"Absolut unvereinbar" Das erfolglose Buhlen der AfD um die Kirchen
Die AfD sieht sich als Stimme des Volkes, stößt aber mit ihrem Programm und dem immer extremeren Auftreten auf Ablehnung. Nun distanzieren sich Kirchenvertreter besonders deutlich.
Die AfD hat sich in Deutschland als feste politische Größe etabliert, sitzt inzwischen nicht nur im Bundestag, sondern auch in jedem Landesparlament. Doch parallel zum wachsenden Erfolg wenden sich ranghohe Kirchenvertreter zurzeit auffällig wortreich von der Partei ab.
Der Chef des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, bezeichnete die AfD jüngst als rechtsradikal und rief dazu auf, sie nicht zu wählen. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, stellte – ohne die AfD zu nennen – fest: "Nationalist sein und katholisch sein, das geht nicht." Und die Organisatoren des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2019 in Dortmund luden AfD-Politiker gar von dem Großereignis aus, da es in der Partei "einen fließenden Übergang zum Rechtsextremismus" gebe.
Die zunehmende Abgrenzung wichtiger Persönlichkeiten in der evangelischen und katholischen Kirche zur AfD ist in diesen Wochen augenscheinlich – und hat nach Experteneinschätzung mit dem immer rechtsnationaleren Auftreten der Partei zu tun. Das Verhältnis habe sich durch eine zunehmende Radikalisierung der Partei immer weiter verschlechtert, sagt Politikwissenschaftler Andreas Püttmann, der sich schon länger mit dem Verhältnis von AfD und Kirchen beschäftigt.
Kirchen scheinen genug vom Auftreten der AfD zu haben
Aufsehenerregende völkisch-nationale Einlassungen des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke, eine von AfD-Landesverbänden und Vertretern der fremdenfeindlichen Pegida gemeinsam organisierte Kundgebung im Sommer in Chemnitz – die Kirchen scheinen genug zu haben vom provokanten Auftreten der Partei. Der Kölner Kardinal Rainer Woelki befand mit Blick auf die viel kritisierte Rolle der AfD jüngst in Chemnitz, wer durch menschenverachtende Propaganda und rechtslastige Sprüche Stimmung mache, der sei Mittäter "und auf gar keinen Fall eine Alternative für Deutschland".
Es sei offensichtlich, dass die AfD mit Tabubrüchen und einer Nähe zum Rechtsextremismus punkten wolle, sagt Marianne Heimbach-Steins, Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Dieser Kurs stehe fundamentalen christlichen Werten entgegen. "Die christlichen Kirchen stehen in der Verantwortung, eine Botschaft zu verkündigen, die mit Ausgrenzungsstrategien, Hassbotschaften und dem Spiel mit der Angst von Menschen absolut unvereinbar ist."
Dabei gibt es aus Teilen der Partei ein Interesse an einem besseren Verhältnis zu den Kirchen. Eine Gruppierung unter dem Namen "Christen in der AfD Nordost" schrieb im September in einer Erklärung, sie wollten "mit Vertretern der Amtskirchen in einen offenen Dialog treten" und erwarteten, "dass uns dieser Dialog, wie anderen gesellschaftlichen Gruppen auch, gewährt" werde. Man wolle in diesem Zusammenhang einem medial geschaffenen "Feindbild AfD" entgegentreten – dieses werde oft durch Laien oder Laienverbände verbreitet, "die vorgeben, auf dem Fundament christlicher Werte tätig zu sein". Prominenteste Unterzeichnern des Papiers: die stellvertretende AfD-Bundestagsfraktionschefin Beatrix von Storch.
AfD-Christen sprechen sogar dem Papst die Legitimität ab
Dabei beruhe die kirchliche Ablehnung der AfD keineswegs auf medialen Feindbildern, sondern auf Analysen der Partei-Programmatik und etlichen öffentlichen Einlassungen ihrer Funktionäre, sagt Püttmann. "Der Seitenhieb der AfD-Christen auf demokratisch strukturierte christliche Laienverbände zeigt, welche Klientel da am Werk ist: Ultrakonservative, die es nicht ertragen konnten, im Kirchenvolk und seinen Gremien immer in der Minderheit zu sein."
Diese Männer und Frauen hätten über Jahrzehnte hinweg Niederlagen erlitten und Frust angestaut, urteilt er. "Jetzt sprechen sie der Mehrheit ihrer Glaubensbrüder, manchmal sogar Bischöfen bis hin zum Papst, die Legitimität ab." Dieser Schachzug sei vergleichbar mit dem Vorgehen politischer Populisten, die sich selbst kurzerhand zum Volk erklärten und als die einzig wahren Demokraten darstellten.
AfD-Funktionäre behaupten gerne, für das Volk zu sprechen. Doch beim Kirchentag – einer Großveranstaltung mit Abertausenden Gläubigen – dürfen sich im Juni 2019 keine AfD-Politiker auf den Bühnen und Podien präsentieren. In der Begründung der Organisatoren heißt es, der Kirchentag sei einst gegründet worden, um "aus dem Unheil der nationalsozialistischen Herrschaft und dem weitgehenden Versagen der Kirchen zu lernen und ein Forum der Widerstandskraft zu entwickeln". Angesichts dessen sei mit Blick auf die AfD Deutlichkeit geboten.
Mangelnde Deutlichkeit kann man der Kirchentagsleitung tatsächlich kaum vorwerfen. Wer sich rassistisch äußere oder Äußerungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verbreite, werde nicht eingeladen, betont das Gremium mit Blick auf die AfD – und muss sich den Vorwurf anhören, auszugrenzen. "Wenn kirchliche Funktionäre nicht mehr in der Lage oder nicht mehr willens sind, ihren überparteilichen Auftrag wahrzunehmen und für einen gleichberechtigten Dialog zu sorgen, spalten sie die Gesellschaft und machen sich selbst und ihre Botschaft unglaubwürdig", kommentierte der AfD-Politiker Volker Münz.
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Eine Annäherung ist nicht in Sicht – was sich die AfD aus Püttmanns Sicht selbst zuzuschreiben hat. Ein Treffen zwischen Kirchen- und Parteileitung sei so lange nicht denkbar, "wie die AfD sich nicht konsequent von rechtsradikalen Mitgliedern, Mandatsträgern und Mitarbeitern trennt und ihr islamfeindliches, unseren demokratischen Rechtsstaat zur Diktatur verzerrendes Grundsatzprogramm korrigiert".
- Nachrichtenagentur dpa