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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Roland Hartwig AfD schasst den Mann zur Verfassungsschutzabwehr
Er sollte für die AfD verhindern, dass der Verfassungsschutz die Partei immer mehr ins Visier nimmt: Jetzt ist Roland Hartwig aus seinem Amt geworfen worden – weil er es dem Verfassungsschutz leicht machte?
Die AfD hat den Leiter der AfD-eigenen "Arbeitsgruppe Verfassungsschutz", Roland Hartwig, aus der Arbeitsgruppe geworfen. Das teilte Hartwig selbst mit. Der frühere Chef-Justiziar des Bayer-Konzerns stand seit Einberufung der Arbeitsgruppe im September 2018 an der Spitze. Sein Rauswurf durch einen Mehrheitsbeschluss im Bundesvorstand ist ein Sieg für das Lager von Jörg Meuthen in der tief zerstrittenen AfD.
Hartwig, der zunächst aus dem inzwischen aufgelösten Flügel um Björn Höcke sehr kritisch wahrgenommen worden war, hatte zuletzt etwa Andreas Kalbitz, den früheren Landeschef von Brandenburg, verteidigt. Kalbitz sei kein Rechtsextremist. Kalbitz' AfD-Mitgliedschaft wurde annulliert, weil er die Zugehörigkeit in einer Neonazi-Organisation verschwiegen hatte.
"AfD in die Hände des Verfassungsschutzes getrieben"
Der nordrhein-westfälische AfD-Landtagsabgeordnete Christian Loose, der zum Meuthen-Lager gehört, warf Hartwig auf Twitter vor: "Durch ihre ständige Verteidigung von extremen Personen in der AfD haben Sie die AfD in die Hände des Verfassungsschutzes getrieben!" Hartwig habe durch sein Handeln mittelbar für den Verfassungsschutz gearbeitet und nicht für die AfD.
Stephan Brandner, einer von Meuthens Stellvertretern und dem Flügel zuzurechnen, schrieb dagegen auf Twitter, es sei "nicht nachvollziehbar, dass eine untadelige, hervorragend qualifizierte und sehr erfolgreiche Persönlichkeit wie Roland Hartwig von Meuthens Mehrheit geschasst" werde. Nun soll der Bochumer Anwalt Knuth Meyer-Soltau Hartwigs Aufgabe übernehmen.
Zuletzt hatte AfD-Ehren- und Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland erklärt, die AfD solle sich wenig um die mögliche Beobachtung kümmern: "Es gibt leider einige Leute bei uns, die zu stark in Richtung des Verfassungsschutzes denken; so kann man aber keine echte Opposition sein", sagte Gauland. Der Richtungsstreit in der AfD ist richtig ausgebrochen, seit Meuthen bei der Eröffnung des Bundesparteitages in Kalkar Ende November jene Parteifreunde scharf attackiert hatte, "die nur allzu gerne rumkrakeelen und rumprollen" oder die, wie Gauland, Begriffe wie "Corona-Diktatur" verwendet hatten. Gauland warf Meuthen daraufhin vor, er habe "eine Rede gehalten, mit der er die Hälfte der Partei beschädigt hat."
AfD offenbar bald bundesweit Verdachtsfall
Seit Januar 2019 beobachtet der Verfassungsschutz den sogenannten Flügel der AfD als Verdachtsfall, im Frühjahr 2020 wurde er als "erwiesen extremistisch" eingestuft.
In mehreren ostdeutschen Bundesländern werden die Landesverbände der AfD bereits von den Verfassungsschutzämtern beobachtet. Es wird erwartet, dass die Partei möglicherweise bereits im Januar bundesweit zum Rechtsextremismus-Verdachtsfall erklärt wird.
- Eigene Recherchen
- Tweet Roland Hartwig