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Weltklimarat IPCC präsentiert Abschlussbericht: Es geht um die Zukunft


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Neuer Bericht des Weltklimarats
Die nächsten Jahre entscheiden über Zukunft der Menschheit


Aktualisiert am 20.03.2023Lesedauer: 5 Min.
Zerstörung im Ahrtal nach der Flut im Juli 2021.Vergrößern des Bildes
Zerstörung im Ahrtal nach der Flut im Juli 2021: Katastrophen wie Überschwemmungen oder Waldbrände werden auch in Deutschland durch die Klimakrise immer wahrscheinlicher. (Quelle: Thomas Lohnes)
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Es kommt auf jedes Zehntelgrad an – und auf Schnelligkeit: Der Weltklimarat hat einen neuen Bericht vorgestellt. Dieser macht deutlich: Klimaschutz ist dringlicher denn je.

Um eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen auf der Erde zu sichern, sind sofortige, weitreichende Klimaschutzmaßnahmen dringlicher als je zuvor: So lautet das Fazit eines neuen Berichts des Weltklimarats, der am Montag in Interlaken in der Schweiz vorgestellt wurde. Die Entwicklungen in diesem Jahrzehnt seien entscheidend für das Ausmaß der Schäden durch die Klimakrise jetzt und in den nächsten Jahrtausenden. Die notwendigen Maßnahmen seien bekannt – das Zeitfenster für die Umsetzung schließe sich jedoch rapide. Ohne drastische Maßnahmen werde das 1,5-Grad-Ziel noch in den 2030er-Jahren überschritten.

Der nun veröffentlichte Bericht stellt die Erkenntnisse aus den vergangenen Jahren zusammen. Er wurde zuvor eine Woche lang von den Wissenschaftlern des Weltklimarats und Regierungsvertretern beraten.

Im Fokus des Berichts stehen die Auswirkungen der Klimakrise, die sich bereits jetzt bemerkbar machen: häufigere und intensivere Extremwetterereignisse, die gefährliche Auswirkungen auf Natur und Menschen überall auf der Welt haben. Bereits jetzt würden so beispielsweise Menschen in allen Erdteilen infolge extremer Hitze sterben. Auch bestimmte Krankheiten verbreiteten sich stärker. Aktuell liegt die durchschnittliche globale Erderhitzung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bei 1,1 Grad Celsius.

Jedes Zehntelgrad zählt

Daher sei es wichtig, jegliche weitere Zunahme der Erwärmung zu verhindern, da sie zu einer weiteren und schnellen Eskalation der Gefahren führe, so der Weltklimarat – mittlerweile würden die Risiken höher eingeschätzt als noch im vergangenen Berichtszyklus. Dabei werde die Bewältigung der Klimakrise noch schwieriger, wenn zu klimabedingter Nahrungsmittel- und Wasserunsicherheit andere Krisen wie Pandemien oder Konflikte hinzukommen.

Der Weltklimarat

Der Weltklimarat, auch IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ist eine internationale Forschungskooperation – die größte der Welt. 195 Länder sind Mitglieder. Der Rat ist eine Institution der Vereinten Nationen und sitzt in Genf in der Schweiz. Das Gremium soll herausarbeiten, wie groß die Gefahr durch die Klimakrise ist und wie ihr begegnet werden kann.

Die Erderhitzung langfristig auf unter 1,5 Grad zu beschränken, wie es auf der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris als Ziel beschlossen wurde, ist aber kaum noch möglich. Selbst im Szenario der "sehr niedrigen" Emissionen ist ein kurzfristiges Überschreiten über mehrere Jahrzehnte wahrscheinlicher als ein Einhalten des Ziels.

Ein Überschreiten hätte jedoch massive Auswirkungen auf die Gesellschaft, Infrastruktur und niedrig gelegene Küstengebiete. In bestimmten Ökosystemen, zum Beispiel an Küsten oder in Polarregionen, hätte es unumkehrbare Auswirkungen.

Nur noch halb so viele Emissionen bis 2030

Daher müsse der Ausstoß von Treibhausgasen in allen Sektoren "tiefgreifend, schnell und nachhaltig" gesenkt werden, heißt es weiter. Dann könnte innerhalb von etwa zwei Jahrzehnten eine Verlangsamung der globalen Erwärmung spürbar werden. Konkret heißt das: Schon jetzt müssen die Emissionen zurückgehen, bis 2030 dürfen nur noch halb so viele Treibhausgase ausgestoßen werden.

Derzeit steigen sie jedoch – nach einem kleinen Rückgang wegen der Corona-Pandemie geht es wieder steil nach oben. Erstmals gibt der Weltklimarat auch eine Vorgabe für 2035: minus 65 Prozent gegenüber 2019. "Das Tempo und der Umfang der bisherigen Maßnahmen sowie die derzeitigen Pläne sind unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen", fasst der Bericht zusammen.

Die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre könnte dazu beitragen, die globale Temperatur wieder zu reduzieren. Der Weltklimarat stellt dabei jedoch die Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit solcher Projekte infrage.

Mehr als 1,5 Grad wohl schon in den 2030er-Jahren

Der Weltklimarat erkennt an, dass in vielen Ländern bereits wirksame Klimaschutzmaßnahmen ergriffen wurden. Doch selbst wenn alle Nationen ihre Klimaziele bis 2030 einhielten, sei es wahrscheinlich, dass die Erderhitzung in diesem Jahrhundert die 1,5-Grad-Marke übersteige. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent sei dies bereits zwischen 2030 und 2035 der Fall. Auch ein Einhalten des 2-Grad-Limits von Paris sei so schwierig – tatsächlich steuere die Erde auf eine Erwärmung von 2,8 Grad zu.

Dazu kommt: Häufig bleiben die politischen Maßnahmen hinter den Klimazielen zurück. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, rechnet der Weltklimarat mit einer Erhitzung von 3,2 Grad bis zum Jahr 2100. Im Szenario mit dem höchsten Treibhausgasausstoß rechnet der Weltklimarat sogar mit einer Erderhitzung von 4,4 Grad.

Todesfälle durch Klimakatastrophen nehmen zu

Einige Auswirkungen der Klimakrise lassen sich schon jetzt nicht mehr vermeiden oder umkehren, zum Beispiel jene durch das Gletscherschmelzen oder das Auftauen des Permafrost-Bodens in der Arktis. Durch häufigere und intensivere Hitzeperioden ist es zum Aussterben Hunderter Arten gekommen – es ist von einem "Massensterben an Land und im Meer" die Rede. Durch Emissionseinsparungen können solche Folgen aber begrenzt werden. Abrupte, unumkehrbare oder besonders nachteilige Auswirkungen werden wahrscheinlicher, je weiter die Erderhitzung fortschreitet.

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Und schon jetzt träfen die Folgen der Klimakrise die verletzlichsten Gesellschaften am härtesten, obwohl diese am wenigsten zu den Emissionen beigetragen haben, die die Erderhitzung verursachen, berichten die Experten weiter. So würden zwischen 34 und 45 Prozent aller verbrauchsbedingten Emissionen von nur zehn Prozent der Haushalte verursacht. Die bezüglich der Emissionen sparsamste Hälfte aller Haushalte verursacht hingegen nur 13 bis 15 Prozent.

Aditi Mukherji, eine der 93 Autorinnen und Autoren des Syntheseberichts, erklärt dazu, fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebe in Regionen, die besonders stark gefährdet sind. "Im letzten Jahrzehnt war die Zahl der Todesfälle durch Überschwemmungen, Dürren und Stürme in besonders gefährdeten Regionen 15 Mal höher", so Mukherji. Insbesondere in Afrika, Asien, Nordamerika und kleinen Inselsaaten in der Karibik und im südlichen Pazifik werden immer Menschen durch Klima- und Wetterextreme aus ihrer Heimat vertrieben.

Anpassung nötig – Grenzen teils bereits erreicht

Es kommt somit nicht nur auf die Bemühungen an, die Erderhitzung zu begrenzen, sondern auch auf die Anpassung an die höheren Temperaturen und ihre Auswirkungen. Auch dafür seien in allen Regionen der Welt bereits Maßnahmen ergriffen worden, jedoch brauche es auch hier eine Beschleunigung. Zudem seien teilweise bereits die Grenzen der Anpassung erreicht, insbesondere in den Tropen, an Küsten, den Polar- oder einigen Bergregionen – oder die ergriffenen Maßnahmen seien nicht wirksam und würden so zu einer Fehlanpassung führen. Mit Fortschreiten der Erderhitzung würden zudem einige Maßnahmen weniger wirksam.

Matthias Garschagen, Professor für Anthropogeografie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitautor des Berichts, betont, dass einige Anpassungsmaßnahmen bei höheren Temperaturen nicht mehr funktionieren würden. Das zeige die Dringlichkeit. "Noch haben wir es in der Hand. Leider haben wir die vergangenen Jahre verpennt". so Garschagen. Das Fenster, um das Schlimmste abzuwenden, schließe sich rapide.

Zudem brauche es mehr Geld, insbesondere in Entwicklungsländern, sowohl für den Klimaschutz als auch für die Anpassung, so der Weltklimarat. Der Weltklimarat nimmt dabei Regierungen in die Pflicht: Sie könnten Investoren den Weg vorgeben. Aber es brauche auch aus dem privaten Sektor mehr Investitionen – genügend Kapital sei vorhanden.

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"Klimamaßnahmen werden weitere Vorteile bringen"

Klimaschutz und Anpassung könnten nicht nur die Auswirkungen der Klimakrise begrenzen, sondern auch eine nachhaltigere und gerechtere Welt befördern, so der Bericht. Der Vorsitzende des Weltklimarats, Hoesung Lee, sagt dazu: "Die Durchsetzung wirksamer und gerechter Klimamaßnahmen wird nicht nur Verluste und Schäden für die Natur und die Menschen verringern, sondern auch weitere Vorteile bringen." So tragen beispielsweise erneuerbare Energien zu sauberer Luft bei, was die Gesundheit verbessert.

Der Weltklimarat betont zudem: "Der wirtschaftliche und soziale Nutzen einer Begrenzung des Klimawandels auf zwei Grad übersteigt die Kosten der dafür umzusetzenden Maßnahmen."

Die Berichte des Weltklimarats stellen keine neue Forschung dar, sondern eine Bewertung des aktuellen Forschungsstands. Dafür werten die Autoren Zehntausende Studien zur Klimakrise aus. Der erste Sachstandsbericht erschien 1990. Die Arbeit am siebten soll im Sommer beginnen.

Der nun veröffentlichte sogenannte Synthese-Bericht des sechsten Zyklus fasst die in den vergangenen zwei Jahren erstellten Berichte zusammen und stellt die Erkenntnisse daraus in Zusammenhang. Außerdem flossen Erkenntnisse aus den IPCC-Sonderberichten zum 1,5-Grad-Ziel, zur Landnutzung und zur Veränderung von Meeren und Eisflächen durch den Klimawandel ein, die 2018 und 2019 veröffentlicht wurden. Auf dem Synthese-Bericht werden künftige Klimaverhandlungen und -ziele basieren.

Verwendete Quellen
  • Pressemitteilung des Weltklimarats
  • Zusammenfassung des Synthese-Berichts des Weltklimarats
  • Nachrichtenagentur dpa
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