Was heute wichtig ist Unsere Antwort ist eine Ausrede
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
hier der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:
WAS WAR?
Heute ist so ein Tag, da bin ich erfreut, dass die Republik etwas umtreibt. Es gibt ein Thema. Es bewegt weltweit. Es heißt #fridaysforfuture. Schüler und Schülerinnen streiken, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen.
In Deutschland stehen junge Menschen in mehr als 200 Städten auf der Straße für ihre Zukunft ein. Weltweit werden Aktionen in knapp 1.900 Städten erwartet.
Innerhalb weniger Wochen hat sich eine globale Bewegung formiert. Die Geschwindigkeit beeindruckt. Und ist schnell erklärt: Zum einen finden im Internet neue Bewegungen unfassbar schnell Zulauf. Zum anderen geschieht das, wenn das Thema einen Nerv trifft. Im Fall von #fridaysforfuture war die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg das Symbol dessen, was viele bewegt. Aber sie war nur der Auslöser. Es geht um etwas.
Vordergründig richtet sich der Protest gegen Politiker, die zu wenig gegen den Klimawandel unternehmen. Warum sollen wir zur Schule gehen, fragen die Jugendlichen, wenn es keine Zukunft mehr geben wird, für die es sich zu lernen lohnt? Aus dem Protest spricht zugleich eine tiefe Ohnmacht. Unsere Kinder wachsen mit dem Klimawandel auf. Können scheinbar kaum etwas gegen ihn ausrichten. Da wächst die Wut.
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Der Protest richtet sich gegen "die Politiker". Die aber schließen sich dem Protest an. In Deutschland gibt es kaum einen Spitzenpolitiker, der sich nicht anerkennend äußert. Die Kritik am Schule-Schwänzen geht da nahezu unter. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel lobt den Protest.
Was sie den Schülern allerdings nicht vermitteln kann: Warum brauchen Politik und Wirtschaft so viele Jahre, um zu handeln? Wo es doch einen breiten gesellschaftlichen Konsens gibt, dass wir schnell handeln müssen, um die Erderwärmung zu begrenzen. Und sind wir ehrlich: So richtig verstehen können wir das selbst nicht.
Die Schwedin Thunberg fordert, die Treibhausgase bis 2030 um 80 Prozent zu reduzieren. Das ist eine Ansage. Die EU plant bislang 40 Prozent Reduktion. Da muss noch mehr gehen. Das Problem ist nur, junge Menschen haben für gewöhnlich keine Lobby. Nun wählen Sie also die Straße.
Also, liebe Bundeskanzlerin: Wenn der Protest der Schüler "ein wichtiges Anliegen" ist, kommt die Bundesregierung dann auch deren Forderungen nach? Wohl eher nicht. Das ist das eigentliche Dilemma. Aus der Zustimmung der Erwachsenen folgt womöglich nichts. Das ist der Frust der Jungen. Sie laufen mit ihren Anliegen gegen eine Gummi-Wand. Sie bekommen vermittelt: "Recht habt Ihr". Aber gemeint ist: "Wir tun doch eh schon, was wir können." Doch das ist eine Ausrede. Natürlich könnten Politik und Wirtschaft ihre Anstrengungen vervielfachen und beschleunigen.
Zurück bleibt bei den Protestierenden der Eindruck, die Politik gehe verantwortungslos mit dem Planeten um.
Und dann war da noch ... Sie ahnen es. Die Briten. Nach einer mehrstündigen Debatte im Parlament stand am Abend fest: Premierministerin Theresa May hat sich ausnahmsweise in allen Punkten durchgesetzt. Das Parlament beschloss mit deutlicher Mehrheit, bei der EU eine Verschiebung des Brexit zu beantragen.
Doch May hat eine Hintertür eingebaut. Jetzt steht ihr ... nennen wir es ruhig: Erpressungsfahrplan.
Der sieht so aus. Nächsten Mittwoch wird zum dritten Mal über den bekannten Brexit-Deal abgestimmt. Den das Parlament bereits zweimal abgelehnt hat. Kommt Ihnen merkwürdig vor? Ist es auch. Lehnt das Parlament erneut ab, will May den Brexit nicht nur um ein paar Wochen verschieben lassen. Sondern lange. Wie lange genau, steht nicht im gestrigen Beschluss.
Treffer. Genau das wollten die Brexit-Hardliner bislang um jeden Preis verhindern. Das nennt man dann wohl eine Zwickmühle.
Der Moment sei May gegönnt. Nach all den Niederlagen und Frustrationen. Aber gelöst ist damit noch keines der Brexit-Probleme. Ich wünsche den Briten eines für die kommenden Wochen: Das Parlament möge seine Würde wiederfinden.
WAS STEHT AN?
Der Bundesrat tagt. Auf der Agenda: Der Digitalpakt für Schulen, die Lockerung des Werbeverbots für Abtreibungen, mehr Hilfe für Kliniken bei Organspenden. Wichtige Themen. Auch der Digitalpakt geht diesmal wohl endgültig durch.
Die Junge Union wählt am Wochenende einen neuen Vorsitzenden und Nachfolger für Paul Ziemiak. Als Favorit gilt der 34-jährige Landtagsabgeordnete Stefan Gruhner aus Thüringen, der allerdings noch in eine Kampfkandidatur muss.
Joachim Löw nominiert den Kader für die Spiele gegen Serbien und die Niederlande. Drei Spieler werden dann definitiv nicht dabei sein. Der Bundestrainer hat schon angekündigt, er wolle auf der Pressekonferenz etwas grundsätzlicher sprechen. Nach der Debatte der vergangenen zehn Tage um seinen Verzicht auf Boateng, Müller und Hummels bestimmt eine gute Idee.
WAS LESEN?
Eine gute Idee von den Sport-Kollegen in der Redaktion: Reporterlegende Marcel Reif zur Situation beim DFB zu befragen. Er sagt: "Ich begreife noch immer nicht, wie Löw zu diesem Zeitpunkt zu der Erkenntnis gelangt ist, dass ihm Hummels, Boateng und Müller in Zukunft nie mehr helfen können." Der Bundestrainer überschreitet seine Kompetenzen, findet Reif.
Victor Orban hat sich gerade bei der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament entschuldigt. Unter anderem wegen einer umstrittenen Plakat-Aktion. Andernfalls hätte die EVP seine Partei kommende Woche wohl aus der Fraktion ausgeschlossen. Im Moment sieht es so aus, als hätte er das noch einmal geschickt abgewendet. Da kommt in Ungarn bereits die nächste Plakat-Aktion. Diesmal wird es keinen Streit mit Europa geben. Aber lesen sie mal, wie geschickt Orban sich diesmal verhält. Er krallt sich die Jugend.
Ein Fundstück noch. Es verdeutlicht sehr schön, warum junge Menschen mit Unverständnis auf die Politik blicken. Konkret: Es geht um YouTube. Der zweite Fernseher aller unter 30-Jährigen. Nun ist YouTube von der Urheberrechtsreform der EU besonders betroffen. Axel Voss, der Berichterstatter des Parlaments zu eben jenem Gesetz, hat nun YouTubes Existenzrecht an sich in Frage gestellt. Klingt für mich, als wolle man Fernseher verbieten, weil das Programm der Privatsender so schlecht ist. Ich denke: Wenn jemand meinen Fernseher verbieten wollen würde, würde ich auch verärgert reagieren. Die Kollegen von watson haben die Geschichte aufgeschrieben.
WAS AMÜSIERT MICH?
Eine Minute ist ja relativ kurz, so aus Sicht eines Menschen. Aber aus der Perspektive von Twitter, WhatsApp oder Netflix? Wie viel ereignet sich bei diesen Diensten innerhalb einer Minute? Ich verrate es schon einmal für Google: 3,8 Millionen Suchanfragen in 2019. Schauen Sie mal.
Eins ist beim Fußball in jedem Spiel sicher: Das Runde muss in das Eckige. Und manchmal will es einfach nicht klappen. Auch wenn der Torwart den Kasten längst verlassen hat.
Florian Harms übernimmt nun wieder. Ich freue mich noch auf Ihre Anregungen und Kritik. Und wünsche schon mal ein sonniges Wochenende!
Ihr
Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de
Twitter: @peterschink
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