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Zum journalistischen Leitbild von t-online.TV-Kritik zu "Anne Will" "Die Kirche steckt in einer Jahrtausendkrise"
Keine konkreten Ergebnisse, kein Dialog mit Opfern und dazu unglückliche Äußerungen: Die Gäste bei "Anne Will" zerrissen den Krisengipfel der Kirche zum Thema Missbrauch in der Luft. Ein Bischof ließ sich sogar zu einer Kritik am Papst hinreißen.
Die Gäste:
- Bischof Stephan Ackermann, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes
- Johannes-Wilhelm Rörig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung
- Agnes Wich, Sozialpädagogin und Betroffene von sexualisierter Gewalt durch einen katholischen Priester
- Matthias Katsch, Sprecher der Betroffenenorganisation "Eckiger Tisch"
- Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der "Süddeutschen Zeitung"
Die Fronten:
Schnell war klar: Bischof Ackermann hatte in der Runde keinen guten Stand. Wenig überraschend, denn der Krisengipfel im Vatikan zum Thema Missbrauch brachte keine konkreten Neuerungen. So sehen es viele Medien, so sah es die Mehrzahl der Gäste. Heribert Prantl sprach gar von einer "Jahrtausendkrise" der katholischen Kirche: "Um da rauszukommen, braucht man Jahrtausendreformen." Die Rede des Papstes nannte Prantl eine "Ansammlung von Selbstverständlichkeiten", etwa, dass man sich der Justiz stelle.
In seiner Zeit als Staatsanwalt habe er selbst erlebt, wie Generalvikare angeboten hätten, Straftäter aus den eigenen Reihen "im Kloster zu verwahren" – um gleichzeitig die Einstellung des Verfahrens zu fordern. Prantl forderte volle Transparenz: "Ich wünsche mir eine Öffnung der Archive der Kirche." Auch der Betroffene Matthias Katsch zeigte sich enttäuscht von Papst Franziskus. Nötig seien neue Regeln der Kirche für den Schutz von Kindern, für die Aufarbeitung von Taten und Entschädigung der Opfer. "Nichts davon ist in dieser Woche geschehen."
Bischof Ackermann hätte To-do-Liste erwartet
Glaubt man Ackermann, gibt es "klare Regeln und Normen" in diesem Bereich. Diese seien auch vom Papst verschärft worden. Dennoch hätte der Gipfel aus seiner Sicht mehr bringen können, gab der Bischof auf Nachfrage zu. Er sei zwar zufrieden damit, dass das Thema Missbrauch so offen diskutiert worden sei. Aber: "Eine To-do-Liste, das hätte ich erwartet."
Auch in Deutschland sieht der Bischof jedoch "noch keine echte Aufarbeitung". Auch das viel beachtete von der Bischofskonferenz beauftragte Forschungsprojekt könne diese nicht leisten. Dem Vorwurf Prantls, die Wissenschaftler hätten nicht selbst in die Kirchen-Archive schauen dürfen, hielt er datenschutzrechtliche Fragen entgegen.
Ackermanns Tenor: Vieles sei bisher schiefgelaufen, die Kirche gehe das Problem aber an. Jedoch sei die Kirche als große Institution auch nicht die schnellste Reformerin. Sogar zu einer leisen Kritik am Papst ließ er sich hinreißen. Ein Treffen zwischen Franziskus und den Opfervereinigungen wäre vielleicht gut gewesen, sagte Ackermann. Er finde zwar nicht, der Papst habe in seiner Abschlussrede in Rom das Problem Missbrauch relativiert, indem er von einem gesamtgesellschaftlichen Problem gesprochen habe. "Aber es ist immer besser, wenn das andere sagen und nicht wenn es der Papst sagt."
Katsch sprach von einer verpassten Chance. "1985 war der erste große Missbrauchsskandal in den USA. Wir sind also schon 30 Jahre am Diskutieren." Von einem Bischof auf der Konferenz sei sogar zu hören gewesen, dass man die Täter nicht alle entlassen könne – es seien ja gute Priester darunter.
Der Aufreger des Abends:
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Wie reformfähig ist die Kirche? In dieser Frage gingen die Meinungen deutlich auseinander. Für Katsch ist die Verteilung von Macht das zentrale Problem. "Wissenschaftler haben der Kirche ins Stammbuch geschrieben, dass der zentrale Risikofaktor das Machtproblem ist." Diese Macht der Kirche nach innen wie nach außen ermögliche die Vertuschung erst. "In vielen Ländern der Welt gibt es eine Zurückhaltung gegenüber der Kirche, das hat jahrhundertelange Tradition."
Geht es nach Prantl, müsste sich der Vatikan auch der Diskussion um das Zölibat stellen, um das endemische Missbrauchs-Problem zu lösen. "Eigentlich müsste ein Aufstand passieren. Dass seit 2.000 Jahren Frauen von Machtpositionen ferngehalten werden, schadet der Kirche." Ob Frauen das Priesteramt innehaben dürfen, war für Ackermann "eine theologische Frage". Hier gebe es klare lehramtliche Aussagen. "Es gibt aber viele Positionen, auch in meinem Bistum, wo Frauen wesentliche Verantwortung tragen, auch im Kabinett."
Für die Betroffene Agnes wich könnte der Reformwillen der Kirche in dieser Hinsicht ebenfalls größer sein. Jedoch lobte sie das Engagement vieler Menschen innerhalb der Kirche, die sich etwa für Prävention sexueller Gewalt einsetzten. Immerhin jedoch sei "dieser Papst der erste Papst, der sich dem Thema weitgehend stellt". Prantl setzte sich dafür ein, den Druck auf die Kirche zu erhöhen. "Ich hätte nichts gegen einen neuen Straftatbestand: Vertuschung von Sexualstraftaten."
Der Faktencheck:
Hat der Krisengipfel in Rom wirklich nichts Konkretes erbracht? Schließlich legte der Papst einen 21-Punkte-Plan zur besseren Bekämpfung und Aufklärung von Missbrauch vor. Franziskus fordert darin etwa, dass Priester ihr Amt nicht mehr ausüben dürfen, die sich schuldig gemacht haben. Eine konkrete Regelung, dass dies auch so passiert, enthält der Plan allerdings nicht.
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In diesem Punkt gibt es scheinbar erhebliche Widerstände innerhalb der Kirche. Nur in einem Fall soll das Kirchenrecht verschärft werden: Der Besitz von Kinderpornos mit Opfern über 14 Jahren soll künftig strenger bestraft werden.