Nach NRW-Wahl "Ins Zelt gepinkelt" – Offener Machtkampf in AfD entbrannt
Wieder eine Schlappe für die AfD: Nur knapp schafft sie den Wiedereinzug in den nordrhein-westfälischen Landtag. In der Partei ist nun ein offener Streit ausgebrochen – die Kritik richtet sich vor allem gegen Parteichef Chrupalla.
In der AfD ist nach der neuerlichen Schlappe bei einer Landtagswahl ein offener Machtkampf entbrannt. Mehrere Vorstandsmitglieder forderten AfD-Bundeschef Tino Chrupalla am Montag auf, beim bevorstehenden Bundesparteitag nicht noch einmal für den Chefposten zu kandidieren. Chrupalla wies diese Forderungen allerdings zurück: Er wolle abermals antreten und strebe eine komplette Neuaufstellung des Bundesvorstands an, der dann für eine "Disziplinierung" in der Partei sorgen solle.
Chrupalla lieferte am Tag nach dem schlechten Ergebnis bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen eine kritische Zustandsbeschreibung der von ihm geführten Partei: Der derzeitige Bundesvorstand sei "leider nur mit persönlichen Animositäten" beschäftigt, in der Partei herrsche "Kakofonie", sagte er. Scharf ging Chrupalla mit seinen innerparteilichen Kritikern ins Gericht: Er sprach von denjenigen, "die ins Zelt hineingepinkelt haben", und fügte hinzu: "Das muss aufhören."
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Die AfD will bei einem Parteitag Mitte Juni einen neuen Vorstand wählen. Bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen kam sie am Sonntag mit 5,4 Prozent (-2,0) nur knapp über die Fünf-Prozent-Hürde, eine Woche zuvor hatte sie den Wiedereinzug in den Landtag von Schleswig-Holstein verpasst.
Chrupallas Kurs als zu russlandfreundlich kritisiert
Chrupallas Kritiker suchten am Montag allerdings die offene Auseinandersetzung. "Mit Tino Chrupalla endete die Erfolgsgeschichte der AfD", sagte die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar, die dem Bundesvorstand angehört. Chrupalla überzeuge weder die gesamte Partei noch die Wähler. "Darum darf er als Bundessprecher nicht noch einmal antreten." Sie forderte "unverbrauchte Köpfe an der Spitze der Partei".
AfD-Bundesvorstandsmitglied Alexander Wolf kritisierte Chrupallas außenpolitischen Kurs als zu russlandfreundlich. "Ein allzu großes Verständnis für die russische Position im Ukraine-Krieg wird nirgendwo mehrheitlich akzeptiert", sagte Wolf. "'Frieden schaffen ohne Waffen' ist eine Kirchentagsparole, nicht die Position der AfD". Und weiter: "Wir werden zunehmend als Außenseiter wahrgenommen. Dieser Kurs von Tino Chrupalla ist ein Irrweg."
Der Bundestagsabgeordnete Jürgen Braun wies darauf hin, dass die AfD nun bei zehn Wahlen in Folge verloren habe. "Alle diese Wahlen fielen exakt in die Amtszeit von Parteichef Tino Chrupalla, die im November 2019 begann", erklärte Braun. "Das dürfen wir nicht länger ausblenden."
Chrupalla wirft Meuthen destruktive Zusammenarbeit vor
Chrupalla wies eine alleinige Verantwortung für Verluste bei den Landtagswahlen zurück. Wahlen würden gemeinsam gewonnen und verloren, sagte er in Berlin. Er werde selbstverständlich für den neuen Bundesvorstand kandidieren. Dem jetzigen Bundesvorstand unterstellte er, mehrheitlich noch dem früheren Parteichef Jörg Meuthen nahezustehen; Meuthen war zu Jahresbeginn im Streit aus der AfD ausgetreten.
Ihm sei im vergangenen Bundestagswahlkampf von mehreren Vorstandsmitgliedern "in die Knie gehackt" worden, sagt Chrupalla weiter. "Das ist wie früher beim Camping. (...) Da haben sich immer diejenigen beschwert, dass es nass im Zelt ist. Und das waren diejenigen, die auch ins Zelt hineingepinkelt haben. Und das muss aufhören." Deshalb werde der neue Bundesvorstand anders aussehen.
Die AfD benötige nun "Disziplin" und einen "Imagewandel", sagte Chrupalla. Dies bedeute für ihn, dass sich die Bundesvorstandsmitglieder hinter den offiziellen Positionen der AfD "einreihen, und wenn sie eine andere Meinung haben, diese für sich behalten", sagte Chrupalla. Die Partei benötige nun einen Bundesvorstand, "der auch Hierarchien einhält". Mit dem früheren Ko-Vorsitzenden Meuthen habe er "eineinhalb Jahre doch eher destruktiv zusammengearbeitet", fügte Chrupalla hinzu.
Chrupalla will auch gegen Höcke antreten
Chrupalla kündigte an, beim Parteitag Mitte Juni im sächsischen Riesa auch gegen den thüringischen AfD-Landeschef Björn Höcke anzutreten, sollte dieser sich zu einer Kandidatur um den AfD-Vorsitz entschließen. Dies gelte auch für den Fall, dass der Parteitag – wie von einigen AfD-Politikern gewünscht – eine Abkehr von der Doppelspitze beschließen sollte.
"Wenn Herr Höcke meint, er muss antreten in einer Einerspitze, dann muss er gegen Tino Chrupalla antreten", sagte er. "Wenn die Partei meint, man braucht auch mich als Person nicht, dann kann der Bundesparteitag das entscheiden. Da werde ich nicht in Tränen ausbrechen."
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa