Raus aus dem Umfragetief Wie sich die SPD Donald Trump zum Vorbild nimmt
Die SPD will irgendwie selbstbewusster, klarer und volksnäher sein – und versucht sich als "Gute-Gesetze-Partei" zu inszenieren. Ausgerechnet vom US-Präsidenten will die SPD lernen.
Mit 63 Buchstaben ist es bis heute eines der längsten Wörter der deutschen Sprache: Über das "Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz" wurde viel gespottet, bis es 2013 aufgehoben wurde. Heute klingen Gesetze anders: "Gute-Kita", "Starke-Familie". Die Politik bemüht sich um Eingängigkeit, eine bessere "Verkaufe". Besonders die SPD hat sich im Zuge ihres Erneuerungsprozesses eine einfachere Sprache verordnet.
Eine 107-seitige Analyse der SPD zu den Fehlern unter anderem im Bundestagswahlkampf 2017 kommt zu dem Schluss, dass es gerade auch bei der Sprache hapert. Wer weiß schon, dass sich hinter "Parität" verbirgt, dass Arbeitgeber nun wieder die gleichen Beiträge zur Krankenversicherung zahlen wie Arbeitnehmer? "Wer die Begriffe besetzt, besetzt die Köpfe", heißt es in der Analyse. Zu Zeiten von Willy Brandt sei die Sprache der SPD "einer der Hebel für politische Erfolge" gewesen. "Ostpolitik oder Entspannungspolitik waren Begriffe, die Dekaden überlebten."
Trumps Methoden sind perfekt
Heute, in einer von sozialen Medien und Pointierung getriebenen Zeit, werde das politische "Framing" immer wichtiger. Es folgt ein ungewöhnliches Lob: US-Präsident Donald Trump bediene sich "perfekt solcher Methoden". Auch der CDU/CSU wird eine bessere Kommunikation attestiert: Die Union habe den Begriff der "Lebensleistungsrente" geprägt. "Sie vermittelt ein Gefühl von Würde, Respekt und Anerkennung für die Leistung der heutigen RentnerInnen." Da habe der konkurrierende SPD-Begriff "Solidarrente" nie mithalten können.
Zum Treiber einer simpleren SPD-Sprache ist Familienministerin Franziska Giffey geworden. Sie weiß aus ihrer Zeit als Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln nur zu genau, dass man möglichst einfach reden muss, damit Bürger Politiker verstehen.
Ihr erstes Gesetz etikettiert Giffey gleich als "Gute-Kita-Gesetz", es folgt das "Starke-Familien-Gesetz". Das heißt offiziell "Gesetz zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe" – 23 Wörter.
Giffey muss tief Luft holen, als sie den ganzen Titel bei der Vorstellung des Gesetzes vorliest. So lässt es sich nicht verkaufen, meint sie. "Wenn wir Politik machen wollen, die Menschen verstehen (...), dann müssen wir vielleicht auch mal einen Begriff nehmen, den Menschen behalten können." Da sei auch nichts geschönt, wie Kritiker ihr vorwerfen: "Es ist nichts verwerfliches, ein Ziel im Gesetzesnamen zu verwenden."
Familienministerin Giffey gibt den Anstoß
Sozialminister Hubertus Heil pflichtet der Parteifreundin bei: "Gerade in diesen Zeiten, wo das Vertrauen vieler Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates aus alltäglicher Erfahrung erschüttert ist, ist es notwendig, staatliches Handeln (...) besser zu erklären". Er sei Giffey dankbar dafür, "dass sie uns allen eins beigebracht hat in der Bundesregierung: Nämlich dass im Grundgesetz nicht steht, dass wir jedem Gesetz einen bescheuerten Namen geben müssen."
Heils neues Renten-Konzept für Geringverdiener wird nun als "Respekt-Rente" publik. Doch der Begriff stößt auf viel Kritik, da sich das nach weit mehr anhört als es ist. Es geht um eine leichte Besserstellung für Geringverdiener, die lange Beiträge gezahlt haben und vor Altersarmut geschützt werden sollen – die neue Rente soll etwa 100 Euro über Hartz-IV-Niveau (derzeit 424 Euro) liegen.
Man darf gespannt sein, was da noch für trendige Gesetzesnamen kommen. Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke hat langsam genug von der Eigenwerbung speziell der SPD. Heils "Respekt-Rente" sei der dritte Versuch, "mit sprachideologischen Taschenspielertricks die öffentliche Debatte gezielt zu manipulieren". Wie beim "Gute-Kita"- und beim "Starke-Familien-Gesetz" liefere die Bundesregierung die moralische und politische Bewertung der Projekte gleich mit.
FDP: SPD will lieber PR als eine offene Debatte
"In den Augen von Polit-Strategen mögen solche Beeinflussungsversuche nach klugen Schachzügen aussehen, doch für eine demokratische Diskussion sind sie höchst gefährlich", sagt Fricke. Wer jetzt Bedenken am "Gute-Kita-Gesetz" äußere, werde schnell als Gegner guter Kitas wahrgenommen. Wer Kritik an der "Respekt-Rente" formuliere, gelte leicht als respektlos. Diese Logik opfere eine offene Debatte über Gesetzesvorschläge dem kurzfristigen PR-Erfolg einzelner Minister, so der FDP-Politiker.
Sprachwissenschaftler Sascha Wolfer vom Institut für Deutsche Sprache in Mannheim findet die werbenden Namen dagegen nicht unbedingt verwerflich. "Man kann sie auch als Zusammenfassung dessen sehen, was mit dem Gesetz erreicht werden soll", sagt er. Ob sie aber wirklich mehr Bürgernähe schafften, sei ungewiss. "Den Leuten, die die Leistungen in Anspruch nehmen wollen, ist der Name relativ egal."
Zugleich lehrt die Erfahrung, dass komplizierte Gesetzesbezeichnungen in der Öffentlichkeit ohnehin schnell abgekürzt werden. Auch "Obamacare" habe offiziell nie diesen Namen gehabt, sagt Wolfer mit Blick auf die US-Krankenversicherung.
SPD leidet immer noch unter dem Begriff Hartz IV
Giffeys Gesetzesnamen seien "der Versuch, dieser Setzung in der Öffentlichkeit vorwegzugreifen – und dann natürlich mit einem Label, der den Verantwortlichen in die Karten spielt." Wie wichtig das eigene Setzen von Begriffen ist, bevor andere es tun, hat die SPD schmerzhaft bei einem anderen Gesetz erfahren müssen: Hartz IV.
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Der bekannteste Kurztitel in Deutschland ist für die SPD bis heute ein Trauma, aber auch für den Namensgeber, und lässt sich trotz aller Versuche bisher nicht tilgen. Das "Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" - basierend auf den Reformvorschlägen des früheren VW-Managers Peter Hartz – wurde für viele zur Chiffre für sozialen Abstieg. "Hartzen" wurde zum Verb, Kinder in Schulen gehänselt. Nun will SPD auch Hartz IV überwinden. Aber wie? Die Alternative dazu ist erst noch auszubuchstabieren.
- Nachrichtenagentur dpa