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Entschädigung nach Chaos verweigert: So verjagt Deutsche Bahn Fans


Nach Chaos Fehler beim Entschädigen
So trieb die Bahn einen Fan beinahe zur Kündigung


26.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Uwe Eduard Schmidt: Der Professor an der Uni Freiburg ist großer Bahnfan, hatte aber nach dem Erlebnis und der verweigerten Entschädigung die Lust eigentlich verloren.Vergrößern des Bildes
Uwe Eduard Schmidt: Der Professor an der Uni Freiburg ist großer Bahnfan, hatte aber nach dem Erlebnis und der verweigerten Entschädigung die Lust eigentlich verloren. (Quelle: dpa, Klaus Polkowski, Montage: t-online)

Wie enttäuscht man einen treuen Kunden? Die Deutsche Bahn hat es geschafft, erst Chaos zu verursachen und auch noch bei der Entschädigung zu versagen.

Die Deutsche Bahn kann auch richtig gut sein: "Nehmen Sie sich im Bordbistro noch ein kostenloses Wasser mit", sagt der freundliche Zugbegleiter im ICE und gibt genaue Anweisungen für den Bahnhof Baden-Baden: Im Abschnitt B/C die Treppe runter, dann links die Treppe hoch, dort rechts ist die Haltestelle für den Schienenersatzverkehr.

Als kurz danach der ICE aus Basel über Freiburg auch noch drei Minuten vor der planmäßigen Zeit in Baden-Baden eintrifft, braucht niemand den Hinweis des Zugchefs: Dank unübersehbarer Bodenmarkierungen und bereitstehender Bahnmitarbeiter ist der Weg zu den komfortablen Bussen nicht zu verfehlen. Der perfekt organisierte Ablauf steht in krassem Gegensatz zu dem, was sich drei Tage zuvor abspielte: ein totales Fiasko. Dieser Text erzählt davon, wie die Deutsche Bahn auf völliges Versagen noch einmal etwas draufsetzte – und wie t-online dem Unternehmen vorerst einen frustrierten Kunden rettete.

Der Bahnfan: Uwe Eduard Schmidt ist Professor für Wald- und Forstgeschichte in Freiburg, hat aber in der Pfalz eine neue schöne Heimat gefunden. Wochenweise pendelt er zwischen Unistadt und Wohnort – mit der Bahn. Auch in den Urlaub reist er im Zug, als Präsidiumsmitglied der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald fühlt er sich dem umweltfreundlichen Reisen besonders verbunden. "Ich habe schon zu meinem ersten Geburtstag eine Modelleisenbahn geschenkt bekommen. Und beim Bahnfahren kann man arbeiten, schlafen, lesen, man hat ein Zeitfenster frei." Schmidt gehörte zu den ersten Kunden, als 1992 die Bahncard als Rabattangebot eingeführt wurde. Seit 32 Jahren hat er sie ohne Unterbrechung.

Und jetzt wollte er sie zum September kündigen.

Das Chaos: Schmidt hatte gerade erst eine Urlaubsreise an die Nordsee hinter sich, bei der die Zugtoiletten nicht funktionierten, als er am 12. August aus der Pfalz nach Freiburg fahren wollte und einen Totalausfall der Bahn erlebte. Auch auf dieser Strecke kämpft die Bahn mit Versäumnissen und Sanierungsstau aus vielen Jahren, im Abschnitt zwischen Rastatt und Baden-Baden fahren wegen Bauarbeiten an der Streckenzuführung für einen Tunnel bis Ende August keine Züge. Dafür sollen die Reisende Busse ab Karlsruhe oder Rastatt nach Baden-Baden nutzen.

Aber es fehlten die Busse und die Informationen an den Bahnhöfen, die Bahn hatte sich auf die seit Langem bekannte Sperrung nicht eingestellt. Hunderte Reisende strandeten an den Stationen. Es war heiß, die Stadtverwaltung Baden-Baden schaltete schließlich aus eigener Initiative Feuerwehr und Rotes Kreuz ein, um die Reisenden mit Getränken zu versorgen, der Bauhof richtete eine Beschilderung ein und die städtischen Verkehrsbetriebe setzten eigene Busse ein. Schmidt hatte in Karlsruhe vergleichsweise Glück. "Ein Linienbusfahrer hat uns gesehen und gesagt, er fährt in die Richtung, aber wir müssten dann umsteigen."

Der Bus füllte sich trotzdem sofort, glücklich, wer einen Sitzplatz hatte. "Auf dem Gang standen die Menschen gedrängt." Mit Halten in den Dörfern auf der Strecke ging es weiter bis Rastatt. Nach einigem Warten kam ein Bus und öffnete genau vor Schmidt die Tür. Er war drin, Hunderte andere hatten das Nachsehen. In Baden-Baden konnte er zwei Stunden später als geplant mit einem Zug nach Freiburg weiterfahren.

Die Reaktion: Noch am selben Tag füllte Schmidt einen Entschädigungsantrag aus – was über die App noch einfacher geht als mit Papieranträgen. Er gab seine tatsächliche Ankunftszeit an – 120 Minuten nach der gebuchten. 50 Prozent Erstattung bedeutet das. 5,6 Millionen solcher Anträge sind im vergangenen Jahr im Servicecenter Fahrgastrechte eingegangen, gearbeitet wird dort an 365 Tagen im Jahr. Bei Schmidt geht die Antwort zügig nach drei Tagen ein: Er nimmt sie donnerstag mit in den Zug und liest sie auf dem Heimweg. Es ist die Fahrt, auf der dieses Mal alles zur besten Zufriedenheit läuft.

Weniger zufriedenstellend ist die Antwort vom Fahrgastcenter: Es gebe null Euro Entschädigung. Zwar bedauere die DB Dialog GmbH die entstandenen Unannehmlichkeiten und entschuldige sich für die Beeinträchtigungen bei der Fahrt. Schmidts Zug sei aber nur 9 Minuten zu spät gekommen – der Zug, den Schmidt gebucht hatte. "Die Bahn erklärt mir also, dass alles gut ist, weil der Zug, den keiner erreicht hat, weil die Busse der Bahn nicht fuhren, nur neun Minuten Verspätung hatte."

Noch vom Zug aus ruft er die auf dem Brief angegebene Hotline an und hat auch sofort eine Dame am Apparat. Sie zeigt Verständnis, unterbricht aber: Sie sei ausschließlich für Großkunden zuständig, könne ihn nur in die Schleife für die normalen Kunden legen, bei der bis eine Stunde Wartezeit bestehe. Später teilte die Pressestelle der Bahn t-online mit, dass die Antwort, für Großkunden zuständig zu sein, "nicht den Standards" entspreche und die Bahn den "Fall im Rahmen des Qualitätsmanagements aufarbeiten" werde. Die Wartezeit sei aber auch selbst zu absoluten Hochlastzeiten nicht so lang.

Wenig später klagt Schmidt dem Zugbegleiter sein Leid. "Sie können nichts dafür. Aber so geht man nicht mit Kunden um. Im September kündige ich mein Abo und kaufe mir noch mal ein kleines Auto für die Fahrten zur Uni." Der Zugbegleiter hat das Chaos drei Tage zuvor mitbekommen, kann an der Entscheidung des Fahrgastcenters nichts ändern, zeigt aber volles Verständnis. Er könne sich nur vorsichtig äußern, "aber meiner Mutter sage ich auch, sie soll nur noch Bahn fahren, wenn es unbedingt sein muss". Schmidt spricht in der Situation davon, dass er die Presse einschalten sollte. Die sitzt zwei Reihen vor ihm im Zug – der Reporter von t-online.

Die Wende: Am Freitag, 23. August, entscheidet sich Schmidt, der Deutschen Bahn doch noch eine "von bereits unzählig eingeräumten" Chancen zu geben – er hat an dem Tag noch einmal Post von der Entschädigungs-Abteilung bekommen. Nachdem t-online die Pressestelle der Bahn mit dem Fall konfrontiert hatte, wurde sein Entschädigungsantrag erneut überprüft. Neue Antwort: Ihm stünden 50 Prozent Entschädigung zu. Für die Bahn ging es um die Summe von 8,65 Euro, weil Schmidt mit dem Super-Sparpreis gereist war. Für Schmidt ging es aber "nicht ums Geld. Es ging um den Umgang mit dem Fehler."

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Der Fehler: "Ein Bearbeitungsfehler" im Fahrgastcenter sei bei Schmidts Antrag geschehen, teilt eine Sprecherin der Bahn mit. Alle erforderlichen Angaben von Schmidt lagen dort vor. Es habe "eine menschliche Fehlentscheidung" gegeben, "die sich auch nicht im Nachgang nachvollziehen lässt". Die Bahn lässt offen, ob sie auch bei anderen Reisenden auf der Strecke an dem Tag nachbearbeiten musste. Ein struktureller Fehler liege aber nicht vor.

Dass die Bahn Schmidt nun doch für die Verspätung bei der Bus-Odyssee entschädigt, liege nicht an den Anfragen von t-online: "Selbstverständlich werden alle Beanstandungen und Hinweise auf Fehler mit derselben Sorgfalt geprüft – unabhängig davon, ob wir von Reisenden selbst oder über Medienanfragen darauf hingewiesen werden." Heißt: Überprüft hätte die Bahn auch, wenn Schmidt sich die Zeit genommen hätte, an der Servicehotline zu warten. Das hatte Schmidt schon aufgegeben nach seinem Anruf. "Ich hätte es einfach laufen lassen – und dann wäre das die letzte Bahncard gewesen. Die Bahn verdankt t-online, dass ich einen erneuten Versuch starte."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Uwe Eduard Schmidt
  • Anfrage an Deutsche Bahn
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