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Sachsen-Anhalt: Neonazi in der CDU? Landeschef interveniert


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Eklat in Sachsen-Anhalt
Neonazi in der CDU? Landeschef interveniert


Aktualisiert am 12.12.2019Lesedauer: 4 Min.
CDU Sachsen-Anhalt: Ministerpräsident Reiner Haseloff, der Parlamentarische Geschäftsführer Markus Kurze, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrich Thomas CDU und Lars Jörn Zimmer von der CDU (von links)Vergrößern des Bildes
CDU Sachsen-Anhalt: Ministerpräsident Reiner Haseloff, der Parlamentarische Geschäftsführer Markus Kurze, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrich Thomas CDU und Lars Jörn Zimmer von der CDU (von links) (Quelle: imago-images-bilder)

In einem Kreisverband der CDU in Sachsen-Anhalt werden Neonazi-Vorwürfe gegen einen Mandatsträger laut. Pikant: Die politische Einstellung des Mannes könnte lange bekannt gewesen sein.

Die CDU ist konservativ, von Rechtsextremismus grenzt sie sich in der Regel klar ab. Eine Personalie der Partei in Sachsen-Anhalt wirft allerdings Fragen auf. Der Landesverband drängt zur Aufklärung, noch am Freitag soll ein Kreisverband eine Sondersitzung abhalten. Denn laut Recherchen des Portals "Sachsen-Anhalt rechtsaußen" fungiert im Kreisverband Anhalt-Bitterfeld ein Parteivertreter, dem nun Verbindungen in die rechtsextreme Szene vorgeworfen werden. Er selbst streitet das ab.

Vorstandsmitglied und Mandatsträger

Der 29-jährige M. ist seit Oktober 2018 Vorstandsmitglied des Kreisverbandes, zudem seit August 2018 Mitglied der Jungen Union und des "Konservativen Kreises" in der Landes-CDU. Im März 2019 trat er bei den Kommunalwahlen auf Listenplatz eins an und errang ein Mandat für einen dortigen Ortschaftsrat.

Dabei hätte die Personalie möglicherweise schon früh Alarmglocken schrillen lassen können: Auf seinen Social-Media-Profilen bei Facebook, Twitter und Instagram postete M. regelmäßig einschlägige Beiträge mit Szenebezug. Unter anderem teilte er Musik von Neonazi-Bands. Auslöser der aktuellen Diskussion war allerdings ein anderer.

Am 6. Dezember hatte er zusammen mit einem anderen Mann mit einer Fahne des umstrittenen "Uniter"-Vereins posiert, das Logo: ein Schwert, umringt von einem Lorbeerkranz. Eine Spendenaktion für Obdachlose in Leipzig soll der Anlass gewesen sein. M. veröffentlichte das Bild selbst auf seinem Facebook-Profil. Andere Nutzer wurden darauf aufmerksam. So gewann die Debatte an Fahrt.

Denn seit Monaten steht "Uniter" – nach eigenen Angaben ein Verein mit aktiven und ehemaligen Sicherheitskräften – im Zentrum eines handfesten Skandals: Der Chef des Vereins verwaltete demnach rechtsextreme Chatgruppen, in denen sich Soldaten, Polizeibeamte und Neonazis auf einen sogenannten "Tag X" vorbereiteten und Aktionen gegen politische Gegner planten. Auch der mutmaßliche Rechtsterrorist Franco A. gehörte einer der Chatgruppen an.

Ordner bei rechtsextremer Demo

M.'s Verbindungen zum Verein könnte nicht sein einziger Anknüpfungspunkt an die rechte Szene sein. 2011 nahm er am 1. Mai als Ordner an einer rechtsextremen Demonstration in Halle teil. Ein YouTube-Video zeigt M. mit weißer Armbinde neben dem Lautsprecherwagen. Am Steuer des Wagens sitzt Enrico Marx, einer der wichtigsten Unterstützer des im NSU-Prozess verurteilten Ralf Wohlleben.

"Ich gehe davon aus, dass jemand, der bei einer solchen Demo als Ordner in der Nähe des Lautsprecherwagens mitläuft, da nicht zufällig hingeraten ist", sagte Torsten Hahnel von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus in Halle im Gespräch mit t-online.de.

M. gibt in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber t-online.de an, er sei dort als Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens eingesetzt gewesen. Für "Uniter" sei er in der "notfallmedizinischen Versorgung" tätig gewesen. Er weise die erhobenen Vorwürfe "entschieden und mit aller Schärfe" zurück, er sei kein Mitglied in einer "links- oder rechtsextremistischen Organisation". Er sei dem Grundgesetz in jeglicher Hinsicht verbunden, erklärte er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Landesverband forderte Sondersitzung

Doch wie die Recherchen von "Sachsen-Anhalt rechtsaußen" nahelegen, waren M.'s Profile in sozialen Medien bis zuletzt voll mit problematischen Beiträgen. Demnach teilte das CDU-Mitglied verschiedene Beiträge der Hallenser Neonaziband "Barricades" und schloss sich Gruppen wie "Todesstrafe für Kinderschänder" an – einer unter Rechtsextremen gängigen Forderung. Am Mittwoch wurde sein Facebook-Profil gelöscht.

Der Kreisverband Anhalt-Bitterfeld wollte sich auf Anfrage von t-online.de zunächst nicht äußern. "Rückmeldung erfolgt zu gegebenem Zeitpunkt", teilte Matthias Egert mit, der Vorstandsvorsitzende des Kreisverbandes. Schatzmeister Dietmar Krause hatte nach eigenen Angaben erst am Morgen aus der Zeitung von den Vorwürfen erfahren. Die "Mitteldeutsche Zeitung" hatte berichtet. "Erstmal gilt die Unschuldsvermutung", sagte Krause im Gespräch mit t-online.de. M. müsse seine Sicht der Dinge darstellen können.

Dann intervenierte die CDU-Landespartei: Generalsekretär Sven Schulze und Landesvorsitzender Holger Stahlknecht forderten Egert in einer Stellungnahme auf, "kurzfristig eine Sondersitzung des Kreisvorstandes einzuberufen, um Herrn M. zum Sachverhalt anzuhören". Wenig später kündigte Egert gegenüber der Nachrichtenagentur dpa eine Sitzung des Kreisverbandsvorstands für Freitag an.

Die Personalie ist auch deshalb heikel für die CDU Sachsen-Anhalt, weil es dort zuletzt immer wieder Debatten über eine mögliche Öffnung hin zur AfD gegeben hat. Ausgerechnet aus dem Vorstand des Kreisverbandes, dem auch M. angehört, stammt ein Befürworter dieser Idee: Lars-Jörn Zimmer. Zusammen mit seinem Parteikollegen Ulrich Thomas aus Quedlinburg hatte der Bitterfelder im Sommer eine sogenannte "Denkschrift" aufgesetzt. "Es muss wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen", hatten die Unionspolitiker darin geschrieben. Außerdem ist die Rede von "linkem Mainstream" und "gesteuertem Gutmenschentum". Eine Rhetorik, die auch parteiintern für Ärger sorgte.

Ein von einem kleinen Parteitag Anfang Dezember verabschiedeter Leitantrag des CDU-Landesvorstands schließt eine Zusammenarbeit mit den Linken und der AfD nach den Landtagswahlen 2021 aus – allerdings mit der Einschränkung "mit der derzeit in vielen Teilen radikalen AfD". Kooperationen auf kommunaler Ebene sind von dem Beschluss ohnehin nicht betroffen. Der Zusatz im Beschluss lässt außerdem Raum für die Vermutung, dass sich die CDU-Haltung dazu ändern könnte, falls die Bewertung der AfD künftig anders ausfällt. In Magdeburg regiert derzeit eine schwarz-rot-grüne Koalition.

Verwendete Quellen
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