten.
Es gab auch intern Streit darüber, was das Startsignal der Allianz sein könnte. Spekuliert wurde über Naturkatastrophen, Börsencrash oder einen elektromagnetischen Impuls durch Wladimir Putin. In der Gruppe habe es aber auch Stimmen gegeben, die den Tod von Queen Elizabeth II. bereits als Startsignal ansahen. Die Ermittler gehen deshalb davon aus, dass es jederzeit hätte losgehen können. "Es mehrten sich zudem Anzeichen dafür, dass der Handlungsdruck innerhalb der Gruppierung immer weiter anstieg." Auch wenn das Gedankengut "teilweise fernliegend" gewesen sei, sei die Gefährlichkeit der Vereinigung gegeben gewesen. Eder hatte in einem Video unmittelbar vor der Razzia am 7. Dezember 2022 gesagt, es könne noch vor Weihnachten losgehen.
Die Quelle der Informationen: Gegen die Beschlüsse des Ermittlungsrichters haben einige der Beschuldigten, aber auch unverdächtige Dritte, bei denen Durchsuchungen stattgefunden haben, Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt. Der Bundesgerichtshof hat darüber zu entscheiden und seine Entscheidung zu begründen. Die Beschlüsse werden veröffentlicht. Damit gibt das Gericht teilweise Einblick in das, was die Ermittlungen an belastenden Material ergeben haben. Ein Teil der Informationen aus zwei neuen Beschlüssen war bereits bekannt. Ein Beschluss geht auf die Beschwerde eines Mannes zurück, dessen Wohnung offenbar irrtümlich durchsucht worden war.
- bundesgerichtshof.de: Beschluss StB 58/22
- bundesgerichsthof.de: Beschluss StB 11/23