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Frankfurt am Main: Heroinsüchtiger aus Bahnhofsviertel: "Ohne Hilfe wäre ich schon tot"


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Frankfurter Drogenszene
Heroinsüchtiger aus Bahnhofsviertel: "Ohne Hilfe wäre ich schon tot"


Aktualisiert am 16.09.2022Lesedauer: 5 Min.
Drogenabhängige in der Elbestraße vor einem Konsumraum im Bahnhofsviertel (Symbolbild): David war lange ein Teil der Szene.Vergrößern des Bildes
Drogenabhängige in der Elbestraße vor einem Konsumraum im Bahnhofsviertel (Symbolbild): David war lange Teil der Szene. (Quelle: brennweiteffm)
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Erst Heroin, dann Crack. David kämpft seit über zwanzig Jahren mit seiner Drogensucht. Er will sein altes Leben hinter sich lassen.

"Ich war neugierig", sagt David über den Tag, als er das erste Mal Heroin probierte. Er war damals erst 20 Jahre alt und arbeitete zu jener Zeit in einem Restaurant im Frankfurter Stadtteil Bockenheim. In einer Pause, so erzählt er, habe er das Lokal verlassen und sich in einer Straße mit einem Dealer getroffen. "Ich wollte mir eigentlich ein bisschen Haschisch kaufen. Dann sagte der Dealer zu mir, er habe hier auch etwas anderes. Ob ich es mal probieren wolle." Wie eine Linie Kokain zog er das braune Pulver durch die Nase. "Es hat mir sofort gefallen und ich sagte zu mir, wenn ich nicht mehr will, dann höre ich auf."

Aber so kam es nicht. Nach etwa einem Jahr spürte David, dass sein Körper sich veränderte. "An einem Morgen bin ich aufgestanden und mir war schlecht, ich war nervös. Ich fragte: Was ist los mit mir? Ja, ganz einfach. Es war Abstinenz." 22 Jahre ist das nun her.

David ist heute 42 Jahre alt. Seinen vollen Namen will er nicht nennen, auch lehnt er Fotos von sich strikt ab, sagt er im Gespräch mit t-online in der Drogenberatungsstelle Eastside. Heroin konsumiert David nicht mehr, denn er ist in einem Substitutionsprogramm – bekommt also Methadon als Ersatzmittel für Heroin. Zudem raucht er Crack, seit er 24 Jahre alt war. Das letzte Mal, dass er an einer Pfeife gezogen hat, ist etwa zwei Wochen her. Doch David will nicht mehr. "Ich möchte hier raus. Ich will wieder ein normales Leben führen", sagt er.

Die Drogenszene hat sich verändert

Über Menschen wie David wird in Frankfurt viel diskutiert. Und gefühlt jeder Mensch in der Mainmetropole hat eine Meinung über Junkies und das Bahnhofsviertel – ob Gastronomen, Anwohnerinnen oder Politiker. Rufe nach einem harten Durchgreifen werden lauter. Frankfurt, wo Anfang der Neunzigerjahre der bundesweit erste Raum zum legalen und überwachten Drogenkonsum entstanden war, will weitere Modellprojekte starten – beispielsweise die Abgabe von medizinischem Cannabis für schwerst Crack-Abhängige. Doch hierfür ist die Bundespolitik zuständig.

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Eine Crackpfeife und Crack. (Quelle: Twilight_Art_Pictures via www.imago-images.de)

Crack

Crack ist Kokain, das durch einen chemischen Prozess eine intensivere, aber auch kurzlebigere Wirkung bekommt. Es wird mit Backpulver und Wasser verbacken. Das Kokainhydrochlorid wird dabei in die Kokainbase umgewandelt. Nach dem Verdunsten des Wassers bleiben weiß-gelbliche Kristalle (rocks) zurück, die aufgrund der knackenden Geräusche beim Rauchen als Crack bezeichnet werden.
Durch das Rauchen gelangt der Wirkstoff innerhalb weniger Sekunden in die Blutbahn und löst nach wenigen Minuten einen sehr starken Rausch und starke Euphorie aus. Die Wirkung lässt aber schon nach 10 bis 15 Minuten nach. Die Gefahr einer schweren psychischen Abhängigkeit ist bei Crack sehr groß.

Auch ist oft die Rede davon, dass der Frankfurter Weg gescheitert sei und man neue Wege in der Drogenpolitik gehen müsse. Tatsache ist: Crack ist die dominierende Droge in der Szene und hat Heroin schon lange abgelöst.

Durch den zunehmenden Crackkonsum hat sich die Drogenszene in Frankfurt sowie die Behandlung der Substitutionspatienten verändert. Der Markt hat sich ebenfalls geändert. War es in den Neunzigerjahren der Junkie, der sein Heroin suchte, konsumieren Suchtkranke heute mehrere Substanzen. Etwa Crack oder Benzodiazepine.

Das sagt auch David. Er kennt die Szene im Bahnhofsviertel. Er war ein Teil von ihr. Schon als er 2019 das Bahnhofsviertel verließ, war Crack die bestimmende Droge, erzählt er. David konnte sich von der Szene lösen. Er sagt aber, dass er ohne die Hilfe der Einrichtungen, ohne die Konsumräume möglicherweise schon tot wäre. "Von alleine schaffst du es nicht raus. Wenn du nur auf der Straße konsumierst, einmal schlechten Stoff bekommst und eine Überdosis hast. Dann ist es vorbei."

David stammt aus einem kleinen Dorf in Süditalien. Er war 17, als er seinen Heimatort verließ und in die Bankenmetropole kam. "Mein Freund schwärmte von Frankfurt. Es wäre so eine geile Stadt mit den Wolkenkratzern und dem Puff", lacht er. Dann sagt er: "Du weißt schon, ich war 17." Er lächelt. Er nahm einen Job in der Gastronomie an, arbeitete in Bad Homburg und in Frankfurt.

Zu Beginn seines Heroin- und Crackkonsums arbeitete er ohne Probleme. "Ich war schnell und hatte viel Energie", erzählt er. Doch dann, als die Drogen immer stärker die Kontrolle über seinen Körper erlangten, kamen auch die Probleme. "Ich habe verschlafen, war müde auf der Arbeit oder bin in den Pausen eingeschlafen." Er verlor seinen Job, aber David gab nicht auf, fand wieder einen neuen Job. Doch letztendlich zwang ihn die Sucht in die Knie. Um seine Sucht weiter finanzieren zu können, beging er mehrere Delikte wie Raub. Er landete im Gefängnis.

Ohne Hilfe kommen Suchtkranke alleine nicht zurecht

In der Debatte um das Bahnhofsviertel und eine mutmaßlich gescheiterte Drogenpolitik wird oft vergessen, dass sich im Viertel nur ein Teil der Szene aufhält. Im Osten Frankfurts etwa befindet sich das Eastside, die größte Drogenberatungsstelle Europas. Dort geht David seit November 2019 hin. In der Einrichtung leben, arbeiten und wohnen Suchtkranke. Und wer hier landet, erhofft sich, irgendwann wieder ein halbwegs normales Leben führen zu können.

Im Eastside kommen die Konsumenten direkt von der Straße oder haben ihre eigene Wohnung. Und egal, wie verschieden ihre Situationen auch sind, alleine kommen sie dennoch nicht zurecht. Das Thema Konsum ist bei manch einem sogar abgeschlossen, doch sie benötigen eine sinnvolle Tagesstruktur.

Das Eastside entwickelte daher ein Stufenmodell. Dieses Modell ist individuell auf jeden Einzelnen ausgelegt und soll die Suchtkranken wieder Schritt für Schritt an die qualifizierte Arbeit heranführen. So führen die Mitarbeiter Aufnahmegespräche, fragen nach Wünschen, welche Fähigkeiten die Leute mitbringen, ob sie ihren Drogenkonsum im Griff haben und in welcher Lage sie sind, um arbeiten zu können. Im Auftrag des Jobcenters arbeiten die Drogenkonsumenten dann in den Werkshallen, der Schreinerei, Reinigung oder der Gartenarbeit. Letztendlich geht es darum, den Leuten wieder eine Perspektive zu geben.

Im Gefängnis geht David durch die Hölle

So wie David. Er arbeitet in der Reinigung und hat sein eigenes Zimmer im Nachbargebäude. Um auch von Crack wegzukommen, beginnt er bald mit der Entgiftung. Einfach wird das nicht. Er weiß, wie sich der kalte Entzug anfühlt. In der Szene nennen sie es Turkey. Als David im Gefängnis saß, ging er durch die Hölle. "Ich konnte tagelang nicht schlafen, zitterte am ganzen Körper, schwitzte, war nervös, die Knochen schmerzten. Du bist unfähig, irgendwas zu machen. Am schlimmsten aber ist die Unruhe", erzählt er.

"Ich will hier raus. Im Café hängt eine Tafel", er deutet mit einem Finger in Richtung des Cafés. "Da stehen die Namen von den Leuten, die gestorben sind. Vor kurzem kamen zwei neue Namen hinzu. Ich will nicht, dass mein Name auf der Tafel steht."

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David sei auf einem "sehr guten Weg", sagt die Leiterin des Eastside, Marion Friers. Einen Schritt zurück in ein normales Leben macht David in den nächsten Tagen. Dann zieht er in den Stadtteil Gallus in ein betreutes Wohnheim. In seine eigene Wohnung.

*Dieser Artikel wurde aktualisiert.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit David im Eastside in Frankfurt
  • E-Mail-Anfrage bei Marion Friers, Leitern des Eastside
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