Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Rechtsextreme "Graue Wölfe" Verbietet sie, bevor jemand stirbt
Beim EM-Sieg der Türkei gegen Österreich zeigte der Spieler des Spiels den Wolfsgruß. Er ist das Erkennungszeichen der größten rechtsextremen Organisation in Deutschland – und sollte verboten werden.
Im Schatten des inländischen rechtsextremen Terrorismus existiert eine Bewegung türkischer Nationalisten, die hierzulande immer größer wird. Mittlerweile sind die rechtsextremen "Grauen Wölfe" – in Selbstbezeichnung auch "Ülkücü"-Bewegung – die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland, schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Besondere Aufmerksamkeit bekam die Ülkücü-Bewegung am Dienstagabend – ausgerechnet während des EM-Achtelfinalspiels zwischen der Türkei und Österreich. Nach seinem Führungstor zum 2:1 für die Türkei stellt sich der türkische Verteidiger Merih Demiral auf das Spielfeld und reckte beide Arme zum Wolfsgruß empor – die Geste ist das Erkennungszeichen der Ülkücü-Bewegung.
Es ist der Jahrestag eines Massakers
Ihr gehören schätzungsweise mehr als 12.000 Menschen an. Ihre Gegner sind primär Kurdinnen und Kurden – ihr bevorzugtes Mittel ist Gewalt und Einschüchterung. Besonders pikant ist der Zeitpunkt von Demirals Geste. Denn am 2. Juli 1993, also genau 31 Jahre vor Demirals Torjubel, töteten Ülkücü-Anhänger in der türkischen Stadt Sivas 35 Angehörige der religiösen Minderheit der Aleviten. Die Täter zeigten während dem auf den Pogrom folgenden Gerichtsprozess mehrfach den Wolfsgruß, mit dem Demiral am Dienstagabend sein Tor gegen Österreich feierte.
Und auch heute noch geht Gefahr von den rechtsextremen Grauen Wölfen aus. Im März kam es in Belgien zu Menschenjagden und von "Ülkücü"-Anhängern aufgebauten Straßensperren. Die Extremisten verletzten sechs Kurden schwer, ein Haus wurde beinahe in Brand gesetzt – die dort lebende Familie konnte sich gerade noch retten.
Angesichts dieser Bedrohung, ist nicht nur erstaunlich, sondern fahrlässig, dass der Gefahr, die von rechtsextremen Türken ausgeht, bislang kaum etwas entgegengesetzt wird.
Der Wolfsgruß gehört zum Alltag auf Demonstrationen
Schon im Jahr 2020 gab es einen fraktionsübergreifenden Antrag von der Union, der SPD, den Grünen und der FDP, in dem die Fraktionen forderten, "gegen die Vereine der 'Ülkücü'-Bewegung Organisationsverbote zu prüfen". Seitdem ist hinsichtlich eines Verbots wenig passiert – dafür sind die "Grauen Wölfe" immer präsenter.
Auf vielen Demonstrationen, an denen sich türkische Verbände beteiligen, gehören Wolfsgrüße, das Erkennungszeichen der Bewegung, mittlerweile zum Alltag. Als Gegner markieren die "Grauen Wölfe" dabei alles, was ihren Plänen eines großtürkischen Reichs entgegensteht.
Kurdinnen und Armenier haben Angst
Angehörige der kurdischen und armenischen Minderheiten in Deutschland haben Angst vor Übergriffen. Diese Angst äußern sie in den sozialen Netzwerken. Dass diese Angst berechtigt ist, muss spätestens seit 2016 allen klar sein.
Damals hatte der Bundestag eine Resolution zum Völkermord an den Armenierinnen und Armeniern beschlossen. Mitglieder der "Ülkücü"-Bewegung bedrohten deren Befürworter – etwa ein Dutzend Bundestagsabgeordnete wurden damals unter Polizeischutz gestellt.
Gewalt üben die "Grauen Wölfe" dabei besonders gerne in den sozialen Medien aus. Über anonyme Accounts verschicken sie Morddrohungen an Kurdinnen und Kurden, an Armenierinnen und Armenier, aber auch an Menschen, die sich mit den genannten Minderheiten solidarisieren. Online-Anzeigen bei der Polizei laufen dabei oft ins Leere.
Gewalt ist die ideologische Grundlage der "Grauen Wölfe"
Die Gewalt ist keine Ausnahme innerhalb der Bewegung, sondern deren ideologische Grundlage. In der 1933 vom "Ülkücü"-Vordenker Nihâl Atsız veröffentlichten Schrift "Der Marsch nach Çanakkale" stellt der Autor die Frage, ob ein Türke ohne Krieg auskommen könnte – und antwortet selbst, indem er sagt, dass Krieg und Kampf die Basis des Lebens seien.
Längst findet die Ideologie der "Ülkücü"-Bewegung auch in den Moscheen des türkischen Verbandes Ditib Anklang. Der deutsche Staat sollte daher nicht länger zögern, sondern seinem Selbstanspruch, eine wehrhafte Demokratie zu sein, endlich gerecht werden: Er sollte die "Grauen Wölfe" und die mit ihnen verbandelten Organisationen verbieten. Er muss sich gegen Rechtsextremisten – egal, welcher Nationalität – zur Wehr setzen.
- Eigene Beobachtungen
- verfassungschutz.de: "Türkischer Rechtsextremismus – Die "Grauen Wölfe" in Deutschland"