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Deutsche Bahn besser als ihr Ruf? Das kommt jetzt auf Reisende zu


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Tagesanbruch
Eine richtig gute Sache

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 16.09.2022Lesedauer: 6 Min.
In der Bahn reist man meist entspannter als im Auto oder Flugzeug.Vergrößern des Bildes
In der Bahn reist man meist entspannter als im Auto oder Flugzeug. (Quelle: imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Butter und Brot sind plötzlich teuer, das Ersatzteil fürs Auto hängt irgendwo zwischen Shenzhen und Bremerhaven auf den Ozeanen, und wenn erst die Gasrechnung ins Haus flattert, dann Gnade uns Gott. Wo wir schon mal dabei sind, uns zu beklagen: Die Inflation frisst die Spargroschen für die Kinder, die Regierung könnte besser arbeiten, und wer weiß, was Corona noch bringt. Und dann sind da auch noch die vielen Ausfallstunden in den Schulen, löchrige Handynetze, monatelange Wartezeiten beim Arzt und, und, und …

Ja, man muss nicht lange suchen, um in diesen Tagen Gründe für schlechte Laune zu finden. Wenn jedoch ein ganzes Volk mit heruntergezogenen Mundwinkeln durch den Herbst stiefelt, ist niemandem geholfen. Die Zeiten sind nicht rosig, aber sie waren auch schon schlimmer. Deshalb wollen wir heute aus der langen Liste der deutschen Defizite eine Institution herausgreifen, um sie in helleres Licht zu rücken.

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Auch die Deutsche Bahn muss derzeit viel Kritik einstecken. Das ist nicht neu, das sind die Eisenbahner gewöhnt. Neu ist eher, wie offenherzig sie einräumen, dass die Behebung all der Missstände noch lange – sehr lange – dauern wird. "Das Staatsunternehmen erlebt das größte Chaos seiner Geschichte", ätzte der "Focus" kürzlich und listete Zigtausende Verspätungen, kaputte Oberleitungen, Stellwerk-Blackouts, aus dem Ruder gelaufene Großbaustellen und den grassierenden Personalmangel auf. Genüsslich zitierten die Kollegen einen Bahnvorstand, der die Lage "kaum noch beherrschbar" nennt.

Vermutlich kennen Sie das ja selbst: Erst kommt der Zug zu spät. Dann hockt jemand anderes auf dem eigenen Platz, weil die Reservierung nicht angezeigt wird. Wenn die Klimaanlage nicht kaputt ist, dann aber garantiert das Klo. Das Bordbistro hat geschlossen, weil Mitarbeiter fehlen, und bis zur Ankunft am Zwischenhalt hat sich die Verspätung auf satte 40 Minuten summiert, sodass man den Anschlusszug verpasst und sich in einer zugigen Bahnhofshalle an einen Automatenkaffeebecher klammern muss. Ja, Bahnfahren in Deutschland kann ganz schön nerven.

Kann, muss aber nicht. Es gibt auch die anderen Erlebnisse. Jene, in denen sich die Bahn so zeigt, wie sie eigentlich immer sein will. Und die sind gar nicht so selten. Jetzt gerade beispielsweise, während ich diese Worte in den Laptop tippe, damit Sie morgen früh im Tagesanbruch mal etwas anderes zu lesen bekommen als immer nur Krieg und Kritik, rolle ich mit 200 Stundenkilometern durch deutsche Lande. Draußen geht die Sonne unter, drinnen ist die Temperatur angenehm, der Sitz bequem, die Türen haben auch nur kurz geklappert. Neben mir sitzt ein anderer Herr, der ebenfalls entspannt in seine Tastatur tippt, man kann wirklich gut arbeiten in so einem ICE. Schräg gegenüber gönnt sich jemand ein frisch gezapftes Feierabendbier, auch das haben sie hier. Die Schaffnerin, die heutzutage irgendwie anders heißt, hat freundlich bei der W-Lan-Verbindung geholfen, und wir haben tatsächlich noch keine einzige Minute Verspätung.

Sie entnehmen es meinen Zeilen: Ich bin ein großer Freund des Bahnfahrens. Und das liegt nicht nur daran, dass ich nicht anders kann, als einen erklecklichen Teil meiner Lebenszeit auf Achse zu verbringen. Es liegt auch an der Haltung. Sicher kann man an allem Möglichen rumkritteln und sich über vielerlei Unzulänglichkeiten ärgern – Gründe gibt es ja genug, erst recht in Regionalzügen, siehe oben.

Doch man kann die Dinge halt auch einfach mal positiv sehen. Andere Länder mögen pünktlichere Züge und bessere Netze haben, aber wenn wir uns hierzulande über die Bahn beklagen, tun wir das auf ziemlich hohem Niveau. Ich finde, wir haben einen tollen Bahnverkehr, und die Leute, die dort arbeiten, machen in der Regel einen guten Job. Deshalb gibt es eigentlich keinen Grund, bei Inlandsreisen auf überfüllten Autobahnen oder in klimaschädlichen Kerosinschleudern umherzudüsen. Im Zug reist man entspannter, umweltfreundlicher und häufig fast ebenso schnell – jedenfalls, wenn man Staus, die Anfahrtszeiten zum Airport und die Warterei an Sicherheitskontrollen einberechnet. Und was noch nicht rund läuft, soll nun endlich besser werden: Gestern haben Verkehrsminister Wissing und der Bahn-Vorstand ein groß angelegtes Sanierungsprogramm gegen Verspätungen und Zugausfälle angekündigt.

Zollen wir den Eisenbahnern also heute unseren Respekt. Das passt an diesem Freitag nämlich gut, es ist der "Tag der Schiene" mit bundesweit fast 300 Veranstaltungen: von Sonderfahrten in historischen Zügen bis zu Bahnhofsfesten. In Hamburg kann man mit der "Ferkeltaxe" herumgondeln, in Calw rollt der "Rote Flitzer", in Rostock debattiert man über die Zukunft des Schienenverkehrs (mehr hier). Klar, so was ist nicht so brisant wie die neueste Eilmeldung aus Kiew oder aus dem Kanzleramt. Aber ein bisschen Normalität kann in diesen wilden Zeiten nicht schaden.

Oh, was ist denn das …? Da hat die Schaffnerin mir doch tatsächlich ein Tütchen Kekse hingelegt! Ich sag's ja, die sind toll, die Leute von der Bahn.


Demokraten unter sich

Stelldichein in Berlin: Auf Einladung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas kommen heute die Parlamentspräsidenten der G7-Staaten und des Europäischen Parlaments zusammen. Dabei steht natürlich ein Thema im Mittelpunkt: "Russlands Aggression gegen die Ukraine – Konsequenzen für eine neue internationale Sicherheitsarchitektur" lautet das Motto des Treffens, zu dem auch der Präsident der ukrainischen Werchowna Rada kommt, Ruslan Stefantschuk.

Dessen Mission ist ebenfalls klar: Ungeachtet der gestrigen Zusagen von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht
will er weiter für die Lieferung westlicher Kampfpanzer werben, mit denen sein Land die jüngsten Erfolge gegen Putins Soldaten auszubauen gedenkt. Prominenteste Teilnehmerin der Konferenz ist die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, gemäß Protokoll die Nummer drei im amerikanischen Staat. Am Nachmittag trifft sie auch den Kanzler. Ob sie eine Botschaft von Mister Biden mitbringt?


Welche Freiheit?

Wenn heute Vormittag in Brüssel EU-Kommissionsvize Vera Jourová und Binnenmarktkommissar Thierry Breton einen Gesetzesvorschlag präsentieren, der die Medienfreiheit schützen soll, klingt das erst mal nach einer guten Sache. Tatsächlich ist gegen die Ziele der Initiative wenig einzuwenden: Sie will den Einsatz von Staatstrojanern und anderen Überwachungsmethoden gegen Journalisten einschränken und damit insbesondere auf die Bedrohung der Pressefreiheit in EU-Staaten wie Ungarn, Polen und Griechenland reagieren.

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Wie so oft bei der EU ist die Angelegenheit jedoch auch hier kompliziert. Den einen geht der Entwurf nicht weit genug, die anderen halten ihn sogar für kontraproduktiv – und da ist tatsächlich etwas dran. Bevor am Ende alle 27 Mitgliedsstaaten zustimmen können, bleibt also noch viel zu tun.


Jetzt gegen Spanien!

Die deutschen Basketballer begeistern bei der Europameisterschaft nicht nur Fans des Körbchensports. Nach dem Sieg über Griechenland kann das Nationalteam um Kapitän Dennis Schröder heute Abend in Berlin gegen Weltmeister Spanien den Einzug ins Finale klarmachen (ab 20.30 Uhr bei RTL und im Liveticker auf t-online). Das zweite Halbfinale bestreiten bereits am Nachmittag Frankreich und Polen.


Ehre für einen Großen

Jonathan Franzen hat die Gabe, scheinbar schnödes Alltagsleben in große Literatur zu verwandeln. Sein Roman "Die Korrekturen", in dem er das Auseinanderfallen einer Familie seziert, hat mich beeindruckt, seither wird jedes seiner Bücher dicker. Heute erhält der amerikanische Schriftsteller, der seit seiner Studienzeit in München und Berlin hervorragend Deutsch spricht, in Lübeck den renommierten Thomas-Mann-Preis. Daran gibt es nichts zu korrigieren.


Was lesen?

Großbritannien ist im Queen-Fieber. Moment, ist es das wirklich? Unsere Reporterin Camilla Kohrs berichtet von krassen Szenen in einem armen Vorort Londons.



Seit mehr als 20 Jahren ist David süchtig nach Heroin und Crack. Nun will er raus aus dem Drogensumpf. Wie die Stadt Frankfurt es schafft, Menschen wie dem 42-Jährigen eine echte Chance zu bieten, berichtet unser Reporter Stefan Simon.


Alain Rappsilber ist seit 33 Jahren Schornsteinfeger in Berlin-Kreuzberg. Die Energiekrise verändert seinen Job radikal: "Die Leute verfeuern alles, um die Hütte warm zu kriegen", berichtet er im Interview mit unserer Reporterin Antje Hildebrandt.


Was amüsiert mich?

Not macht erfinderisch.

Ich wünsche Ihnen einen sorgenfreien Freitag. In unserem Wochenend-Podcast geht es um die jüngsten Erfolge der ukrainischen Armee und die Frage, ob Putin den Krieg nun verlieren könnte. Die Folge erscheint exklusiv zum Hören schon heute Abend: überall, wo es Podcasts gibt.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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