Kein radikaler Politikwechsel Kretschmann: Niemand muss Angst vor grünem Kanzler haben
Klimaschutz so ambitioniert wie möglich – aber ohne die Bürger zu vergraulen: Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann betont, wie wichtig die Akzeptanz eines Kurswechsels ist.
Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat versichert, dass es mit einer von seiner Partei geführten Bundesregierung keinen radikalen Politikwechsel geben würde.
"Niemand muss Angst vor einem grünen Kanzler oder einer grünen Kanzlerin haben", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Mit Blick auf die Präsidenten der USA, der Türkei und Ungarns fügte er hinzu: "Wir sind keine Trumps oder Erdogans oder Orbans, die alles über den Haufen werfen."
"Wir sind kompromissbereit"
Beim Umwelt- und Klimaschutz würden die Grünen zwar "andere Schwerpunkte setzen". Es würde aber auch viel Kontinuität geben, versprach Kretschmann. "Wir sind eine europafreundliche Partei. Wir sind der Meinung, dass sich Deutschland an internationalen Friedenseinsätzen beteiligen muss. Wir sind kompromissbereit und können mit anderen Mehrheiten im Bundesrat zusammenarbeiten."
Kretschmann pocht auf eine soziale Ausgewogenheit beim Klimaschutz und sieht seine Partei dabei gut aufgestellt. Zwar könne man angesichts der Erderwärmung "nicht ambitioniert genug sein", sagte er. "Man muss aber auch gucken, dass es nicht zu sozialen Verwerfungen kommt. Wenn sich die Leute von unserer Politik bedroht fühlen, wählen sie ganz andere Parteien, und der Kampf gegen den Klimawandel scheitert."
"Leute nicht mit Geboten und Verboten traktieren"
Das grüne Konzept zur CO2-Bepreisung enthalte jedoch soziale Maßnahmen wie das Energiegeld und die Abschaffung der Stromsteuer. "Davon profitieren gerade die Leute mit schwachen Einkommen", erklärte Kretschmann. Er warnte aber: "Wir dürfen die Leute nicht mit Geboten und Verboten traktieren. Wir wollen sie mit realen Preisen dazu anhalten, vernünftig zu handeln. Es geht um eine soziale und ökologische Marktwirtschaft." Wie viel Fleisch jemand esse, gehöre hingegen zur persönlichen Lebensführung.
Den Vorwurf, die Grünen vernachlässigten beim Klimaschutz soziale Fragen, nannte er unsinnig. "Die SPD verbreitet diese Story nur, um sich selber in ein helles Licht zu stellen. Dabei produziert sie beim Klimaschutz nur Überschriften. Sie soll endlich selber mal ein durchdachtes Konzept vorlegen. Ich bin sehr gespannt. Mal schnell zehn Punkte aufzuschreiben, hilft da jedenfalls nicht weiter."
- Umfrage: Habeck liegt in Kanzlerfrage vorn
- Umfrage: Die Union holt die Grünen wieder ein
- Kommentar: Was die Grünen von Merkel lernen
Zugleich sprach sich Kretschmann gegen ein Bündnis mit der Linkspartei aus. Mit ihr sehe er "wenig Chancen für eine Koalition im Bund". "Sie müsste sich in der Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch in der Wirtschaftspolitik geradezu neu erfinden." Zwischen Bündnissen mit Union und SPD sehe er aber "nicht die großen Unterschiede": "In gesellschaftspolitischen Fragen kommen wir mit der Sozialdemokratie weiter, in der Wirtschaftspolitik mit der Union."
- Nachrichtenagentur dpa