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Mysteriöse Bilder: Lebt für tot gehaltener Karl-Ervian Haub in Moskau?


Ex-Tengelmann-Chef
Mysteriöse Bilder – Lebt Karl-Erivan Haub in Moskau?

Von t-online, cc

Aktualisiert am 22.03.2025 - 03:28 UhrLesedauer: 5 Min.
Der deutsch-amerikanische Unternehmer Karl-Erivan Haub (Archivbild) wurde im Mai 2021 offiziell für tot erklärt.Vergrößern des Bildes
Der deutsch-amerikanische Unternehmer Karl-Erivan Haub (Archivbild) wurde im Mai 2021 offiziell für tot erklärt. (Quelle: imago stock&people via www.imago-images.de)
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Es ist eines der größten Rätsel der deutschen Unternehmensgeschichte: das Verschwinden von Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub. Nun gibt es neue Hinweise.

Die Geschichte des ehemaligen Tengelmann-Chefs Karl-Erivan Haub ist der Stoff, aus dem Thrillerserien gemacht werden. Ein schillernder Unternehmer mit Verbindungen nach Russland, eine schwerreiche Familie, die sich um ein Milliardenerbe streitet, und ein mysteriöser Todesfall, bei dem auch sieben Jahre später nicht klar ist, ob der Verstorbene in Wirklichkeit nicht doch lebt.

Das wohl letzte Foto, das Haub am Morgen des 7. April 2018 lebend zeigt, stammt von einer Überwachungskamera am Klein Matterhorn in Zermatt. Der damals 58-Jährige wollte zu einer Skitour in die Walliser Alpen. Dann verliert sich seine Spur. Die Suche nach Haub – eine der größten in der Geschichte der Schweizer Bergrettung – wurde im Oktober 2018 eingestellt. Im Mai 2021 erklärte ihn das Amtsgericht Köln offiziell für tot.

Das "Manager-Magazin" hat jetzt Fotos von Haub veröffentlicht, die ihn im Februar 2021 in Moskau zeigen sollen. Die Bilder sind unscharf, der Mann auf den Aufnahmen trägt eine Mütze, doch eine gewisse Ähnlichkeit mit Haub ist schwer zu übersehen. Dass diese Bilder existieren, ist bereits seit Längerem bekannt. Nun werden sie von dem zur "Spiegel"-Gruppe gehörenden Magazin erstmals gezeigt.

Rohdaten der Bilder fehlen

Zwei von der Tengelmann-Gruppe beauftragte Privatermittler, auf deren Ergebnisse sich das "Manager Magazin" beruft, wollen die Bilder von Haub aufgespürt haben. Sie stammen demnach aus einer Überwachungskamera, die den Ermittlern von dem israelisch-amerikanischen Sicherheitsdienstleister Interfor zugespielt wurden. Laut zwei Gutachten, die die Authentizität der Bilder bestätigen, handelt es sich bei der Person auf den Fotos tatsächlich um Karl-Erivan Haub. Er hätte demnach seinen Tod nur inszeniert.

Allerdings gibt es nach wie vor zahlreiche Ungereimtheiten in dem Fall. So beziffert zwar eine forensische Gutachterin die Wahrscheinlichkeit, dass es sich wirklich um den Milliardär handelt, mit 99 Prozent, ihr Kollege immerhin auf 85 Prozent. Doch: Bei den von der Sicherheitsfirma Interfor beschafften Aufnahmen fehlen offenbar die Rohdaten. Diese sind aber notwendig, um Zeit und Ort der Bilder zweifelsfrei bestimmen zu können. Es könnte sich also auch um manipulierte Aufnahmen handeln – oder gar um Fälschungen.

Unstrittig ist laut den Privatermittlern, dass Haub Kontakte nach Moskau hatte. Noch am 6. April, der Nacht vor seinem Verschwinden, telefonierte er aus Zermatt zweimal mit einer Frau namens Veronika E., einer Event-Managerin aus St. Petersburg. Die Gespräche sollen anderthalb Stunden gedauert haben.

Schon zwei Tage zuvor, am 5. April, telefonierten die beiden offenbar viermal miteinander. Haub soll den Piloten seines Privatjets daraufhin angewiesen haben, die Destination für seinen Aufenthalt in den Alpen zu ändern. Statt ins französische Les Deux Alpes, wie ursprünglich geplant, flog er ins schweizerische Zermatt.

Das Verhältnis zwischen E. und Haub konnte bis ins Jahr 2008 zurückverfolgt werden, schon damals hatten sich Haub und E. häufig am selben Ort aufgehalten, unter anderem im Schwarzmeerküstenort Sotschi, wo auch der russische Machthaber Putin eine Residenz hat, und in Moskau. E. selbst sagte russischen Reportern, sie habe lediglich eine Arbeitsbeziehung mit Haub unterhalten.

Viele Millionen Euro sollen in Russland versickert sein

Im Raum steht laut Recherchen der RTL-Journalistin Liv von Boetticher der Verdacht, die beiden könnten ein Liebespaar gewesen sein. Auch gibt es die Vermutung, E. könnte eine Agentin des russischen Inlandgeheimdienstes FSB sein und Haub dabei geholfen haben, unterzutauchen. Keine dieser Theorien konnte bislang bestätigt werden.

Dass Haub mindestens seit 2010 zahlreiche geschäftliche Kontakte nach Russland unterhielt, dafür gibt es zahlreiche Indizien. Sein Plan war es wohl, mit seiner Unternehmensgruppe groß in den russischen Markt einzusteigen. 150 Filialen der Discountermarke Plus sollten dort eröffnet werden, Grundstücke waren laut "Manager-Magazin" bereits angekauft worden, doch dabei blieb es. Eine Plus-Filiale wurde im Putin-Reich nie eröffnet. Dafür sollen viele Millionen Euro bei dem Versuch, in Russland geschäftlich Fuß zu fassen, in zweifelhaften Kanälen versickert sein.

Eine wichtige Rolle bei Haubs Russland-Abenteuer soll auch der 2023 verstorbene Oligarch Sergej Grischin spielen. Der war in den Nachwehen der Perestroika zu enormem Reichtum gekommen, wie so viele russische Geschäftsleute in den wilden Neunzigerjahren. Mit seiner Rosevrobank war er in den 2010er-Jahren in den "Russischen Waschsalon" verwickelt, einer der größten Geldwäscheskandale des Landes. Laut von Boetticher, die sich schon seit Jahren intensiv mit dem Fall Haub beschäftigt, handelte es sich bei der Rosevrobank um die "kriminellste Bank" Russland.

Starb Grischin am "plötzlichen russischen Tod"?

Grischin, der mehrere pompöse Anwesen in Kalifornien besaß und auch die amerikanische Staatsbürgerschaft hatte, starb Anfang März 2023 völlig unerwartet in einem Moskauer Krankenhaus. Als offizielle Todesursache wurde eine Gehirnblutung angegeben. Zuvor hatte Grischin Kritik am Ukraine-Krieg Wladimir Putins geübt.

Er schaffte es damit auf die zweifelhafte Liste von mindestens 67 russischen Oligarchen, Bankern, Geschäftsleuten und hohen Beamten, die seit dem Beginn des Ukrainekrieges starben und deren Ableben als verdächtig gilt. Sie alle hatten Kontakte zum Kreml und fielen entweder aus Fenstern, kamen bei Autounfällen ums Leben oder sollen sich umgebracht haben. Die Zeitung "USA Today" bezeichnete das Phänomen nach eigenen Recherchen einmal als "plötzlichen russischen Tod".

Im Zusammenhang mit Haubs Kontakt zu Grischin verfolgten die Privatermittler auch die Theorie, der deutsche Konzernchef könnte sich mit der russischen Mafia angelegt haben und sei womöglich beseitigt worden. Als ein Indiz dafür werteten sie einen weiteren Kontakt, den Haub kurz vor seinem Verschwinden intensiv gepflegt haben soll: zu dem russischen Oligarchen Andrej Suzdaltsev. Dieser wiederum soll ein Geschäftspartner Grischins gewesen sein.

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Auffällig ist in dieser Hinsicht erneut die Rekonstruktion der Telefondaten von Haub. So intensivierte dieser wohl insbesondere nach dem Tod seines Vaters Erivan Anfang März 2018 seinen Austausch mit Kontakten in Russland. Dies zeigen die Verbindungsnachweise, die die Ermittler bis zum Abend kurz vor seinem Verschwinden, einsehen konnten.

Bruder bestreitet die Kenntnis der Fotos nicht

Die These der Ermittler lautet dahingehend, dass Haub, der auch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, wegen dubioser Geschäfte in Russland ins Visier der amerikanischen Ermittlungsbehörden geraten sein könnte und sich deshalb, mutmaßlich mit russischer Hilfe, nach Moskau abgesetzt habe. Laut von Boettichers Recherchen waren FBI und CIA kurz nach Haubs Verschwinden am Matterhorn vor Ort und sammelten eigene Erkenntnisse.

Haub soll sehr gute Kontakte in höchsten Kreisen der amerikanischen und deutschen Geschäftswelt und Politik gehabt haben. "Die Privatermittler befürchten, er könne seine einflussreiche Position genutzt haben, um russischen Interessen zu dienen", sagte von Boetticher der britischen "Times".

Die Veröffentlichung der Fotos, die Haub angeblich im Februar 2021 in der russischen Hauptstadt zeigen, könnte nun auch dessen Bruder Christian Haub in Erklärungsnot bringen. Denn die Fotos liegen auch seit einiger Zeit der Staatsanwaltschaft Köln vor, diese ermittelt gegen Christian Haub wegen des Verdachts auf eine falsche eidesstattliche Versicherung. Angezeigt hatte ihn im Mai 2023 die RTL-Journalistin von Boetticher, zu deren Investigativrecherchen sich die Hinterbliebenen Karl-Erivan Haubs bislang nicht äußern wollten.

Christian Haub, der heutige Tengelmann-Konzernchef, hatte am 8. Mai 2021 vor dem Amtsgericht Köln an Eides statt versichert, "keine belastbaren Hinweise, geschweige denn Beweise" dafür zu haben, dass sein Bruder noch am Leben sei. Wenig später wurde Karl-Erivan Haub offiziell für tot erklärt, seiner Familie, Frau Katrin und den beiden Kindern Erivan und Viktoria, wurden 1,7 Milliarden Euro zugesprochen. Im Gegenzug veräußerten sie ihre Unternehmensanteile an Christian Haub, der seitdem 70 Prozent der Konzernanteile besitzt.

Christian Haub bestreitet nicht, die Bilder gesehen zu haben. Er hält sie allerdings für Fälschungen und lässt über seinen Anwalt ausrichten, dass es sich bei dem Mann auf den Fotos der Moskauer Überwachungskameras keinesfalls um seinen Bruder handele. Bei einer Verurteilung wegen Falschaussage drohen ihm drei Jahre Haft.

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