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Bewegung "Aufstehen": Sahra Wagenknechts Ein-Frauen-Partei mit Linkenduft


Meinung
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Bewegung "Aufstehen"
Sahra Wagenknechts Ein-Frauen-Partei mit Linkenduft

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 05.08.2018Lesedauer: 4 Min.
Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht: Sie atmet Politik, strömt Politik aus, sie lebt in ihr und mit ihr.Vergrößern des Bildes
Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht: Sie atmet Politik, strömt Politik aus, sie lebt in ihr und mit ihr. (Quelle: Mathis Wienand/getty-images-bilder)
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Sahra Wagenknecht will in ihrer Sammlungsbewegung die linken Kräfte in Deutschland zusammenbringen. Eigentlich eine gute Idee, meint Gerhard Spörl. Wagenknecht aber habe die falschen Vorbilder.

Aufstehen ist immer gut. Klingt dynamisch, entschlossen. Wir stehen auf gegen das Ungerechte, das Falsche. Wir sind anders, wir stehen auf der richtigen Seite der Geschichte.

Auch Sammlungsbewegung ist immer gut. Wir sammeln uns, dann bewegen wir uns, los geht’s. Wir sind fröhlich, wir sind heiter, wir sind unorthodox. Wir sind anders als die anderen.

Aufstehen und Sammlungsbewegung sind vorpolitische Begriffe. Sie meiden die Zugehörigkeit zu einer Partei, sie geben allenfalls eine Richtung an: die der Moral. Wenn allerdings Sahra Wagenknecht sie verwendet, verlieren sie ihre Unschuld. Sie verhüllen, worum es geht. Sahra Wagenknecht atmet Politik, strömt Politik aus, sie lebt in ihr und mit ihr.

Schon lange wirbt sie für eine linke Sammlungsbewegung, was ich für eine gute Idee halten würde, wenn sie nicht so eng gefasst wäre, nicht nur den Sahra-Wagenknecht-Linkenduft verströmen würde. Ihn gibt es schon, nämlich in ihrer eigenen Partei, die sie gerne dominieren würde und nicht kann. Sahra Wagenknecht ist ihre eigene Ein-Frauen-Partei, der sich jetzt andere anschließen dürfen, so sie mögen. Wo sie ist, geht es immer um sie.

Gut, dass sich Parteien verändern

Es tut sich was, es verändert sich was in Deutschland. Einiges vom Alten löst sich auf, einiges Neues baut sich langsam auf. Die AfD ist das Symptom für die Veränderung und zugleich die Nutznießerin der Nervosität, die alle anderen Parteien seit der Wahl im September erfasst hat. Die These der Gaulands/Weidels/von Storchs ist es, dass die Eliten abgewirtschaftet haben, in den Parteien und den Medien.

Dass sich Parteien verändern/häuten/wandeln ist nur gut so. Die FDP war mal eine nationalliberale Partei, in der Nazis eine Heimstatt fanden. Die CDU war mal eine katholische Partei mit bigottem Einschlag. Die SPD war mal eine linke Partei, die erst Wahlen zu gewinnen begann, als sie ihren Frieden mit der Anbindung an den Westen und dem Kapitalismus geschlossen hatte.


Erneuern wollen sie sich jetzt wieder und auch das ist nur gut so. Keine Partei redet eindringlicher davon als die SPD und das schon ziemlich lange. Wäre schön, wenn wir sagen könnten, was in ihr entsteht und wohin ihre Reise geht.

Was will die SPD jenseits von Großmäuligkeit?

Erneuerung klingt ja auch immer gut: nach Aufbruch, Regsamkeit, Kraft. Markig ist die Sprache, die Andrea Nahles benutzt, wenn sie dann und wann als SPD-Vorsitzende zu Gehör kommt. Horst Seehofer soll sich an den Schreibtisch setzen und seine Mickey-Mouse-Probleme abarbeiten, sagt sie und auch, dass Seehofer eine „schäbige, auf die Schwächsten in der Gesellschaft abzielende Politik“ betreibe.

Pseudokraftvoll ist das, scheinriesenhaft. Wo bleibt die erneuerte SPD? Was will sie? Ich meine, jenseits dieser Großmäuligkeit. Kann es sein, dass Andrea Nahles keine Idee hat und niemanden um sich hat, der eine Idee hätte? Wäre überfällig, dass sie ernsthaft Erneuerung betreibt, anstatt zuzuschauen, wie sie in Bayern vermutlich knapp zweistellig bei der Landtagswahl im Oktober abschneidet und womöglich auch noch von ihren eigenen Leuten gesagt bekommt, die Sahra Wagenknecht versucht wenigstens was mit ihrer linken Sammlungsbewegung?

Die Linke in der Linken/der SPD/bei den Grünen träumt davon, dass sich ein deutscher Jeremy Corbyn oder Bernie Sanders findet. Das sind rechtschaffene Männer, die ihre geballte Faust in den Himmel recken und für das Gute/Schöne/Wahre eintreten. Sahra Wagenknecht ist die junge, feminine Antwort auf die beiden älteren Herren, das ist ein wichtiger Vorteil. Auch sie tritt für eine friedliche Außenpolitik ohne Waffenexporte und Interventionen ein und sorgt sich um die Armen im Land. In dieser Welt kommt nicht vor: Syrien, Iran, Saudi-Arabien etc., nicht einmal die deutsche Automobilindustrie. Ihre wenig linksmoralischen Ausflüge in eine eher rechte Flüchtlingspolitik unterlässt Wagenknecht jetzt vorsorglich.

Macron ist das spannendere Vorbild

Bewegungen, wie sie sich auch immer nennen mögen, entstehen nicht von oben, sondern von unten. Werden sie von oben organisiert, bleiben sie schwach und halbherzig. Kommen sie von unten und sind sie gut verwurzelt, gewinnen sie an Kraft und Reichweite. Das neueste Phänomen ist eben genau diese AfD, von der sich alle anderen mit Abscheu und Empörung abwenden, was niemandem hilft, denn sie ist da und entwickelt sich ebenso folgerichtig wie sich die Grünen damals vor vierzig Jahren aus einer Bewegung zu einer Partei gewandelt haben.

Das wirklich spannende Erfolgsmodell ist Emmanuel Macron. Ihm ist gelungen, woran Bernie Sanders gescheitert ist und Jeremy Corbyn scheitern wird. Weder aus Links noch Rechts, sondern aus der Mitte muss ein neuer Fluss entstehen, der es versteht, viele mit sich zu reißen.

Erweiterung statt Erneuerung

Winfried Kretschmann ist zum Ministerpräsidenten aufgestiegen und wiedergewählt worden, weil er grün und liberal und christlich gesonnen ist und seinen Frieden mit dem Unabänderlichen geschlossen hat, dem Kapitalismus eben. Bodo Ramelow ist das linke Äquivalent zu Kretschmann: unorthodox, offen und selbstironisch. Warum bezieht sich Sahra Wagenknecht eigentlich nicht auf ihn? Weil er Wahlen gewinnen will, während sie sich die Reinheit des Herzens bewahren möchte und am liebsten um sich selber kreist, was ja auch eine Bewegung ist.

Immerhin gibt es einen jungen Kretschmann bei den Grünen: Robert Habeck. Klug, selbstkritisch, beschwingt, nachdenklich, unnarzistisch. Er gehört zu den wenigen im Lande, die Neues wälzen und von Erweiterung reden, anstatt angestrengt von Erneuerung. Von ihm können Impulse ausgehen, die andere überzeugen und auf eine Reise mitnehmen.

In einem Land, in dem die Söders/Seehofers/Nahles’/Wagenknechts wütend auf der Stelle treten und uns damit beeindrucken wollen, sind freie Stimmen und freies Denken ein Segen. Wäre doch schön, wenn sich andere dafür erwärmen könnten.

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