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Merz muss liefern: Diese fünf Reformen braucht Deutschland jetzt


Neue Regierung
So kann es nicht weitergehen

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

Aktualisiert am 25.03.2025 - 17:20 UhrLesedauer: 5 Min.
Kommen sie mit ihrem Vorhaben durch? Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken wollen künftig als Schwarz-Rote-Koalition regieren.Vergrößern des Bildes
Kommen sie mit ihrem Vorhaben durch? Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken (v. l. n. r.) wollen künftig als Schwarz-Rote-Koalition regieren. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)
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So, die Schulden sind gemacht. Jetzt geht es um Reformen. Welche Reformen muss Friedrich Merz liefern, damit Deutschland wieder funktioniert und die Wirtschaft wieder wächst?

Reform, ein schönes Wort. Lateinisch, da steckt ein Re drin, das heißt zurück. Und das Verb formare, also gestalten. Das passt: Unser Land muss wieder gestaltet werden – die Bundeswehr, die Infrastruktur, die Schulen. Geld ist jetzt da. Was noch fehlt, ist ein Plan.

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Es gibt viel Reformbedarf: Steuerreform, Rentenreform, Arbeitsmarktreform, Staatsreform – die Liste ist nicht abschließend. Was ist wichtig, was kann warten? Meine Prioritätenliste für die ersten Merz-Monate umfasst fünf Punkte, die für das Funktionieren des Staates und die Renaissance der Wirtschaft zentral sind. Der Rest kann warten.

1. Tempo, nicht das Deutschlandtempo von Scholz

Leverkusen, Lüdenscheid, Berlin – was haben diese Städte gemeinsam? Richtig: spektakulär marode Brücken. Die A1 im Rheinischen, die A45 im Sauerland, jetzt die Ringbahnbrücke in Berlin sind Symbole für den Verfall unserer Infrastruktur. Seit zehn Jahren wird in Berlin bereits der Neubau der Autobahn 100 geplant, auf den Weg gebracht ist nichts.

So kann es nicht weitergehen. Aber wie ändert man das? Die Ampel hat bereits ein "Planungsbeschleunigungsgesetz" verabschiedet, der Name ist so kompliziert wie das Gesetz. Es sah zunächst schnellere Verfahren nur für rot-grüne Lieblingsprojekte vor: Windkraft, Energiewende, Klimaschutz. Die FDP verhandelte auch Autobahnprojekte in das Paket, immerhin. Olaf Scholz sprach vom neuen Deutschlandtempo. Dieses Tempo gilt für Vorhaben, die "von überragendem öffentlichen Interesse" sind.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche.

Es ist aber unrealistisch, für jede Stromleitung, jeden Mobilfunkmasten und jedes Glasfaserkabel zunächst politisch ein überragendes öffentliches Interesse festzustellen. Die beschleunigte Planung muss der Normalfall sein. Das hat Nebenwirkungen: weniger Einspruchsmöglichkeiten für die Bürger in der Nachbarschaft, weniger Artenschutz für Fledermäuse oder Juchtenkäfer.

Wenn Merz diese Reform nicht hinbekommt, wird seine Regierung keine Chance haben, die Milliarden aus dem Sondervermögen in Infrastruktur zu verwandeln.

2. Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Alle reden von Entbürokratisierung. Aber die Bürokratie präsentiert sich dem Bürger als Moloch, dem kaum beizukommen ist. Anträge, Fragebögen, Nachweise, Bescheide und Belehrungen – unser Gemeinwesen ist überadministriert.

Die Unternehmen leiden unter zu vielen Berichtspflichten: Corporate Sustainability Reporting, EU-Taxonomie, Lieferketten-Sorgfaltspflichtgesetz, so lauten die Horror-Stichworte aus dem Bürokratendschungel. Hier in Sachen Nachhaltigkeit. Dort in Sachen Arbeitsschutz, Datenschutz, Verbraucherschutz. Immer nach dem Prinzip: Wer ein Unternehmen führt, muss nachweisen, dass er sich an die Gesetze hält.

Es ist erforderlich, das umzudrehen, so wie im Straßenverkehr. Der Staat setzt voraus, dass sich Autofahrer an die Vorschriften halten. Er kontrolliert das korrekte Verhalten in Stichproben, zum Beispiel mit dem Tempo-Blitzer. Wer gegen die Regeln verstößt, muss mit einem Bußgeld rechnen, notfalls mit härteren Strafen.

Menschen, die unsere Wirtschaft am Laufen halten, verdienen Vertrauen statt Misstrauen. Diese Reform kostet nichts. Sie erfordert nur politischen Willen. Und Führungskraft.

3. Digitalisierung: Frag nach bei Amazon

Digitale Kommunikation mit dem Amt geht in Deutschland meistens so: Sie laden sich ein Formular aus dem Internet, drucken es aus, füllen es aus, unterschreiben es handschriftlich, scannen es ein und schicken es per Mail an die Behörde. Nein, das ist kein digitaler Prozess, das ist eine Kutschfahrt auf dem Formel-1-Kurs.

Andere machen das ganz anders, viel besser. Die Skandinavier vor allem und die baltischen Staaten. Deutschland muss das digitale Rad nicht neu erfinden, sondern sich nur an den Besten orientieren. An Estland. Oder gleich an Amazon. Klar, das Baurechtsamt ist kein Onlineshop, Kunden sind keine Untertanen. Bürger aber eigentlich auch nicht.

Es muss sofort losgehen

Die Regierung Merz wird vielleicht ein Digitalministerium einrichten. Wichtiger ist die Digitalisierung der Ministerien. In den nächsten vier Jahren, nicht irgendwann. Wenn die Koalition nicht sofort beginnt, hat sie den Zeitpunkt schon verpasst.

4. Bürgergeld, Grundsicherung – zurück zu Hartz IV

Das Bürgergeld hat der SPD, die es erfunden hat, schwer geschadet. Die Arbeiter und Angestellten haben ihr Urteil gefällt: Zu viele Menschen nehmen die Leistungen in Anspruch, obwohl sie arbeiten könnten. Arbeiten zum Mindestlohn oder knapp darüber lohnt sich nicht. Der Staat macht es den Leuten zu einfach, auf seine Kosten zu leben.

Friedrich Merz hat angekündigt, das Bürgergeld abzuschaffen. Eine neue Grundsicherung soll es demnächst geben, die soll sich wieder mehr nach Hartz IV anfühlen – also nicht nur fördern, sondern auch fordern. An Merz wird die Reform nicht scheitern. Aber bisher ist nicht erkennbar, dass auch die Sozialdemokraten das Wählervotum verstanden haben.

Ein Kanzler mit ungebrochener Reputation ist vonnöten

Die Reform des Bürgergelds sollte den finanziellen Spielraum für die Investitionen in die Sicherheit und in die Infrastruktur schaffen, so hat es die Union im Wahlkampf angekündigt. Jetzt schaffen die neuen Schulden den Spielraum. Aber Merz wird trotzdem an dieser Reform gemessen. Wenn nicht mindestens 10 Milliarden Euro Einsparungen im Haushalt herauskommen, würde seinem großen Wortbruch (Schuldenbremse!) ein kleiner folgen. Die Wirtschaft braucht einen Kanzler, dessen Reputation nicht gleich am Anfang zerstört ist.

5. Wahlversprechen: Alles auf Stopp!

Zum Schluss eine Maßnahme, um "Reformen" zu bremsen, Reformen in Anführungszeichen. Ein Moratorium für die leichtfertig versprochenen Wahlgeschenke der neuen Koalition: die Mütterrente, die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie, die Agrardiesel-Subvention. All diese Vorhaben gehören unter einen Finanzierungsvorbehalt – erst müssen an anderer Stelle finanzielle Spielräume erschlossen werden, dann können sie realisiert werden. Wenn überhaupt.

An anderer Stelle: Die Ampelkoalition hat mehr als 10.000 Beamtenstellen neu geschaffen, in den Bundesbehörden arbeiten jetzt 300.000 Menschen. Die Regierung hält sich neben 16 Ministerinnen und Ministern noch 45 Beauftragte für dies und das, auch für den Tierschutz und die Meere. In diesem Apparat soll es kein Sparpotenzial geben? Lächerlich. Und das ist nur eine von vielen anderen Stellen, an denen der Staat mit dem Sparen beginnen kann.

Das sind meine fünf Prioritäten für den Anfang. Damit sind die Renten noch nicht gesichert, die Pflegeversicherung ist noch nicht reformiert. Wohnungen sind auch noch längst nicht genug gebaut. Die Investitionen in die Bundeswehr müssen gemanagt werden. Wahrscheinlich legen Sie noch auf weitere Reformen Wert: auf niedrigere Steuern, auf Entlastung bei den Energiekosten. All das ist auch wichtig, aber alles auf einmal überfordert jede Regierung.

Apropos Überforderung: Friedrich Merz hat die Begrenzung der ungesteuerten Migration versprochen, als Top-Priorität. Vom ersten Tag an. Unser künftiger Kanzler neigt zu großen Ankündigungen. Wie sagte noch gleich Helmut Kohl, einer seiner großen Vorgänger: Entscheidend ist, was hinten rauskommt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Vorschläge
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