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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Politikexperte zur K-Frage "Für Laschet wird es schwer, Kanzler zu werden"
Wer wird Kanzlerkandidat der Union? Das CDU-Präsidium hat sich vorerst hinter Armin Laschet gestellt. Doch der Politikexperte Frank Brettschneider sieht
Das CDU-Präsidium unterstützt eine mögliche Kanzlerkandidatur von Parteichef Armin Laschet. Dennoch bleibt eine der wichtigsten Fragen der Union für die Bundestagswahl im September weiter ungeklärt. Umfragen unter den Wählerinnen und Wählern liefern dabei ein klares Bild: CSU-Chef Markus Söder ist der Favorit, Armin Laschet der Außenseiter.
Doch auch Helmut Kohl und Angela Merkel wurde die Kanzlerschaft zunächst nicht zugetraut. Kann Armin Laschet also von diesen beiden CDU-Kanzlern lernen und wäre der NRW-Ministerpräsident ein guter Kanzlerkandidat? Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim in Stuttgart erkennt deutliche Unterschiede zu Kohl und Merkel und sieht auf den möglichen Kanzlerkandidaten Armin Laschet viele Probleme zukommen.
t-online: Armin Laschet wird nicht wie Markus Söder als starker Mann wahrgenommen. Bei einem Treffen mit den Staatschefs Boris Johnson, Joe Biden, Xi Jinping und Wladimir Putin: Welche Rolle würde ein möglicher Kanzler Armin Laschet einnehmen?
Frank Brettschneider: Er würde sicher versuchen, deutsche Interessen zu vertreten, aber weniger als knallharter Verhandler, sondern als Vermittler. Allerdings konnte man sich bei Angela Merkel auch nicht richtig vorstellen, dass sie auf internationalem Parkett ernst genommen würde. Am Ende ist ihr das aber sehr gut gelungen und sie hat sich eine hohe Reputation erarbeitet. Von daher wäre es zu früh zu sagen, er würde nicht ernst genommen, aber das ist das geringste Problem, dass er als Kanzler hätte.
Welches wäre denn sein größtes Problem?
Die eigenen Wählerinnen und Wähler in Deutschland. Kanzlerkandidat zu werden, geht ja vielleicht noch, wenn die CDU so kurzsichtig sein sollte, die innerparteiliche Machtbalance in den Vordergrund zu stellen und nicht die Chancen bei den Wählern.
Prof. Dr. Frank Brettschneider leitet den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim. Er untersuchte unter anderem die Wahlerfolge von Spitzenkandidaten und den Einfluss von Umfragen auf das Wahlverhalten.
Deutlich schwerer wird es aber, Kanzler zu werden, denn er hat bei der eigenen Anhängerschaft und bei den Wechselwählern ein deutliches Unterstützungsdefizit. Von daher ist der erste Schritt, Kanzlerkandidat zu werden, noch der einfachste. Kanzler zu werden wird schon deutlich schwerer und dann müsste er noch eine Koalition schmieden und innenpolitisch überzeugen. Das sind die deutlich größeren Herausforderungen als ein Gespräch mit Herrn Biden.
Woran liegt es, dass Laschet im öffentlichen Bild hinter Söder zurückliegt? Im Corona-Management ist Bayern objektiv kein Musterbeispiel, wenn man beispielsweise Inzidenzwerte betrachtet.
Es geht bei Wahlentscheidungen nicht so sehr darum zu schauen, wer von beiden die niedrigeren Inzidenzwerte hat. Wenn Spitzenpolitiker bewertet werden, dann machen das die Menschen anhand mehrerer Dimensionen. Da wäre die wahrgenommene Kompetenz. Ist das ein Politiker, der in der Lage ist, die drängendsten Themen zu bearbeiten? Es geht dabei nicht um die wirkliche Kompetenz, sondern rein um die Wahrnehmung. Dann zählen Führungsstärke und Tatkraft – welcher Politiker ist in der Lage zu handeln und nicht nur zu reden? Drittens geht es um Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit, also Integrität.
Wie bewerten die Wähler hierbei Armin Laschet und Markus Söder?
Wenn wir die drei Bereiche wahrgenommene Kompetenz, wahrgenommene Tatkraft und wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit vergleichen, dann liegt Armin Laschet deutlich, also wirklich deutlich hinter Markus Söder. Ob zu Recht oder Unrecht ist dabei völlig egal. Armin Laschet liegt in den Umfragen nicht nur in Bayern und NRW, sondern in ganz Deutschland und bei den eigenen Anhängern hinten.
Wenn man so eine Konstellation hat, wäre es das Vernünftigste, sich nicht in dieses Rennen zu begeben. Zudem hätte er es dann bei der Bundestagswahl mit heftigen Kalibern zu tun. Robert Habeck und Annalena Baerbock schneiden beide in Umfragen gut ab. Er muss sich also nicht nur gegen Markus Söder durchsetzen.
Es wird gerne betont, dass Armin Laschet bei der Wahl zum NRW-Ministerpräsidenten ebenfalls in den Umfragen zurücklag und am Ende Amtsinhaberin Hannelore Kraft dennoch geschlagen hat. Konnte er die Menschen von sich als Person noch überzeugen, oder war es eher eine Stimmung gegen Hannelore Kraft und die SPD?
Ich glaube, da haben viele Faktoren eine Rolle gespielt, unter anderem die Bundestagswahl. Die SPD hatte vorher eine Niederlage in Schleswig-Holstein erlitten, Martin Schulz war im NRW-Wahlkampf als SPD-Kanzlerkandidat nicht präsent und die Wähler kritisierten vor allem die Bildungspolitik im Land. Da wurde meiner Meinung nach eher eine Regierung abgewählt als eine Regierung mit Laschet gewählt. Man könnte zwar sagen, er hat die Gunst der Stunde gut genutzt, aber es ist kein Automatismus, dass Laschet immer das Comeback schafft.
Helmut Kohl und Angela Merkel wurden auch beide unterschätzt. Was hat diese vermeintlichen Außenseiter so stark gemacht und was bedeutet das für Armin Laschet?
Bei Helmut Kohl gab es eine große Diskrepanz zwischen seinem Ansehen innerhalb der Partei und der öffentlichen Wahrnehmung. Öffentlich wurde er unterschätzt und in Karikaturen als Birne abgebildet. Das Fundament seines Erfolgs war letztlich seine starke Verankerung innerhalb der Partei. Das sehe ich bei Laschet nicht.
Bei Angela Merkel lag nach dem Parteispendenskandal eine Sondersituation vor. Es gab keine Alternativen zu ihr – und mit ihrem ausgleichenden Politikstil hat sie ihre Position gestärkt. Das waren völlig andere Situationen als jetzt, wo es zu Armin Laschet eine Alternative gäbe, die bei den Wählern gut ankommt.
Was müsste Armin Laschet tun, um sein Image zu verbessern und doch noch eine Chance aufs Kanzleramt zu haben?
Das ist schwer, wenn ein Image erst mal im Keller ist, und seine Werte werden zunehmend schlechter und nicht besser. Er muss also zuerst diesen Abschwung stoppen und dann ein positives Image aufbauen. Das geht eigentlich nur über Handlungen, die rundweg überzeugen. Ich sehe aber nicht, dass er gerade auf diesem Weg ist.
Vor allem sein Verhalten in der Corona-Politik ist ja eine Ursache für sein schwaches Image. Da wird ihm Wankelmütigkeit vorgeworfen und es wurde sich über seine Aussage, darüber müsse er jetzt noch mal nachdenken, lustig gemacht – als hätten wir nicht schon seit einem Jahr Corona. Deshalb sehe ich nicht, wie er schnell einen Imagewandel hinbekommen sollte.
Was kann Armin Laschet dennoch tun?
Er kann versuchen, auf andere Politikfelder auszuweichen. Doch beim zweitwichtigsten Thema für die Menschen, Klimaschutz, sind die Grünen deutlich glaubwürdiger, da wird er auch keinen Blumentopf gewinnen. Dann bleibt noch so was wie Finanzen und Wirtschaftspolitik. Darin ist er in letzter Zeit aber nicht in Erscheinung getreten. Schlussendlich kann er noch versuchen, auf eine Teamlösung mit anderen Politikern zu setzen. Doch Laschet ist angeschlagen und aus so einer Position heraus einen Bundestagswahlkampf zu führen, ist nicht ohne.
Könnte es sich die CDU überhaupt erlauben, Markus Söder, der in Umfragen deutlich führt, als Kanzlerkandidaten aufzustellen?
Warum nicht?
Man straft in gewisser Weise seinen eigenen Parteivorsitzenden ab und gibt damit zu, nicht den besten Kandidaten zu haben.
In die Lage hat sich Laschet selbst begeben. Damit hat er Druck gegenüber der Partei aufgebaut. Es wäre durchaus eine Variante gewesen, zu sagen: "Wir haben hier einen starken Kandidaten, der in der Bevölkerung Unterstützung findet. Diesen Kandidaten unterstütze ich nach Kräften und meine eigene Aufgabe sehe ich darin, die CDU schlagkräftig zu gestalten." Dann wäre damit auch kein Ansehensverlust verbunden. Für die Partei sollte am Ende aber nicht die Befindlichkeit von Armin Laschet das Entscheidungskriterium sein, sondern die Frage, mit wem von beiden die Union bei der Bundestagswahl die besten Chancen hat.
- Eigenes Interview mit Frank Brettschneider