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Wachsende Corona-Gefahr: Gesundheitsminister Jens Spahn ist planlos


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Wachsende Corona-Gefahr: Minister planlos

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 29.07.2020Lesedauer: 5 Min.
Gesundheitsminister Spahn gerät angesichts der zurückkehrenden Corona-Gefahr ins Straucheln.Vergrößern des Bildes
Gesundheitsminister Spahn gerät angesichts der zurückkehrenden Corona-Gefahr ins Straucheln. (Quelle: imago images)

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WAS WAR?

Mal so richtig abschalten: Ja, dazu ist die Urlaubszeit da. Die sommerliche Trägheit muss wohl auch der Grund gewesen sein, dass die Bundesregierung erst jetzt entdeckt hat: Urlauber, die ins Ausland in den Urlaub fahren, kommen am Ende des Urlaubs aus dem Urlaub zurück. Es ist bestimmt sehr heiß gewesen in den Ministerien, die Luft schwer, die Lider auch, da kann man schon mal was übersehen. Zum Beispiel den Urlaub in der Urlaubszeit. Ach ja, huch, und natürlich dieses Corona!

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Vielleicht hat irgendwer kurz mal das Fenster aufgemacht, jedenfalls wird es nun ganz plötzlich und ganz eilig verpflichtende Covid-19-Tests für alle geben, die aus einem Risikogebiet nach Deutschland einreisen. Es wäre leicht, über die Planlosigkeit herzuziehen, den Mangel an Voraussicht, aber zu einfach wollen wir es uns nicht machen. Immerhin avancierte von März bis Mai für viele selbst der Gang ins Büro zur Abenteuerreise. Verpflichtende Tests für Reisende aus Risikogebieten wären zwar immer schon eine sinnvolle Idee gewesen, nennenswerte praktische Bedeutung hatten sie aber nicht. Und viel hat sich daran bis heute nicht geändert. Erst gestern hat uns das Robert Koch-Institut ins Stammbuch geschrieben, das eigentliche Infektionsrisiko lauere noch immer direkt vor der Haustür, zwischen Büro, Kita, Verwandtschaftsbesuch und Feierabendbier. Urlaubsreisende, die das Virus aus der Ferne einschleppen, machen – je nach Zählweise – lediglich 10 bis 18 Prozent der registrierten Fälle aus.

Nur müssen sie nicht so wenige bleiben, zumal die Sommerferien ja noch voll im Gange sind, und wir wollen der Entwicklung schließlich voraus sein. Aber zwangsverordnete Tests bleiben auch nach den neuen Plänen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Ausnahme. Die Masse der Urlauber kehrt aus der europäischen Nachbarschaft zurück. Außer den Balkanstaaten und Russland hat es in unserer Weltregion derzeit nur Luxemburg auf die Risikoliste geschafft. Rückkehrer aus dem Rest Europas – ob verschreckt vom virusgebeutelten Wolfgangsee oder verkatert von den Corona-Partys auf Malle – brauchen einen Test nur zu machen, wenn sie Lust dazu haben. Gedränge und Hektik ist in den Einreise-Testzentren also erst einmal nicht zu erwarten, eher sommerlicher Müßiggang.

Die Einführung einer Testpflicht nur für Risikoländer ist deshalb nicht viel mehr als eine untergeordnete Routinemaßnahme, so wie viele andere in der Pandemie. Allerdings wirft es kein gutes Licht auf den Gesundheitsminister, dass er selbst so überschaubare Pläne nicht mit lässiger Geste aus der Schublade zieht, sondern schlecht vorbereitet zusammenschustern muss, sobald die ersten Corona-Strandpartys über den Fernsehschirm flimmern. Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes gab gestern zu bedenken, ihre Leute hätten für den Testjob ohnehin keine Zeit. Personalmangel. Die Gesundheitsämter seien ausgelastet. Der Trick bei der Planung ist eigentlich, dass man sie vorher macht.

Wollte man wirklich relevante Wirkungen erzielen, wäre sowieso ganz anderes Kaliber erforderlich. Dazu bedürfte es verbindlicher Tests für alle Reisenden, egal woher sie kommen: ein Zwangsabstrich für jeden, der zwischendurch mal eben das Land verlässt. Dafür mangelt es bisher nicht nur an der Rechtsgrundlage, zumal deutsche Gerichte nicht zimperlich sind, anlasslose und flächendeckende Maßnahmen als unverhältnismäßig vom Tisch zu wischen. Nicht wenige ansonsten rationale Mitbürger fürchten sich zudem vor einer Corona-Zwangsimpfung, auch wenn sie weder zu erwarten noch zu haben ist – leider nicht einmal freiwillig für alle, die lieber heute als morgen gegen Covid-19 geschützt wären. Mit erzwungenen Testabstrichen im großen Stil würde die Akzeptanz für eine Impfung jedenfalls nicht erhöht.

Doch sollte sich in den kommenden Wochen zeigen, dass mit der Rückreisewelle auch massenhaft Viren ins Land zurückschwappen, könnten breite, verpflichtende Tests der Notnagel sein, der uns vor einem zweiten Lockdown rettet. Für diese Eventualität wird der Gesundheitsminister bestimmt mit souveräner Handbewegung eine weitere Schublade seines Ministeriumsschreibtisches öffnen und das bereitliegende Planungspapier hervorzaubern, rechtlich geprüft, abgestimmt mit den ausführenden Gesundheitsämtern vor Ort, und mit einem Kopfnicken zu seinen Abteilungsleitern die geölte Maschinerie in Gang setzen, die uns alle vor einem Sturm an Infektionen bewahrt. Ganz bestimmt. Denn in der Schublade von heute waren die Planungspapiere nicht. Und irgendwo müssen sie ja sein.


WAS STEHT AN?

Im Wirecard-Skandal wird immer klarer: Die Bande um den österreichischen Geschäftsführer Markus Braun hat offenbar jahrelang und mit großer krimineller Energie Aktionäre, Kunden und Behörden betrogen. Aber auch die Finanzaufsicht Bafin versagte auf ganzer Linie. Laut einem "Spiegel"-Bericht machte deren Chef sogar falsche Angaben im Finanzausschuss des Bundestags. Der Sumpf entpuppt sich als tiefer und tiefer, und wir können davon ausgehen, dass er noch einige Amtsträger verschlucken wird. Heute müssen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor dem Ausschuss Rede und Antwort stehen. Die Abgeordneten wollen wissen, wann die Minister was wussten – und warum sie nicht früher einschritten, obwohl längst Medienberichte über dubiose Geschäftspraktiken der Firma kursierten. Gelingt es SPD-Hoffnungsträger Scholz nicht, seine Versäumnisse schlüssig zu erklären, wird es eng für seine geplante Kanzlerkandidatur.


Die Chefs von Amazon, Apple, Facebook und Google sind längst mächtiger als viele Präsidenten, Premiers und Kanzler dieser Welt – was sie zu einem Gutteil knallharten Geschäftspraktiken, Steuertricks und Propaganda verdanken. Mit ihren Monopolen zersetzen sie ganze Branchen. Heute müssen sie sich einer Anhörung im Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses stellen. Nur per Video, aber immerhin.


Angela Merkel und Ursula von der Leyen versuchen, das Europaparlament und dessen Vorsitzenden David Sassoli zu überzeugen: Nur wenn die Mehrheit der Abgeordneten zustimmt, können die 750 Corona-Hilfsmilliarden fließen und der siebenjährige Haushaltsplan in Kraft treten. Da werden wohl noch einige Zugeständnisse nötig sein, vor allem für Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung. Gut so.

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In Bulgarien wächst der Protest gegen die Regierung von Ministerpräsident Boiko Borissow. Neben einer Kundgebung in Sofia sind im ganzen Land Blockaden geplant. Die Demonstranten werfen der Regierung Korruption vor.


In Mekka beginnt die muslimische Wallfahrt Hadsch. Wegen der Corona-Gefahr sind nur wenige Tausend Pilger zugelassen, vor allem junge Saudis.


WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Die Zahl der Corona-Fälle steigt wieder rapide – nicht nur in Spanien oder Österreich, sondern auch in Deutschland. Meine Kollegen Sandra Sperling und Adrian Röger zeigen Ihnen den aktuellen Stand der Neuinfektionen. Außerdem legt eine neue Studie nahe, dass sich das Virus in der Luft weiter bewegt als bislang angenommen. Die empfohlene Abstandsregel von 1,50 Metern würde demnach nicht ausreichen. Die Forscher empfehlen deshalb eine Maskenpflicht auch im Freien, wie unsere Redakteure Nicole Sagener, Martin Trotz und Axel Krüger berichten. Auch zum Corona-Risiko in Flugzeugen gibt es neue Erkenntnisse: Die Luft sei in den Maschinen ähnlich rein wie in einem OP-Saal, verkündet der Luftfahrtverband – doch Studien offenbaren etwas anderes. Saskia Leidinger und Arno Wölk zeigen Ihnen, wie weit sich Partikel in der Kabine verteilen.


Der letzte US-Botschafter Richard Grenell war im Berliner Regierungsviertel so beliebt wie ein Elefant im Porzellanladen. Nun hat Donald Trump einen Nachfolger nominiert – unter dem früheren Armee-Oberst Douglas Macgregor könnte es allerdings ähnlich ungemütlich zugehen, schreibt unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold. Er hat sich den Mann, den Trump auf seinem Lieblingssender Fox News entdeckt hat, näher angeschaut.


Immer mehr Städte beäugen Passanten mit Überwachungskameras, weltweit werden schon bald eine Milliarde Linsen in Betrieb sein. Die meisten davon stehen in Chinadoch auch eine deutsche Stadt rangiert nun unter den Top 50, berichtet die "FAZ".


WAS AMÜSIERT MICH?

Not macht erfinderisch.

Bleiben Sie bitte trotz Corona-Risiko zuversichtlich. Aber vorsichtig. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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