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Berlin baut Corona-Krankenhaus: Im blauen Bereich will keiner landen


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Notfallzentrum auf Messegelände
Im blauen Bereich der Covid-19-Klinik will niemand landen


Aktualisiert am 24.04.2020Lesedauer: 5 Min.
Im Behandlungszentrum auf der Messe Berlin: Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) sitzt auf einem der Krankenhausbetten, links neben ihr steht SPD-Fraktionschef Raed Saleh.Vergrößern des Bildes
Im Behandlungszentrum auf der Messe Berlin: Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) sitzt auf einem der Krankenhausbetten, links neben ihr steht SPD-Fraktionschef Raed Saleh. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)

Wie wird sich die Corona-Pandemie in Deutschland weiterentwickeln? Steht das Schlimmste vielleicht noch bevor? Berlin hat für den Ernstfall vorgesorgt – und ein ganzes Krankenhaus aus dem Boden gestampft.

Es gibt einen grünen und einen blauen Bereich. Dort, wo der Boden grün ist, werden Corona-Patienten mit weniger schlimmen Krankheitsverläufen betreut. Der blaue Boden macht klar: Hier liegen die ernsten Fälle, hier stehen die Beatmungsgeräte. Hier werden Patienten, die das heimtückische Virus besonders hart getroffen hat, sediert und über einen Tubus in der Luftröhre beatmet – wenn das provisorische Corona-Krankenhaus auf dem Messegelände in Berlin überhaupt gebraucht wird.

Wenn die Krankenhäuser an ihr Limit kommen

Für den Fall, dass die Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen gelangen, hat die Hauptstadt auf dem zurzeit verwaisten Messegelände ein Corona-Behandlungszentrum geplant. In den kommenden zwei Wochen ist die Fertigstellung geplant. Zunächst soll für knapp 500 Patienten Platz sein, etwa 130 Beatmungsgeräte stehen bereit. Grundsätzlich soll das Projekt auf über 800 Betten wachsen.

"Das ist kein Lazarett, das ist ein Krankenhaus", betont die zuständige Senatorin Dilek Kalayci bei einem Rundgang durch die Messehalle 26, in der das ambitionierte Vorhaben zuhause ist. Sie führt durch die Gänge, begleitet von weiteren Verantwortlichen. Den Stolz auf dieses Vorzeigeprojekt kann sie nicht verbergen – und sie will es auch nicht. "Das hier könnte für zukünftige Pandemien als international adaptierbares Modell dienen", sagt sie und blickt sich um.

Berlins Gesundheitssenatorin ist stolz auf ihr Projekt

Als sie diese Worte am Freitagvormittag spricht, steht sie zwischen der Messehalle und einem Trakt aus gestapelten, nigelnagelneuen Containern für das medizinische Personal. Dieses werde in dem Messe-Krankenhaus einen harten Job machen und bräuchte einen Rückzugsort. Denn der Bereich mit den Patienten, die riesige Messehalle, gilt als Infektionsbereich. Dort darf sich nur bewegen, wer Schutzkleidung trägt. Pause machen, Besprechungen abhalten und sich umziehen, das sollen die Ärzte, Pfleger und Helfer in dem eigens für sie geschaffenen Bereich.

Von beengten Verhältnissen soll keine Rede sein. Die Stadt Berlin hat sich frühzeitig zu diesem Projekt entschlossen, konnte deshalb noch ausreichend Container ergattern, sagt Kalayci. Diese können in Modulbauweise aufeinander gesetzt, Wände herausgetrennt werden, sodass großzügige Bereiche entstehen.

Großzügig wirkt – so ganz ohne Patienten, medizinisches Personal und Hektik – auch die umgebaute Messehalle nebenan. An der Decke hängt Veranstaltungstechnik, die aus den TV-Studios in Adlershof stammen soll. "Eigentlich war die wohl für Mario Barth gedacht", verrät die Senatorin. Und tatsächlich: In Halle 26 der Berliner Messe sieht es aus, als würde dort eine Krankenhaus-Telenovela gedreht. Dieses Prinzip hat einen entscheidenden Vorteil: Die Strom- und Sauerstoffversorgung kann durch die Träger und die Bauweise über die Decke erfolgen. Es mussten keine Kabel und Schläuche umständlich unter dem Boden verlegt werden. "Das hat uns extrem viel Zeitersparnis eingebracht", verrät der Bauleiter.

Das Messe-Krankenhaus besteht aus "Clustern"

Das Krankenhaus ist ebenso wie der Container-Aufenthaltsbereich modular angelegt. Durch weiße Messebauwände voneinander abgegrenzt, besteht es aus sogenannten Clustern – oder einfacher: "Bereichen". Im grünen Bereich, in dem die Fälle behandelt werden sollen, die keine intensivmedizinische Betreuung in den festen Krankenhäusern mehr brauchen, besteht ein Cluster aus 24 Betten. "Wir haben hier hochmoderne Krankenhausbetten", sagt Kalayci und zeigt auf zwei Pflegebetten, deren Matratzen noch in Plastikhüllen eingeschweißt sind. "Wir haben noch viel mehr davon, die lagern bisher in einer Kaserne", ergänzt Andrea Grebe, Vorsitzende der Geschäftsführung der Vivantes-Kliniken. Ihr Unternehmen wird das Corona-Krankenhaus betreiben.

Hinter den Betten stehen sogenannte Versorgungsmodule. Zu sehen sind mehrere Anschlüsse für Schläuche, Stromanschlüsse sowie ein USB-Anschluss. Wozu das? "Die Messe als Standort bietet viele Vorteile. Unter anderem gibt es hier fast überall WLAN. Das dürfen auch die Patienten nutzen, an den USB-Steckdosen können sie ihre Handys laden."

Die Messehalle wird zum riesigen Infektionsbereich

Und Handys werden für die Patienten, die vielleicht im Berliner Messe-Krankenhaus versorgt werden müssen, wichtig sein. "Die gesamte Halle ist ein großer Infektionsbereich. Hier darf niemand rein außer des medizinischen Personals", betont Wulf Pankow. Der Lungenspezialist wird die Klinik leiten. Eigens dafür kam er zurück aus dem Ruhestand.

Außerhalb der Halle wird es ein Informationszentrum für Angehörige geben, um Informationen und in gewisser Weise Kontakt zu den Patienten zu bekommen. Auch für Seelsorger soll gesorgt werden. "Wir machen nur eine Ausnahme: Es wird einen kleinen Palliativ-Bereich geben, in den auch Angehörige dürfen", verrät Pankow. Die Patienten, die das Coronavirus nicht überleben werden, müssen also nicht allein sein. Das ist dem Planungsteam wichtig.

Jeder dankt jedem, alle reden von Solidarität

Solidarität und Dankbarkeit, darüber wird am Freitagvormittag viel gesprochen. Auch vor den verpackten Matratzen. Da dankt die Senatorin dem Parlament, die Projektleiterin den Betreibern, die Klinik-Chefin dem leitenden Arzt. Jeder dankt jedem. Unter normalen Umständen würde das wohl abgeschmackt wirken, doch hier glaubt man den Beteiligten. In wenigen Wochen haben sie gemeinsam, mit viel Hilfe von Außen, Beeindruckendes geschafft. Das zeigt sich, als der Rundgang fortgesetzt wird.

Ein Bereich mit grauem Fußboden markiert die Zone, in der die neuen Patienten eintreffen. Dort werden sie begutachtet und dann aufgenommen. In einem kleinen Raum, der – wie alles hier – nur von Messebauwänden begrenzt wird – findet sich ein betoniertes "T" auf dem Boden. In den kommenden Tagen wird dort ein tonnenschweres neues CT-Gerät aufgebaut. "Das ist extrem wichtig für die Untersuchung der Patienten", betont Vivantes-Chefin Grebe. Die Senatorin ergänzt: "Auch hier haben wir Glück, dass wir so schnell gehandelt haben. Wir haben das medizinische Gerät, das wir brauchen, noch bestellen können."

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Im blauen Bereich will niemand landen

Weiter geht es in den blauen Bereich. Er sieht ebenso freundlich aus wie der grüne zuvor. Doch hier möchte wirklich niemand landen. Der Bereich ist den Patienten mit schweren Verläufen vorbehalten, bei denen die Lunge ob des Virusbefalls nicht mehr von alleine arbeitet, und sie deshalb beatmet werden müssen. Hier stehen in jedem Cluster nur 16 Betten. Denn die Beatmungsgeräte und die Monitore brauchen Platz. Hier ist auch der Personalschlüssel höher. Denn diese Patienten brauchen die höchste Aufmerksamkeit.

100 Ärzte sollen in dem Corona-Krankenhaus arbeiten, sie erhalten Abrufverträge. Denn noch weiß niemand, ob und wann dieses Behandlungszentrum gebraucht wird. Kommt es zur Vollauslastung, werden etwa 1.000 Stellen gebraucht. Davon etwa 250 Pflegekräfte, genauso viele Helfer wie Sanitäter und Pflegehelfer und etwa 400 weitere Stellen für Logistik und Versorgung. "Wir haben eine gute Resonanz. Nur Pfleger zu finden, ist immer so eine Sache", sagt die Vivantes-Chefin. Deshalb kriegen die auch unbefristete Vollverträge und werden auch nach der Corona-Krise weiter beschäftigt.

Fast alles soll auch nach der Krise verwendet werden

Generell wird bei dem Projekt auf Nachhaltigkeit geachtet. Viele Elemente sind gemietet, andere können danach ohne Probleme in den Vivantes-Kliniken zum Einsatz kommen. Nur der Boden wird nach der Krise, wenn auf dem Gelände wieder Messen stattfinden, entsorgt. Aber der musste sein. "Die Mitarbeiter werden hier am Tag viele Kilometer laufen, sie schieben Betten und Gerät. Wenn der Boden nicht vernünftig ist, werden sie es spüren", sagt der Bauleiter.

Niemand weiß heute, ob und in welchem Umfang all das je zum Einsatz kommt. Auf die Messe kommen Patienten erst dann, wenn die festen Krankenhäuser keinen Platz mehr haben. Es ist immer der Anspruch, Menschen erst dort zu behandeln. Das Behandlungszentrum sei zwar medizinisch top ausgestattet, sei aber nur eine Ersatzeinrichtung.

Zurzeit ist die Lage in Berlins Krankenhäusern entspannt. "Jetzt gab es Lockerungen, die Infektionszahlen könnten wieder steigen", sagt Kalayci. Man müsse aber nicht nur im kleinen Rahmen denken. In Berlin könnten bei Bedarf auch Patienten aus anderen Bundesländern oder gar anderen Staaten behandelt werden. "Solidarität", betont die Senatorin.

Oben im Video sehen Sie die Aufnahmen aus dem Berliner Behelfskrankenhaus sowie die Stellungnahme der zuständigen Senatorin, oder Sie klicken hier.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche vor Ort
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