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SPD: Die Genossen wollen regieren – haben aber drei gewaltige Baustellen


Der Machtplan
Die SPD will regieren – hat aber drei gewaltige Baustellen

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

02.09.2020Lesedauer: 4 Min.
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Norbert Walter-Borjans: Der SPD-Chef besuchte in Düsseldorf ein soziales Wohungsprojekt – und hat auch mit der SPD große Baustellen.Vergrößern des Bildes
Norbert Walter-Borjans: Der SPD-Chef besuchte in Düsseldorf ein soziales Wohungsprojekt – und hat auch mit der SPD große Baustellen. (Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa-bilder)

Die SPD will weiter regieren, nur nach der nächsten Wahl bitte ohne die Union. Doch die Partei steckt tief in der Krise. Wie also soll das gehen? Es deutet sich eine heikle Strategie an.

Nein, den Schröder will er an diesem Zaun dann doch nicht machen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans besucht in Düsseldorf das Richtfest eines sozialen Bauprojekts. Vor einem Bauzaun muss er posieren. "Gar nicht so nah ran", ruft ein Fotograf. Walter-Borjans rückt ab. "Nicht am Zaun rütteln", sagt er und lacht in sich hinein. Nicht so wie Altkanzler Gerhard Schröder einst am Zaun des Kanzleramtes rüttelte.

Ein Witz in schwierigen Zeiten. Aber nicht nur.

Denn natürlich will die SPD endlich wieder da rein – ins Kanzleramt. Mit einem Rütteln wird es aber nicht getan sein. Die Partei hat sich zwar erstaunlich geräuscharm auf einen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz geeinigt. Nur damit der genügend Wähler von sich und der SPD überzeugen kann, braucht er eine Machtoption.

Und da wird es kompliziert. Die SPD hat ein dreifaches Problem. Und scheint nun eine heikle Wahlstrategie einzuschlagen.

1. Keine Mehrheit, nirgendwo – bisher

Das erste und schwerwiegendste Problem wird greifbar, wenn man die SPD-Spitze in dieser Woche auf ihrer Sommertour in Nordrhein-Westfalen begleitet. Wenn hier Mitte September die Kommunalwahlen stattfinden, ist die Frage nicht, ob die SPD Rathäuser und Stimmen verlieren wird. Die Frage ist nur, wie viele es sein werden. Und das in der "Herzkammer der Sozialdemokratie".

Die SPD muss aufholen, wenn sie eine Chance haben will, nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr zu regieren. Und zwar nicht zu knapp. Sie liegt in Umfragen noch immer bei um die 15 Prozent, trotz fleißiger Regierungspolitik, trotz beliebtem Kanzlerkandidaten. Der große Abstand zur Union ist in der Corona-Krise noch gewachsen, bis zu 38 Prozent würden derzeit CDU/CSU wählen. Und auch die Grünen liegen noch immer konstant vor den Sozialdemokraten. Eine Regierungsmehrheit abseits der Union? Gibt es derzeit nicht.

Die SPD wird deshalb in den nächsten Monaten um eine besondere Art Wähler werben müssen: den CDU-wegen-Merkel-Wähler. Die Kanzlerin tritt bei der nächsten Wahl nicht mehr an. Und wenn das allen bewusst wird, die die Union nur ihretwegen gewählt haben, könnten sich einige von ihnen wieder anderen Parteien zuwenden. So zumindest die Theorie, die Hoffnung. Das Problem für die SPD: Auch Linke, FDP und vor allem Grüne werden diese Menschen umwerben.

Wer schnappt sich die CDU-wegen-Merkel-Wähler? Das wird eine der wichtigsten Fragen des Wahlkampfs sein.

2. Wer hat Angst vor roten Socken?

Es ist aber nicht das einzige Problem für die SPD. Damit wieder mehr Menschen die Partei wählen, muss sie glaubhaft vermitteln können, dass eine Stimme für die SPD keine verlorene Stimme ist. Sie braucht also eine realistische Möglichkeit, nach der Wahl mitzuregieren.

Eine weitere große Koalition will in der SPD eigentlich niemand. Zwölf Jahre als stets unterschätzter Juniorpartner reichen aus, so sehen das die meisten. Doch was dann? Viel bleibt nicht mehr. Selbst theoretisch.

Die SPD könnte mit Grünen und FDP regieren. Dafür müsste die FDP in den Bundestag kommen – und sich dann mit SPD und Grünen auf einen Koalitionsvertrag einigen. Denkbar. Aber schwierig.

Bleibt die zweite und letzte mögliche Option der SPD: Eine linke Regierungsmehrheit mit den Grünen und der Linkspartei. Rot-Rot-Grün. Oder Grün-Rot-Rot. Denkbar, sogar eher denkbar. Aber eben auch schwierig.

Inhaltlich hätte dieses Bündnis viele Gemeinsamkeiten. Doch in der Linken haben sich noch nicht alle dazu entschieden, überhaupt mal im Bund regieren zu wollen. Und gerade in der Außen- und Europapolitik gibt es Positionen, die für SPD und Grüne nicht akzeptabel sind. Dass sich nicht mal die SPD in großer Not traut, dieses Bündnis offen anzustreben und so zu versuchen, eine Wechselstimmung zu erzeugen, liegt aber nicht nur daran. Es liegt auch an roten Socken.

Als die SPD-Spitze kürzlich zu erkennen gab, dass sie sich eine Koalition mit Grünen und Linken vorstellen kann, warnten Politiker der Union sogleich vor Sodom und Gomorra, sollte die SED-Nachfolgepartei an die Macht kommen. Die Rote-Socken-Kampagne der 90er Jahre war wieder da. Und sie kann zum Problem werden, gerade im Wettbewerb um die CDU-wegen-Merkel-Wähler. Erst Merkel und dann Kommunismus? Dieses Schreckensszenario könnte für einige dann doch etwas zu viel sein.

Nachdem es bislang so schien, als strebe besonders die SPD-Spitze recht deutlich Rot-Rot-Grün an, wählt sie ihre Worte inzwischen etwas vorsichtiger. "Unser klares Ziel ist es, so stark zu werden, dass wir eine Regierung anführen können", sagt SPD-Chef Walter-Borjans auf der Sommertour in Nordrhein-Westfalen zu t-online. "Wir wollen eine progressive Regierung bilden." Ob das eher mit FDP oder Linken, gelingen könne, da will er sich nicht festlegen.

Um sich andere Optionen offen zu halten. Aber wohl auch wegen der roten Socken.

3. Die Grünen könnten nicht mitspielen

Auch bei den Grünen ist man sich des Roten-Socken-Problems bewusst. Auch sie wollen die CDU-wegen-Merkel-Wähler haben. Auch sie müssen womöglich um sie fürchten, wenn sich die Partei der Linken gegenüber zu offen zeigt.

Aber die Grünen müssen der SPD noch aus einem anderen Grund Sorgen bereiten. Denn wenn die Grünen-Spitze gerade verschleierte Signale sendet, welche Koalition sie nach der Wahl am liebsten hätte, dann sendet sie die eher an die Union als an die SPD. Auch in der SPD nehmen sie das wahr, selbst wenn die Grünen offiziell keine Koalition außer eine mit der AfD ausschließen.

Die Grünen könnten sich gegen die SPD entscheiden – und für die Union.

Gründe dafür würden sie im Zweifel leicht finden. Eine Dreierkoalition ist meist fragiler als ein Zweierbündnis. Die FDP ist dabei, sich selbst zu finden und ist ihr traditionell fern. Und in der Linken fordern eben nicht wenige einen Austritt aus der Nato und manche auch einen Abschied von der EU.

Doch können die Grünen nach der Wahl Rot-Rot-Grün ablehnen, wenn es möglich ist? Falls die SPD stärker wäre und den Kanzler stellen würde: wohl eher ja. Wenn die Grünen den Kanzler stellen könnten: wohl eher nein.

Eine wirklich gute Nachricht wäre das für die SPD dann aber auch nicht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Sommertour der SPD-Chefs in Nordrhein-Westfalen
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