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Kachelmanns Donnerwetter: Feinstaub aus Holzöfen – die gemütlichen Dementoren


Kachelmanns Donnerwetter
Feinstaub aus Holzöfen – die gemütlichen Dementoren

MeinungEine Kolumne von Jörg Kachelmann

25.10.2018Lesedauer: 6 Min.
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Feinripp statt Feinstaub: Demonstranten fordern bei einer Kundgebung in Berlin Maßnahmen für bessere Luftqualität.Vergrößern des Bildes
Feinripp statt Feinstaub: Demonstranten fordern bei einer Kundgebung in Berlin Maßnahmen für bessere Luftqualität. (Quelle: imago-images-bilder)

Die gesundheitlichen Gefahren der Holzverfeuerung sind seit Langem bekannt. Dennoch wird der Holzofen-Boom sogar noch staatlich gefördert – mit katastrophalen Folgen. | Von Jörg Kachelmann

Früher hatten arme Menschen die dreckigste Luft, heute ist das umgekehrt. In vielen Wohngegenden hat der Holzofen-Boom eine katastrophale Feinstaubbelastung gebracht. Die gesundheitlichen Folgen sind unabsehbar und im Vergleich dazu sind die lustigen Diskussionen um Stickoxid-Grenzwerte und den Diesel eine Bagatelle. Das Experiment mit der Gesundheit von zig Millionen Deutschen wird durch Steuergelder gefördert, obwohl die Folgen des Feinstaub-Booms bekannt und furchtbar sind.

Es war eine Errungenschaft der Zivilisation, als offene Feuer abgeschafft und durch moderne Zentralheizungen ersetzt wurden. Vor einigen Jahrzehnten war noch bekannt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Feinstaub aus Holz- und Kohlefeuerungen und gesundheitlichen Problemen aller Art bis zur Demenz gibt.

Diese Zusammenhänge wurden kürzlich in Schweden erneut untersucht und bestätigt. Feinstaub aus Holzverfeuerung (und Autoverkehr) kann dement machen und es gibt weltweit diverse Studien, die diesen Zusammenhang bestätigen. Auch deswegen gingen früher die Armen-Wohngegenden mit schlechteren Heizmöglichkeiten generell mit tieferen Lebenserwartungen einher.

Feinstaubbelastung: Wahrheit und Lüge

Bei uns hört man üblicherweise, dass die Feinstaubwerte in den letzten Jahren gesunken seien. Das ist einerseits wahr, andererseits eine dreiste Lüge. Der wahre Teil besteht aus der Tatsache, dass fast alle Luftmessstationen in der Nähe von extremen Straßen- oder Industriestandorten stehen. Beide Feinstaubproduzenten haben ihren Feinstaubausstoß signifikant vermindert.

Wie bei den Stickoxid-Werten (Stichwort Diesel) spielen allerdings diese Messstandorte für die Lebenswirklichkeit fast aller Menschen keine Rolle, weil die hohen Messwerte einzig Folge des extrem verkehrsnahen Standorts der Messstellen sind. Bereits in etwas zurückversetzten Häusern sind die Belastungen deutlich geringer. Zudem finden die höchsten Verschmutzungswerte nicht zu Zeiten statt, in denen die Menschen besonders vulnerabel sind (nächtlicher Schlaf, geöffnete Fenster). Niemand hält sich stundenlang an einer Straßenkreuzung oder eben am Neckartor in Stuttgart auf.

Wo Messstationen stehen in einer Stadt, ist bisher vollkommen willkürlich. Deswegen ist auch völlig willkürlich, welche Städte mit einem Diesel-Fahrverbot belegt werden oder nicht. Die Auswahl beruht in keiner Form darauf, dass die eine Stadt dreckiger ist als die andere, sondern dass die eine Messstelle in Stadt 1 ungünstiger aufgestellt ist als die andere Messstelle in Stadt 2.

Diskussion um Stickoxide lenkt ab

Aufgrund der relativ geringen Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte und aufgrund der Tatsache, dass diese nur an Extremstandorten gemessen werden, lässt sich schließen, dass kein Mensch in diesen Städten eine Überschreitung des NO2-Grenzwerts erlebt, weil er sich weitestgehend nicht an der Messstelle aufhält und Anwohner sich dann in der Nähe des Messorts befinden, wenn die Belastung besonders gering ist in den Episoden geringen Straßenverkehrs (abends/nachts).

Die Diskussion um die Stickoxide und den Diesel ist vor allem vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine möglichst große Ablenkung vom eigentlichen, drängenden und vor allem sich rapide verschlimmernden Problem für die Gesundheit von Menschen in Deutschland erreicht werden soll: die extrem ansteigenden Feinstaubwerte durch die Holzverbrennung. Wie die beiden oben zitierten Studien zeigen, sind die Folgen für die Gesundheit der Menschen vielfältig katastrophal.

Noch vor wenigen Jahren war das Verbrennen von Holz vor allem ärmeren Menschen und landwirtschaftlichen Siedlungen vorbehalten und gesamthaft von geringer Zahl. Das hat sich sehr verändert, die Zahl der Holzfeuerstellen hat sich inzwischen vervielfacht. Vor allem der gehobene Mittelstand hat das Verbrennen von Holz als Lifestyle-Gadget entdeckt und erzeugt dadurch Feinstaub-Immissionen in seit vielen Jahren nicht gekannter Rekordhöhe.

Meistens zeigen nur private Messungen die real existierende Katastrophe durch den Holzofen-Boom, weil die offiziellen Messstationen fast nie dort stehen, wo früher die Luft immer sauber war, aber heute Brennpunkte des Feinstaubelends sind. Für Menschen in diesen Gebieten ist der Holzfeuergeruch (oft zusätzlich mit hochgiftigen Gasen aus verbranntem Müll angereichert) ein Marker für sehr hohe Feinstaubwerte. Riecht es, dann herrschen deutlich grenzwertüberschreitende Feinstaubwerte.

Messwerte verschleiern tatsächliches Ausmaß

Der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub PM10 pro Kubikmeter Luft als 24-Stunden-Mittel ist nicht mehr geeignet, die Menschen zu schützen, weil vor allem Freitag- und Samstagabend/nacht in Wohngebieten Extremwerte von Hunderten Mikrogramm erreicht werden, die zu den oben zitierten Gesundheitsgefahren führen. Diese Extremwerte werden tagsüber bei Abwesenheit der Holzverfeuerer auf ein niedriges Niveau runtergemittelt und fälschlich dem Verkehr zugerechnet.

Manche Landesregierungen haben ihre Umweltämter angewiesen, nicht mehr die Stundenwerte beim Feinstaub zu zeigen, sondern nur noch das gleitende 24-Stunden-Mittel, das verschleiert, was die Ursache für die hohen Feinstaubwerte ist und wie extrem hoch die Stundenwerte abends und nachts sind – wenn Leute genau am Ort der extremen Werte viele Stunden verweilen, auch Kinder, Alte, Asthmatiker und schlafend bei geöffnetem Fenster den Extremwerten ausgesetzt sind.

Es gibt nur wenige Messstunden, die die Holzofen-Feinstaubkatastrophe abbilden, weil wie erwähnt kaum in klassischen Wohngebieten gemessen wird. Es reicht allerdings ein Kaminofen im weiteren Umfeld einer Messstation und viele im weiteren Umfeld, um Grenzwertüberschreitungen hinzubekommen, wie das Beispiel von Konstanz vom vergangenen Wochenende zeigt:

Die hohe Grundbelastung über dem Grenzwert wie die extremen Peaks stammen alle aus Holzöfen – die Messstation steht an einer Straße, in der nahen Umgebung gibt es nicht viele Holzöfen, aber die riesige Zahl von Holzöfen in den weiter entfernten Einfamilienhausquartieren hat ganz Konstanz eingestaubt. Die extremen Peaks sind Anfeuervorgänge und/oder Müllbeigaben in der näheren Umgebung.

Luftbelastung wie seit Jahrzehnten nicht mehr

Im Gegensatz zu den Stickoxiden, bei denen die Belastung an der Straße am höchsten ist und in vertikaler und horizontaler Entfernung von der Straße schnell abnimmt, ist die Feinstaubbelastung in Wohnungs- und Haushöhe deutlich höher, weil die Emission aus den knapp über Haushöhe staubenden Kaminen stammt und nur teilweise zu den Messstationen auf Straßenhöhe absinkt. Die wenigen Stationen, die den Holzofenfeinstaub messen, unterschätzen ihn auch gleichzeitig. Die schlafenden Menschen atmen Staubwerte ein, wie es sie im Westen in Industriegebieten seit den 60ern/70ern, im Osten allgemein seit den 80ern nicht mehr gab. In den heute am meisten betroffenen verkehrs- und industriefernen Wohngebieten gab es solche Feinstaubwerte in moderner Zeit womöglich noch nie.

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Die Stickstoffdioxid-Werte an der ursprünglich als Verkehrsstation konzipierten Wallgutstraße in Konstanz zeigen, dass hier die vorwiegend verkehrsbedingten Peaks auftreten und ausgeschlossen werden kann, dass die extremen Feinstaubwerte aus dem Verkehr stammen:

Wie erwähnt gibt es nur wenige, oft keine Messstationen, die die extremen Feinstaubwerte in Wohngebieten messen. Wenn bei schwachem Wind Holzofen-Feinstaub aus den vornehmen Quartieren zu den Straßenverkehrsmessstationen weht, kann man ahnen, worunter die Menschen leiden müssen. Typisch sind die starken abendlichen Anstiege der Feinstaubbelastungen zu einer Zeit, zu der kaum noch Verkehr herrscht wie hier zu sehen an der Kopfklinik in Würzburg:

Auch Lindau im Bodensee ist durch den Holzofen-Boom zu einem Feinstaubproblemort geworden. Am Freitag und Samstag wurde der Grenzwert überschritten, bevor am Sonntag stärkerer Wind Verdünnung der Dreckluft brachte. Die dünne Linie zeigt die Stundenwerte, typisch für den Holzofen-Feinstaub mit den höchsten Werten Freitagnacht auf durchgehend hohem Niveau – das und noch viel mehr atmen die Menschen ein, stundenlang.

Wahnsinn mit staatlicher Unterstützung

Um dem Fass den Boden auszuschlagen, wird der Wahnsinn, dass in Deutschland und anderswo wieder das Verbrennen von Holz in Mode gekommen ist, staatlich gefördert. Eine sehr originelle Energie im Sinne der Rentenkassen, wenn man Verschwörungstheoretiker sein wollte:

Die angepeilten gesetzlichen Verschärfungen emissionsseitig sind reine Augenwischerei und aufgrund der weiteren Zunahme der Holzofenzahl ohne Belang und kommen ohnehin viel zu spät, von den vielen Ausnahmeregelungen gerade für die dreckigsten Anlagen abgesehen. Der Holzofen-Boom und die heute schon katastrophalen und die in den nächsten Jahren immer schlimmer werdenden Feinstaubwerte durch das Verbrennen von Holz oder Pellets sind vermutlich keine Absicht, sondern das Ergebnis unendlicher Dummheit von Politikerinnen und Politikern, die es aus Populismusgründen als wichtig erachteten, Umweltschutz insofern vorzutäuschen, dass man angeblich durch das Verbrennen von Holz etwa 200 Stellen hinter dem Komma nach der Null CO2 einsparen würde.


Das ist auch die Lebenslüge der Holzofenbesitzer, die den Erfindungen der Feinstaub-Industrie gerne glaubt, dass das Verbrennen von Holz "ökologisch und nachhaltig" sei.

Diese Lüge ist in ihren Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen in Deutschland unendlich viel schlimmer als irgendeine Falschbehauptung zu Diesel-Grenzwerten. Die Holzofen-Lüge macht krank, Brustkrebs, Demenz. Die Werte sind atemberaubend. Es wird nichts passieren. Die Lügner sind alle noch in ihren Ämtern und werden Ihnen völlig abseitige Räubergeschichten erzählen, von denen Autokonzerne noch viel lernen könnten.

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